11. Kapitel

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     Marie schien zu nervös um zu lernen und Jax streichelte Maximus, während ich mit einem Mittel versuchte meine Kleidung von dem Blut und dem Dreck zu befreien. Fehlanzeige. Meine schöne Lederjacke war also wohl im Eimer.
     Fluchend rubbelte ich über die Flecken, in der Hoffnung meine Jacke retten zu können. Vergebens. Ich rubbelte und rubbelte, doch eher rieb mir die Finger wund, anstatt es besser zu machen. Es wurde einfach nicht besser. Ich stand hier am Waschbecken und nichts wurde besser. Jax trat zu mir, sein Blick auf meine nasse Lederjacke gerichtet.
     »Die ist nicht mehr zu retten. Das Top und die Jeans vielleicht, aber die Jacke nicht mehr.« Seine Worte sollten mich nicht so treffen, schließlich war es nur eine Jacke. Eine Lederjacke, die man ersetzen konnte. Es war auch nicht so, dass ich keine anderen Jacken hatte. Ich hatte viele Lederjacken.
     Doch ich erinnerte mich genau an den Tag, an dem ich diese Jacke gekauft hatte. Diese Lederjacke. Es war meine erste Lederjacke gewesen, von meinem ersten eigenen Gehalt, das ich bekommen hatte, da ich in einer kleinen Werkstatt gearbeitet hatte.
     Dann hatte ich mir diese Lederjacke davon gekauft und das Gefühl war magisch gewesen. Langsam sah aber auch ich ein, dass man diese Jacke nicht mehr retten konnte. Das Blut und der Dreck würden nie wieder verschwinden.

     Blinzelnd stand ich vor dieser Jacke, in der Hoffnung meine aufwallenden Gefühle unter Kontrolle bringen zu können, was gar nicht so leicht war. Auf einmal wieder so viel zu fühlen war Neuland für mich. Etwas, das ich jahrelang nicht mehr getan hatte. Gefühlt. Wann hatte ich das letzte mal gefühlt?
     Ich fühlte Jax' Körperwärme neben mir, spürte seine Nähe zu mir. Gleichzeitig spürte ich mein Herz wild pochen, da er in meiner Nähe stand, ganz nah. Meine Haut prickelte und in meinem Bauch kribbelte es.
     Zudem spürte ich den Schmerz des Verlustes um meine Jacke. Wann hatte ich das letzte Mal so viel auf einmal gefühlt? Wann? Ich wusste es nicht. Ich wusste es wirklich nicht. Ich stand hier und war überfordert an der riesigen Welle, die mich überfiel.
     Sie überschwemmte mich, drückte mich unter Wasser und nahm mir die Luft zum Atmen. Eine große Hand legte sich auf meinen Rücken. Auch das fühlte ich. Ich spürte die Wärme, die von dieser Hand ausging und spürte auch das Kribbeln, das sich in meinem ganzen Körper breitmachte.
     Spürte, wie mein Rücken sich seiner Berührung entgegenstreckte und all meine Sinne sich nur auf seine Hand fokussierten. Spürte, wie etwas tief in meiner Seele zu surren begann. Das gab es nur bei ihm. Dieses Gefühl.
     Ein Ziehen in mir, in meinem Körper, an meiner Seele. Ich schüttelte meinen Kopf, da ich sicher war, dass das nur pure Einbildung war.

     »Dann gehe ich sie mal wegschmeißen«, sagte ich, das Zittern in meiner Stimme unterdrückend. Die Eiskönigin in mir unterdrückte mit einer Wucht all diese Gefühle und stellte mich taub. Ihre Kälte breitete sich in meinem Körper aus, in meinem Herzen und stellte alles erneut aus.
     Die weise Stimme in mir wollte dagegen ankämpfen, doch die Eiskönigin lachte und fragte: Wieso soll sie wegen einer dummen Jacke weinen?
     Ja. Wieso sollte ich das tun?
     Also ging ich einfach nur hinaus, warf sie in den erst besten Eimer, den ich fand und kam dann wieder in die Hütte. Jax und Marie sahen mich beide an, als hätte ich einen Knall. Vielleicht hatte ich das ja auch.
     Der Tag zerrte an meinen Nerven und meine Gefühle waren eine reinste Achterbahnfahrt. Erst waren sie hoch und wild und nicht zu bremsen, dann befanden sich meine Gefühle wieder in einem Tief. Es war zu viel. Zu viel für mich. Zu viel für... ich wusste nicht mal für wen genau. Geschickt wich ich ihren beiden Blicken aus und warf einen Blick auf die Uhr. Es war bereits erstaunlich spät. 22:04 Uhr. Erneut sah ich nach draußen. Tatsächlich. Es war bereits dunkle. In meinem Rausch an Gedanken war mir das gar nicht aufgefallen...
     »Es ist schon spät«, meinte ich, zu niemand bestimmten. Keiner von beiden erwiderte etwas. Schritte ertönten, dann stieg mir der Duft von Jax in die Nase. Ohne hinsehen zu müssen wusste ich, dass er vor mir stand.

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