6. Kapitel

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     Mit ihm durch die Gegend zu fahren war noch beruhigender, als wenn ich allein durch die Gegend fuhr. Es war schön jemand dabei zu haben, der das Motorradfahren genauso liebte wie ich selbst. Auf einer Landstraße wo wenig los war, gaben wir beide Vollgas. Das Adrenalin, das dabei durch meinen Körper rauschte, schien mich high zu machen.
     Die Welt sah nun nicht mehr so trüb aus und wie zur Antwort schob sich die Sonne zwischen der Wolkendecke hindurch und wärmte meine Glieder. Ich genoss die Herbstlichen Sonnenstrahlen und sog alles davon in mich auf, in der Hoffnung, dass die Wärme helfen würde, die Kälte meiner Seele aus mir zu ziehen.
     Immer, wenn ich das Gefühl hatte, fliehen zu müssen, wurde meine Seele kalt und ich schloss jeden um mich herum aus. Marie wusste das, weswegen sie es erst gar nicht versuchte, sondern mich fahren ließ.
     Wenn ich zurück war, war ich meist wieder besser gelaunt. Jax aber hatte meinen Schutzwall mit seiner Sorge und seinem Lächeln zum Einsturz gebracht und ich wusste nun nicht mehr, was ich davon halten sollte.
     Die Stimme des Zweifels ließ ich im lauten Motorengeräusch untergehen, als ich noch etwas mehr Gas gab und die Freiheit durch meinen Körper rauschte. Jax war ein guter Fahrer, wie ich ihm lassen musste. Er stand mir in nichts nach.
     An einer Ampel grinste er mich an und ich grinste zurück, beflügelt von dem Gefühl der Freiheit und der puren Freude, die durch meinen Körper rauschte. Vergessen waren die bösen Worte der anderen. Gerade gab es nur ihn und mich. Auf dieser Straße. Nur uns.

     Das Licht schaltete auf grün, Jax zwinkerte mir zu und dann brauste er bereits davon und ich ihm hinterher. Ich genoss das hier. Diese Leichtigkeit, wenn er mich ansah. Diese Leichtigkeit bei ihm zu sein.
     Am Anfang hatte ich ihn ausschließen wollen, doch jetzt wollte ich ihn nicht mehr loswerden. Ich wollte, dass er bei mir blieb. Hier bei mir. Als mich diese Gedanken trafen, bekam ich im ersten Moment etwas Angst. Das alles machte mir große Angst, weil ich nicht wollte, dass es so war. Ich wollte nicht...
     Diese Vorstellung, jemanden so tief in mein Leben zu lassen machte mir etwas Angst. Besonders da nicht sicher war, wie seine Freunde reagieren würde. Wie sein Rudel reagieren würde. Denn ich wollte nicht, dass die Kluft zwischen ihm und seinem Rudel noch größer wurde. Vorgestern hatte ich es gesehen.
     Die Enttäuschung in ihren Augen, die Wut, die Fassungslosigkeit. Er war ihr Alpha und ich wollte und konnte nicht riskieren, dass sie ihn hassten und er sie verlor. Denn ein Ausstoß aus dem Rudel konnte wehtun. Schmerzlich wehtun. Das wollte ich nun wirklich nicht verantworten. Konnte es nicht verantworten.
     Irgendwann hielt Jax auf einem Parkplatz und ich tat es ihm gleich. Angrenzend lag ein kleiner Wanderweg. Ich betete zu allen, dass wir heute keinen toten Tieren über den Weg laufen würden. Davon hatte ich nämlich genug, obwohl ich erst eines davon gesehen hatte. Eines reichte allerdings vollkommen aus.
     Mehr zu sehen das war einfach... ich wollte es nicht. Nicht noch mehr. Um die Gedanken zu verdrängen, schwang ich mich von meiner Ducati und sah zu, wie Jax ebenfalls seinen Helm abzog. Ein paar schwarze Strähnen fielen ihm dabei in die Stirn, die er sich mit einer eleganten Bewegung wieder aus dem Gesicht wischte.
      Mein Mund wurde leicht trocken, als mein Blick dabei auf seinen Bizeps fiel, der sich dabei unter seiner Ledermontur spannte. Hör auf so zu starren, ermahnte ich mich. Leider musste ich sagen, dass es lange her war, dass ich einen für mich attraktiven Mann gesehen und Jax war mehr als attraktiv für mich. Jax war verboten heiß.
     Vielleicht lag es daran, dass ich schon immer ein Fan von Tattoos gewesen war und es mich magisch anzog, wenn jemand welche hatte. Besonders bei ihm schien es mich noch mehr anzuziehen.
     Meine Augen glitten zu dem Tattoo in seinem Nacken. Wunderschöne Linien, die zu einem wundervollen Muster wurde. Das Kribbeln in meinen Fingern deutete daraufhin, dass ich die Linien nachziehen wollte, doch das konnte ich nicht zulassen. Nie und nimmer konnte ich das zulassen. Das konnte ich einfach nicht.

     Jax' Blick glitt über mein Gesicht hinweg, als würde er nach den letzten Anzeichen meiner Wut und meiner Angst suchen. Als er keine Anzeichen davon fand, wurde sein Lächeln noch breiter und ich schmolz fast dahin bei diesem Lächeln. Es war wunderschön.
     Viel zu schön um wahr zu sein. Ich liebte es. Liebte sein Lächeln und bekam nicht genug davon. Ich wollte es einfangen und mir ansehen, wenn ich einen schlechten Tag hatte. Bei diesen Gedanken schüttelte ich leicht den Kopf. Nein. Auf gar keinen Fall.
     »Und wir gehen jetzt spazieren?«, fragte ich ihn und lächelte leicht. Jax nickte. »Ja. Hier laufe ich immer, wenn meine Gedanken drohen mich zu ersticken.«
     Kribbelnde Gefühle erwachten in meinem Inneren und ich fragte mich, wieso das so war. Wieso ausgerechnet jetzt. Es lag an der Tatsache, dass er etwas sehr Privates mit mir teilen wollte. Das ließ meinen Puls höherschlagen. Verdammt hoch. Ein Teil von mir wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Eigentlich gar nicht.
     »Dann lass uns gehen«, sagte ich, zog den Helm vollständig von meinem Kopf und verfluchte meine Haare dafür, dass sie nun lang und wirr in mein Gesicht hingen. Eilig schob ich sie wieder an ihren Platz.
     Vor lauter Eile hatte ich vorhin meinen Haargummi vergessen und hasste mich dafür, dass ich nie einen dabeihatte. Jedes Mädchen schien einen dabeizuhaben. Nur natürlich ich nicht. Wie dämlich.

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