Kapitel 27

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KELLY

Ich war mehr als nur stolz, dass meine kleine Schwester es tatsächlich geschafft hatte, die Ausbildung zu bestehen. Nicht, dass ich da irgendwelche Zweifel gehabt hätte, auf gar keinen Fall, aber wegen Jared musste ich zugeben, ab und an mal ein wenig unsicher gewesen zu sein. Jared und sein Vater hatten zusammen mit Benny wirklich alles versucht, um Milly von der Ausbildung abzubringen, aber zum Glück hatten sie keinen Erfolg gehabt. Heute war Millys Abschlussfeier, die in der Academy stattfinden würde und die ganze Wache war gekommen. Zum Glück hatten wir heute frei gehabt, sonst hätten wir tatsächlich nicht zu Millys Feier kommen können! Das wäre für mich absolut nicht verzeihbar gewesen und für Milly mit Sicherheit auch! Sie hatte uns auch von dem Vorfall während der Prüfung erzählt und ich war verdammt stolz auf Milly gewesen, weil sie Jared geholfen hatte. Sie war eben ein netter Mensch, das konnte keiner abstreiten. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Größe gehabt hätte, um Jared zu helfen, aber meine Schwester war eben einmalig. Nun saßen wir auf einigen Stühlen in den vorderen Reihen und hörten einer Rede des Commissioners zu, die uns allerdings nicht wirklich interessierte. Hinter ihm saßen alle Absolventen in ihrer feinen Uniform auf den Stühlen, Milly lächelte uns kurz an, ich lächelte knapp zurück. Da räusperte sich der Commissioner und damit hatte er wieder meine Aufmerksamkeit.
"Jetzt noch eine kleine Anmerkung in eigener Sache. Chief Howe hat mich gebeten, einen besonderen Dank im Namen seines Sohnes auszusprechen, aber ich denke, das sollte er selbst tun. Jared, möchtest du kurz vortreten?", meinte er und drehte sich dann zu Jared um, der hochrot wurde, doch dann nickte und etwas unsicher aufstand, um zum Mikrofon vorzutreten. Verwirrt sah ich Casey an, doch der zuckte auch nur die Schultern. Was sollte das denn jetzt? Was hatte Jared denn zu sagen? Dass er der Beste war? Das brauchte er nicht zu sagen, und erst recht nicht am Mikrofon bei der Abschlussfeier! Hier ging es schließlich nicht nur allein um ihn! Er war schließlich nicht der Einzige, der hier seine Ausbildung bestanden hatte!
"Ähm... Ja, danke", murmelte er unsicher und warf dann einen Blick zu Milly, die aber ebenso verwirrt wie wir schien. Als ich sie ansah, zuckte sie nur die Schultern. "Ich... Ich muss zugeben, dass ich diese Ausbildung nicht alleine geschafft hätte. Ich hatte große Probleme bei der letzten Prüfung und ohne Milly Severides Hilfe, hätte ich es nicht geschafft, weil ich einen dummen Fehler gemacht habe. Ich... hatte bisher noch keine Chance, mich richtig bei ihr zu bedanken und das wollte ich jetzt machen. Also... Danke, Milly. Ich hab keine Ahnung, warum du das gemacht hast, ich verstehe das nicht, aber danke." Ich verstand die Welt nicht mehr. Jared bedankte sich freiwillig! Hatte man den etwa ausgetauscht? Es gab einen kleinen, etwas verhaltenen Applaus aus dem Publikum, bevor Jared sich wieder setzte und Captain Brinx vortrat.
"Jared hat mich bereits von diesem Vorfall unterrichtet und ich möchte Milly auch noch einmal danken. So eine Aktion ist nicht selbstverständlich, erst recht nicht mehr heutzutage - leider. Deswegen wollen wir dir, Milly, eine Auszeichnung überreichen, dafür, dass du unschlagbaren Teamgeist bewiesen hast", meinte er und sah Milly an, die daraufhin unsicher aufstand und zu ihm nach vorne ging. Dieses Mal brach tosender Applaus los, besonders von unserer Wache, während Brinx Milly beglückwünschte und ihr einen kleinen Pin an ihre Uniform heftete. Und den hatte sie definitiv verdient, das konnte keiner abstreiten! Wie gesagt, selbst ich wäre mir unsicher gewesen, ob ich genauso wie meine Schwester hätte handeln können. Meine Schwester war wirklich unglaublich! Ihre Auszeichnung würden wir heute Abend definitiv auch noch feiern müssen, das stand fest! Ich kannte nämlich keinen anderen, der bisher bei seiner Abschlussfeier eine Auszeichnung für herausragendes Verhalten erhalten hatte! Und ich hatte schon einige Anwärter kennenlernen dürfen! Ich warf einen kurzen Blick zu Otis, der ebenso stolz wie ich schien. Kein Wunder, Milly überraschte uns beide eben immer wieder.

Einige Tage später waren wir wieder auf der Arbeit. Milly hatte gestern erst ein Gespräch gehabt, bei dem sie gesagt bekommen hatte, auf welche Wache sie kommen würde, aber ich hatte sie seitdem nicht mehr gesehen, weil ich zu beschäftigt gewesen war und sie auch nicht hatte erreichen können. Auch Otis hatte keine Ahnung, was bei ihrem Gespräch herausgekommen war, also saßen wir nun wie auf heißen Kohlen. Es war nun acht Uhr früh, wir hatten gerade unsere Schicht begonnen, als Herrmann und Mouch in den Raum kamen.
"Hey, Mouch und ich haben gerade gehört, dass wir heute einen neuen Anwärter bekommen!", rief Herrmann durch den Raum, womit er sofort unsere Aufmerksamkeit hatte.
"Einen neuen Anwärter? Warum hat Boden nichts gesagt?", fragte Casey verwirrt nach.
"Wurde vielleicht kurzfristig entschlossen, keine Ahnung", antwortete Mouch und zuckte die Schultern, bevor er sich auf die Couch fallen ließ und den Fernseher anschaltete.
"Meint ihr, dass es Milly sein könnte?", fragte Otis hoffnungsvoll nach. "Wir haben sie nämlich noch nicht erreichen können."
"Ich denke, das hätte der Chief uns gesagt", wandte ich jetzt ein. "Und Milly mit Sicherheit auch! Sie hätte es uns sofort gesagt, wenn sie auf die 51 gekommen wäre!"
"Mit Sicherheit", gab Cruz zu. "Aber solange es nicht dieser komische Jared ist, ist es mir auch relativ egal, wer kommt. Hauptsache, er nimmt die Arbeit ernst."
"Hoffentlich! So kleine Besserwisser kann ich nämlich gar nicht leiden!", stimmte Herrmann ihm sofort zu und setzte sich dann zu Mouch.
"Habt ihr echt keinen Namen hören können?", hakte Kidd jetzt neugierig nach, aber die beiden Älteren schüttelten die Köpfe.
"Nein, nur, dass jemand kommt. Die Tür war ja auch geschlossen", antworteten sie. Ich warf einen Blick nach draußen, als der Chief hinauslief und jemanden zu begrüßen schien, aber ich konnte nicht sehen, wer es war.
"Hey, ich glaube, der Anwärter ist schon da", merkte ich an, worauf alle sofort aufstanden. Der Chief kam rein, aber einen Anwärter konnte ich nicht sehen. Hatte ich mich etwa geirrt?
"Wache 51, wir haben ab heute kurzfristig einen neuen Anwärter bekommen. Darf ich vorstellen? Das neue Mitglied der Drehleiter 81", sagte er und drehte sich um, hinter ihm erschien eine kleine, dünne Gestalt, die uns unverwechselbar angrinste.
"Morgen, Leute. Legen wir gleich mit dem Training los oder wollt ihr noch eine Weile hier auf der Couch faulenzen?", grinste Milly uns an. Wir sprangen sofort auf und umarmten sie.
"Warum hast du nicht gesagt, dass du kommst?", fragte ich nach, sie lachte.
"Es sollte eine Überraschung werden, deshalb. Ich wollte dich einfach mal ein wenig zappeln lassen", antwortete sie mir kess und zwinkerte mir zu. "Ich wollte eben auch mal ein bisschen gemein sein. Also, zurück zu meiner Frage: Legen wir gleich los und machen eine Übung oder gammeln wir nur weiter hier rum?" Herrmann lachte.
"Sieh dir das an! Kaum hier, schon große Töne spucken!", lachte er. "So kennen wir die Severides!"
"Und das wird sich auch niemals ändern", konterte Milly. "Wer wären wir Severides denn, wenn wir das alles nicht tun würden?"

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt