⠀ ⠀ ⠀ IX. we exist to weep. we exist to share our helplessness

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DIE SCHLAFRÄUME DER Mädchen befanden sich unter dem Dach des gotischen Hauptschlosses, waren mit Schrägen verkleinert, während die Jungen den gesamten Platz ihres Raumes behalten konnten, da sie in einem der unteren Etagen untergebracht waren.

Es hatte in ihren sechs bisherigen Jahren eine persönliche Note bekommen, über die Jahre hatte sich nur verändert, dass Delilahs Bett und Schrank verschwunden waren, als sie im fünften Jahr ihr eigenes Zimmer bezogen hatte, und der Gedanke, dieses Zimmer in einem Jahr verlassen zu müssen, damit jemand neues einzog, fühle sich befremden an.

Es waren ihre Bilder, Zeichnungen und Recherchen, die die cremefarbenen Wände zierten; ihre Kräuter und Rosen, die von der Decke zum Austrocknen hingen; ihre Bücher lagen in Stapeln an ihrer Wand; ihre Tarotkarten, die von der letzten Lesung noch immer offen auf ihrer Kommode lagen.

Alethea zog ihre Beine wieder enger an ihren Körper, wickelte die Arme um ihre Knie und lehnte sich gegen die Wand, an der ihr Bett stand. Ihr Schlafraum war ihr einziges Zuhause gewesen, dass sie nach dem Tod ihres Vaters besessen hatte und es bald verlassen und endgültig in das alte Anwesen ziehen zu müssen, ließ ihre Kehle eng werden,

Sie lachte in den leeren Raum hinein, lachte über die Banalität ihrer Gedanken. Sie machte sich im Herbst schon Gedanken darüber, was im Sommer geschehen würde, obwohl sie nicht einmal wusste, ob sie überhaupt ihren Abschluss schaffte.

Ihre Augen schlossen sich. Wahrscheinlich sollte sie schlafen, in drei Stunden musste sie bereits wieder aufstehen, um in die Bibliothek zu gehen. Der Gedanke, dass nun noch die kurze Zeit zu schlafen sich nicht mehr lohnte, kam ihr und Alethea wog ab, ob sie sich vielleicht in einem Buch über Alchemie vergraben sollte.

Ihre Augen flogen jedoch auf und huschten zu der Tür, als jemand an dem dunklen Holz klopfte; verwirrt, da es weit nach Sperrstunde war und niemand sich mehr hinaus traute — und es eine unmögliche Uhrzeit war.

Ihre Füße berührten das kühle Parkett, als sie sich erhob und langsam ging sie zu der Tür, öffnete diese zögernd. Die Nachtwächter mussten in den unteren Etagen ihre Runden ziehen, die Abwesenheit der schwefelhaltigen Kälte verriet dies.

Doch niemand stand davor. Der Gang war leer und jede andere Tür war verschlossen; kein Mucks war zu vernehmen. Niemand schien wach, niemand schien geklopft zu haben und vielleicht hatte sie sich alles nur eingebildet — sie las einmal darüber, dass Schlaflosigkeit Halluzinationen hervorrufen könnte. Alethea überlegte zu rufen, aber wollte keine Geräusche machen und Dinge anlocken, die sie nicht mehr loslassen würden.

Als sie die Tür wieder schließen wollte, fiel ihr Blick auf einen dunklen Karton, der direkt vor ihr stand. Leise wartete er darauf, von ihr mitgenommen zu werden und da sie schnell wieder in ihr Zimmer verschwinden wollte und Neugier an ihr heftete, tat sie dies auch; beachtete nicht, wie dämlich diese Aktion war.

Der Karton lag schwer in ihren Händen und sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, geschützt in ihrem Zimmer stand, vernahm sie ein leises, zuvor nicht dagewesenes Schnurren. Ihre Augen weiteten sich und Alethea setzte den Karton auf ihrem Bett ab, schob den Deckel rasch davon.

Ihr mit goldenen Augen entgegenblickend entdeckte sie eine schwarze Katze, mit Fell so rein wie die Dunkelheit persönlich. Mit dem herablassenden und genervten Blick, den jede schwarze Katze besaß.

Anmutig erhob sie sich, versenkte ihre Krallen in dem samtigen Kissen, auf welchem sie sich platziert hatte, und Alethea konnte nichts anderes, als die Katze in ihre Arme zu heben.

»Wer bist du denn?«, fragte sie flüsternd und suchte vergebens nach einem Halsband. Sie krallte sich in ihr weißes Nachtkleid, doch kaum spürte Alethea den Schmerz, den sie verursachte, und sah stattdessen zurück in den Karton. Ein zusammengefalteter Zettel lag abwartend auf dem Kissen.

devotion till violence.     professor riddleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt