⠀ ⠀ ⠀ XVI. under the weeping willow

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DIE ZIGARETTE WIPPTE beinahe schon vergessen zwischen ihren Lippen, wie ein kleines Kind, vergessen von seiner Mutter auf dem Spielplatz, während sie ihren Kopf zu der Musik hin und her wiegte, die das Orchester in ihrem Kopf passiv spielte. Ihre Augen für einen Moment geschlossen, in der Hoffnung, nun allem zu entkommen.

Alethea glaubte nicht einmal selbst ihren Verstand verstehen zu können.

Der Rauch drang in ihre Lungen ein wie ein Gedanke und gab ihr für die Sekunden, in denen ihr Inneres mit dem Rauch gefüllt war, das Gefühl endlich wieder entspannen zu können. Ihre Augen öffneten sich erneut und sie begegnete dem Chaos auf ihrem Schreibtisch, welches beim kreieren einen solchen Sinn ergeben hatte und sie nun überforderte.

Alethea klopfte die Asche ihrer Zigarette über der Untertasse ab, welche als Aschenbecher fungierte, und blickte auf das geöffnete Buch vor sich, versuchte in den Worten eine Bedeutung zu finden. Vielleicht war sie nur krank, konnte ihren Verstand deswegen nicht nutzen.

»Weißt du, worüber ich nachgedacht habe?«, fragte Alethea Érebos leise und wandte sich für wenige Sekunden von ihren Schularbeiten ab, ignorierte die Uhr, die bald vier schlug und das einhergehende Wissen, dass sie heute keinen Schlaf mehr bekommen würde.

Ihr Kater lag auf dem Fensterbrett ihres weit geöffneten Fenster vor ihrem Schreibtisch, blickte den Mond so voller Sehnsucht an, dass Alethea selbst nur beim Zusehen ein Ziehen in ihrem Inneren fühlte, bevor er sich zu ihr wandte. »Diese Versionen, die ich besitze... keine von ihnen zeigt mir die Zukunft, sondern eher...« Sie verstummte und blickte in die goldenen Augen ihres Katers; bewunderte, wie sein Fell im Kerzenschein glänzte. »Eher meine Gedanken, die ich in dieser Situation haben werde...«

Sie zog erneut an ihrer Zigarette und der Rauch wirbelte in einer Wolke durch das Fenster, verschwand in der Nacht, während Alethea ihre Augen erschöpft schloss. Sie kam nicht voran. Sie lief in einem Kreis und immer und immer wieder blickte sie auf dasselbe Bild, welches sich in die Hecken ihres Labyrinths geritzt hatte, immer und immer wieder davon überzeugt, dass es ein neues Bild war.

Es war, als wollte sie vergessen, dass sie das Bild bereits kannte. Wieso konnte sie nicht denken?

»Ich habe nichts in all den Büchern gefunden, die ich gelesen habe. Oder eher: Ich fand hunderte Dinge in Büchern und Legenden, aber schaffe es nicht, die Verbindungen zu ziehen...«, murrte sie leise und ließ ihren Kopf auf den Tisch fallen.

»Wir fassen zusammen: Wir haben eine Gruppe von maskierten Mördern, deren Motive unklar sind. Ich habe Visionen, deren Ursprung ich nicht kenne und die ich im Allgemeinen nicht verstehe. Ich habe einen Professor, der vielleicht gut oder doch böse ist. Ich habe quasi meine Seele an besagten Professor verkauft, damit er nichts über meine Magie preisgibt, über die ich nichts weiß. Und dazu kommen noch meine Herbstprüfungen, die jetzt im Winter stattfinden aufgrund der Geschehnisse, die angeblich nicht einmal stattgefunden haben.«

Érebos erhob und streckte sich, kam mit eleganten Schritten auf ihren Schreibtisch hinunter und legte seine Tatze auf Aletheas geöffnetes Notizbuch. Sie hob ihren Kopf erneut, blickte auf die Zeichnungen der erhängten Marionetten; des Dämonen in seiner Naturgestalt, der zwischen Bäumen und Ästen lauerte und Delilah...

Oh, ihre wunderschöne Delilah mit aufgerissenen Augen, die starrte, als würde der Teufel ihr gegenüber stehen. Alethea wurde den Gedanken nicht los, dass sie es war, die ihrer besten Freundin gegenüber stand.

»Dann haben wir noch Delilah... und Eleni...«, sagte Alethea mit zarter Stimme und Érebos streckte seine Vorderbeine aus, ließ sie nicht aus dem Blick. Wahrscheinlich hörte er ihr besser zu als irgendeine Seele in dieser Akademie. »Es werden noch schlimmere Dinge passieren und die Lösung steht genau vor mir, ich sehe sie nur noch nicht.«

devotion till violence.     professor riddleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt