30. Kapitel

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      Es erklärte alles und doch nichts. Es erklärte, wie sie so schnell an den Stein gekommen war. Weil er die ganze Zeit dagewesen war. Es erklärte, wieso sie so darauf gepocht hatte, die „Person" zu finden. Weil sie sich schuldig fühlte. Die Frage war nur, wieso sie mir das nie gesagt hatte.
     Hatte sie wohl. Indirekt und ich hatte es nicht verstanden. Meine ganze Welt drehte sich und Jax zog mich dichter an seinen Körper, als spürte er, dass ich das nun brauchte. Das Rätsel war nun gelöst und doch fühlte ich mich nicht besser.
     »Was genau hat sie versucht?«, fragte jemand aus dem Kreis. Ich konnte nicht ausmachen wer es war.

     »Sie wollte in mich hineinhorchen. Alle Klanführer und Klanführerinnen müssen das zu einem bestimmten Zeitpunkt machen, um sicher zu gehen, dass die schwarze Magie noch in mir ist. Sie war zu schnell, zu voreilig und dann ging die Tür auf, die viele Hexen versperrt haben. Sie hat es nicht gemerkt, weil die schwarze Magie sehr schlau ist und natürlich auch noch in mir ist. Weil ich als erstes da war. Die schwarze Magie ist nur durch mich entstanden. Und deswegen hielt sie die Magie in mir wohl noch für die schwarze Magie. Es war keine Absicht von ihr. Aber es ist ihre Schuld. Sagt mir also, wieso ich sie retten soll und andere, wenn es ihre Schuld ist? Sie sollte dafür geradestehen und nicht ich.«
     Stille folgte. Niemand wusste eine Antwort darauf. Niemand sprach. Ich wusste, dass ich nicht sprechen durfte. Nicht sprechen sollte. Doch ich konnte meinen Mund nicht halten.

      »Sie wollte schon immer dafür geradestehen. Sie hatte den Plan. Sie hätte sich für uns alle geopfert und tut es noch, damit wir die schwarze Magie wieder loswerden. Sie ist von ihr gefangen und das hat sie so geplant. Ich weiß es. Weil sie mir einen Zettel hinterlassen hat. Das hier ist ihr Plan, nachdem wir den ersten nicht zugelassen haben. Sie opfert sich schon jetzt aber das kann ich nicht zulassen. Sie ist die einzige Mutter die ich je hatte. Die einzige Person, die von Anfang an zu mir stand und mich so akzeptiert hat, wie ich bin. Bei ihr musste ich mich nie rechtfertigen. Sie will sich opfern, aber das kann und will ich nicht zulassen. Ja, sie hat einen Fehler gemacht, aber deswegen muss sie nicht sterben.«
     Der Stein schien sich mir zuzudrehen. Kalter Schweiß brach mir aus und ich fragte mich, ob ich jeden Moment sterben würde.
     »Es ist sehr mutig von dir, mich anzusprechen, Mensch. An dir haftet ein Hauch von Magie, doch du bist ein Mensch. Du lebst im Zirkel, sonst wärst du nicht hier. Oria, nehme ich an. Ich konnte dich in Jesibas Kopf sehen. Du bist ihr ganzer Stolz. Ich kann sehen, wieso. Du bist sehr mutig. Dennoch kann ich deinen Mut nicht belohnen. Ich will dieses Ding nicht mehr an mich gebunden haben.«

     Die schwarze Magie kam näher und ihr Lachen ertönte, glitt mir über die Haut wie Schleim und ging nicht mehr weg.

     »Eure einzige Rettung ist zwecklos.«

     Nein, dachte ich. Der Stein sagt, dass er es nicht mehr an sich gebunden haben möchte. Nicht, dass er uns nicht helfen wird.

      »Kannst du es in diese Kette bringen?«, sprach ich meine letzte Hoffnung aus. Das Letzte, was ich hatte. Nichts geschah. Der Stein antwortete nicht. Die Hoffnung zerbrach. Der Kreis der Hexen löste sich auf, das Licht verschwand.
     Die schwarze Magie lachte dunkel. »Er wird euch nicht helfen. Der Stein will frei sein. Frei von mir.« Die Hexen und Hexer blinzelten gegen die Trance an, in der sie sich befunden hatten und sahen sich um. Ihr Blick haftete auf dem Stein, der noch immer schwebte. Eigentlich war es kein Wunder, dass der Stein aus dem Zimmer hatte kommen können. Denn er trug schwarze Magie in sich und hatte so die magische Barriere umgehen können.

     Die Frage war nun nur, ob uns das weiterhelfen würde oder nicht. Vermutlich eher nicht. Denn der Stein tat nichts. Er schwebte nur in der Luft, während die schwarze Magie mit ihren dunklen Schlieren immer näherkam, direkt auf die Hexen und Hexer zu.
     Alle Werwölfe knurrten als Warnung und standen auf. Ihre Körper bebten, doch ihnen war klar, dass sie nicht viel ausrichten konnten. Sie waren gegen Magie machtlos.
     Sonst waren sie starke Jäger, starke Kreaturen, die zwei Motorräder auf einmal hochheben konnten. Doch gegen Magie? Gegen Magie waren sie nur harmlose Wölfe, die in einem Wimpernschlag reglos auf dem Boden landen konnten.

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