Verrückter Vogel

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Kennt ihr das Gefühl der Vorahnung? Wenn man aufwacht und das Gefühl hat, dass der Tag scheiße werden wird und dass ihr am bestem im Bett bleibt? Nein?


Nun, dann hattet ihr noch keinen solchen Tag wie ich ihn damals hatte. Seit aber besser froh darüber.


Ich sitze am Frühstück und schaufle fast schon lustlos mein Müsli in mich hinein. Ganz einfach, weil ich heute keinen Bock auf die Schule hatte, insbesondere nicht auf Raven...meine heimliche Liebe. Feuerrotes Haar und umwerfende Augen. Mondaugen. Reines Silber sieht einen mit einem belustigten Funkeln an. Ich liebe sie schon seitdem ich sie das erste Mal getroffen habe. Aber zurzeit hat sie einen Freund und denkt nicht mal eine Sekunde an mich. Früher haben wir uns regelmäßig geschrieben und getroffen.


Aber seitdem sie einen Freund hat, gehe ich ihr sonst wo vorbei.


Ich sehe in den Spiegel, der in meinem Zimmer hängt und seufze leise. Nachdem ich mein Frühstück doch noch geschafft habe, mache ich nun das Gleiche wie jeden Tag auch. Die Handgriffe sitzen und wirken fast schon als seien sie einstudiert. Aber was soll es. Ich mustere mich und mein Aussehen.


Meine Haare habe ich heute zu Stacheln geformt, das hat mich fast die Nerven gekostet, denn irgendein Haar fiel immer aus der Reihe oder es war gleich eine ganze Strähne. Ich hab mir dann einfach Haarspray genommen und Schaumfestiger in meine noch nassen Haare geschmiert. Und e voila! Sie standen wie eine eins. Aber genug von meinen Haaren, meine grün-blau-grauen Augen, ja anders kann man dieses Farbgemisch einfach nicht beschreiben, habe ich, wie immer, mit einem schwarzen Eyeliner umrandet. Schwarz wie meine Seele.


Ich greife nach dem Kajalstift und trage ihn ebenfalls auf. Anfangs haben meine Augen noch gebrannt und ich hab Rotz und Wasser geheult, aber wer schön sein will muss leiden. Apropos leiden....


Ich griff mir meine Pinzette und zupfte mir die Augenbrauen neu. Ich mochte es nicht, wenn mir in der Mitte die Haare wieder wuchsen. Es sah einfach nur eklig aus. Generell mochte ich es nicht irgendwo Haare zu haben und deshalb rasierte ich mich. Nur Wimpern, Augenbraue und die Haare auf dem Kopf ließ ich wo sie waren. Na gut, die Augenbrauen zupfte ich zwar. Dem Rest rückte ich allerdings mit Rasierer und Wachsstreifen zu Leibe. Ja, Wachsstreifen. Anfangs hallte immer ein lauter Schmerzensschrei durch das Haus meiner Eltern, in dem ich zurzeit wohnte oder wohnen durfte.


Ich erinnerte mich noch gut an das erste Mal, als ich den heißen Wachsstreifen aufgelegt hatte, wartete bis er trocken war und ihn dann mit einem Ruck, wobei ich auf drei gezählt habe, mir wegriss. Es gab einen lauten Schrei und meine Mutter kam schockiert die Treppe hochgerannt, ganz bleich im Gesicht fragte sie mich: „Xavier, alles okay?!"


Nachdem ich ihr dann versichert habe, dass ich weder angeschossen wurde, noch ausgerutscht und auf einem Reißnagel gelandet war, die Dinger tun echt scheiße weh, oder mir etwas gebrochen hatte, starrte sie den Wachsstreifen an, als sei er nicht von dieser Welt.


„Was machst du da?", hatte sie dann ganz entgeistert gefragt und ich hatte, so souverän wie es in meiner Situation nun mal ging, geantwortet: „Ich entwachse mich. Die ganzen Haare sind einfach nur eklig...!"


Sie hatte mich angeschaut und dann genickt und die Türe zum Badezimmer wieder geschlossen. Kein Wort mehr hatte sie darüber verloren. Und ich hatte mich irgendwann an den Schmerz gewöhnt.

Life of an InccubusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt