Kapitel 25

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OTIS

Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so stolz auf irgendjemanden gewesen, wie jetzt auf Milly, als sie wenige Tage später aus dem Polizeirevier kam. Sie grinste stolz und hielt ein Blatt Papier hoch, das leicht im Wind wehte.
"Ich hab's!", rief sie mir zu, bevor sie zu mir ins Auto hüpfte.
"Du hast du Fernhalteverfügung bekommen? Wie hat Antonio die so schnell durchbringen können?", erwiderte ich, auch, wenn ich mehr als nur froh darüber war. Nachdem Avery von der Polizei zurück in die Psychiatrie gebracht worden war, hatte er die letzten Tage damit verbracht, Milly auf Instagram und am Handy aufzulauern, sodass diese keine ruhige Minute mehr gehabt hatte. Seine Auflagen erlaubten es Avery nicht, so lange am Handy zu sein, aber er musste wohl ein Schlupfloch gefunden haben und so hatte er Milly einige wirklich schlaflose Nächte bereitet. Aber heute Morgen hatte sie Antonio angerufen und ihn gebeten, eine Fernhalteverfügung auszustellen, die auch für Anrufe und Nachrichten galt. Und ich war mehr als nur froh, dass sie sie wohl endlich bekommen hatte.
"Er hatte beim Richter wohl noch einen Gefallen offen, außerdem ist Avery eine Gefahr für die Öffentlichkeit. Wenn er nicht bald richtig in der Psychiatrie eingesperrt wird, könnte er die ganze Stadt in Schutt und Asche legen! Das wird dem Richter wohl gereicht haben, Antonio meinte, dass Avery nicht mal mehr ohne Aufsicht sein Zimmer verlassen darf", antwortete sie mir und seufzte glücklich. "Hoffentlich hat der Scheiß damit endlich ein Ende! Einer von Antonios Kollegen bringt Avery gerade die Kopie der Verfügung, damit er auch Bescheid weiß."
"Gut so. Der Kerl hat es nicht besser verdient und wenn Antonio es nicht durchgebracht hätte, hätte ich mich darum gekümmert", meinte ich und fuhr los. "Und wohin willst du jetzt? Feiern wir deinen Erfolg?" Es war schließlich Samstag, Milly hatte kein Training und daher würde ich Zeit haben, um sie zum Essen und Abhängen einzuladen. Und auch zu etwas mehr. Aber meine Freundin schüttelte den Kopf.
"Nein, ich hab keine Lust zu feiern, das war reine Gerechtigkeit. Ich will stattdessen lieber etwas anderes machen", sagte sie geheimnisvoll. "Würdest du mich zur Academy fahren?" Verwirrt sah ich sie an.
"Ist die samstags nicht geschlossen?", hakte ich unsicher nach, sie nickte.
"Für gewöhnlich schon, aber ich kenne jemanden, der jemanden kennt und mich für eine Trainingssession in meinem Tempo reinlässt. Keine Sorge, ich mache langsam und passe auf meinen Fuß auf, das ist mit Kelly abgesprochen", antwortete sie mir.
"Du willst jetzt trainieren? Warum?", fragte ich weiter nach, doch schlug sofort den Weg zur Academy ein.
"Weil ich nicht hinterher hinken darf! Nur, weil ich beim echten Training nicht mithalten kann, muss ich trotzdem was leisten! Und wenn das eben in meinem Schneckentempo am Wochenende stattfinden muss, dann ist das eben so! Hilfst du mir? Bitte?", bat sie und sah mich mit dem süßesten Blick der Weltgeschichte an. Ich seufzte. Wie sollte ich da Nein sagen können?
"Na klar, ich komme mit", willigte ich ein. "Aber tu mir bitte einen Gefallen und hör auf, wenn du Schmerzen hast, ja?"
"Ist versprochen", stimmte sie mir schnell zu und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Und heute Abend können wir dann auch feiern gehen, ja? Aber im Moment, muss ich mich erstmal um meine Ausbildung kümmern."

Wir waren nur wenig später an der Academy. Zusammen liefen wir durch die offen stehende Tür bis zum Hof, wo ein Mann in den Sechszigern auf uns wartete.
"Hey, Brad! Danke, dass ich heute Trainieren darf!", rief Milly ihm zu, worauf der Mann sich umdrehte und sie anlächelte. Anscheinend war das wohl einer von Bennys Freunden, vom Alter her würde es passen. Aber den Namen Brad hatte ich dennoch bisher noch nie gehört.
"Kein Problem, Mini", sagte er scherzend und stieß ihr in die Seite. Mini? Verwirrt sah ich Milly an, die lachte.
"Brad ist ein Kumpel von Benny, er hat mich immer Mini genannt, weil ich die Kleinste in der Familie bin", erklärte sie mir und umarmte den Mann freundschaftlich. "Ich hoffe, ich mache dir keine Umstände mit meiner Bitte."
"Machst du Witze? Was soll ich denn schon groß machen? Bei meiner Frau sitzen und mir Telenovelas ansehen? Nur über meine Leiche! Ich war sogar verdammt froh, als Kelly mich angerufen hat, damit ich hier mal aufschließe", erwiderte Brad lachend und knuffte ihr zwinkernd in die Seite. "Und wen hast du da mitgebracht?" Milly sah mich an.
"Meinen Freund Otis, er will mir zusehen", erklärte sie. "Ich würde gerne noch mal die Sache mit dem Schlauch probieren. Letztes Mal hat Jared mich die Übung ja nicht beenden lassen."
"Nur zu, du kannst machen, was immer du willst", stimmte er zu und deutete auf eins der eisernen Tore, hinter denen die Ausrüstungen lagen. "Bedien dich einfach, ich hab dir alles aufgeschlossen."
"Danke."
"Legt nur nicht die Academy in Schutt und Asche, ja?", grinste Brad und zwinkerte ihr zu. "Ich gehe solange rein und trinke eine Limo. Zuhause darf ich das ja nicht, wegen dem blöden Diabetes."
"Übertreib es nicht, sonst muss ich es Doris sagen!", rief Milly ihm nach, er winkte nur lachend ab. Sie sah mich an. "Ich gehe mich schnell umziehen. Wartest du hier?"
"Klar."
Eine halbe Stunde später beobachtete ich meine Freundin dabei, wie sie eine Übung nach der anderen absolvierte und dabei wirklich so gut wie keine Fehler machte. Ich fand es unglaublich, wie talentiert sie war und trotz ihrer Verletzung alles so spielend leicht bei ihr aussah. Sie war wirklich für diesen Beruf gemacht, das konnte keiner bestreiten. Lächelnd beobachtete ich sie dabei, wie sie die Übungen ausübte. Jared konnte tun und lassen, was immer er wollte, aber Milly war für diesen Beruf gemacht und sie würde die Ausbildung mit Bravour meistern, es würde mich wirklich wundern, wenn sie auf andere Hindernisse als auf Jared stoßen würde. Nachdem sie die Schlauchübung zum dritten Mal absolviert hatte, nahm sie den Helm ab, wischte sich den Schweiß von der Stirn und kam dann zu mir.
"Ich glaube, ich bin wieder auf dem neuesten Stand. Meinetwegen kann die Abschlussprüfung auch jetzt schon kommen, ich bin bereit! Jared kann sagen, was er will, aber ich bin auf dem besten Weg, um meine Ausbildung zu schaffen! Daran habe ich keine Zweifel mehr, egal, was er und sein Vater vorhaben!"

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt