Kapitel 12

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So schnell meine Beine mich tragen konnten lief ich ihm hinterher.
Dabei rannte ich bestimmt fünf der Erstklässer um, doch mir konnte nichts mehr egal sein, als das. Ich musste so schnell wie möglich zu Draco.
Dieser Satz war nicht für seine Ohren bestimmt gewesen, verdammte Scheiße.
Es war für meine. Und die meiner Freunde.
Und ein dumme Lüge noch dazu.

Im Flur angekommen, hatte ich keine Ahnung, wohin er gegangen war.
Für den Astronomieturm war es noch zu früh.
In der Bibliothek hatte ich ihn erst einmal gesehen.
In den Badezimmern war zu viel los.

Mein Kopf fuhr Karussell.
Also rannte ich nach draußen.
"Auf den Fluren wird nicht gerannt, junge Frau.", rief mir einer der Geister zu, die durch Hogwarts spukten. Doch ich schenkte ihm keine Beachtung, so wie die wenigstens von uns.

Im Hof angekommen rasselte meine Lunge.
Konnte er so schnell gewesen sein?
Ich stützte mich kurz an der Wand ab. Wie konnte man nur so unglaublich unsportlich sein? Kein Wunder, dass es für Quidditch nie gereicht hatte.
Dann erblickte ich seine hellen Haare am anderen Ende des Hofs.

Mit großen Schritten steuerte ich direkt auf ihn zu.
Dabei hatte ich nicht einmal eine Ahnung, was ich überhaupt sagen wollte.
Oder konnte, ohne selbst zu viel zu preiszugeben.

"Draco?", warnte ich ihn vor, bevor ich um die letzte Ecke bog.
Sein Kopf lehnte an der Wand, seine Hände stützten ihn links und rechts.
Schmerz durchfuhr mein Herz bei seinem Anblick.
Er trug nur noch seine schwarze Hose und ein Hemd, welches im unachtsam aus der Hose hing.
"Draco.", wiederholte ich leise, als ich mich ihm näherte.

"Was willst du, White." Er schaute mich nicht an.
Machte keine Anstalten sich umzudrehen.
"Mich Entschuldigen. Es war nicht so-."
"Es war nicht so gemeint? Schon okay. Ich empfinde nichts. Es war eine Nacht, ich hätte mit dir schlafen sollen, dann hätte es sich wenigstens gelohnt."
Tränen sammelten sich in meinen Augen.
Ich wusste, er meinte es nicht so.
Das konnte er nicht.
Er schlug um sich, so wie immer.
Doch es traf mich unvorbereitet hart, wie ein Schlag in die Magengrube.

"Und wenn du jetzt sagst, das meine ich nicht so, dann hast du dich geirrt. Ich bin kein guter Kerl. Ich bin nicht Dain, oder Potter. Ich trage dich nicht auf Händen. Versuch es dafür lieber wieder bei Blaise."
Die Träne lief leise meine Wange hinab und ich ließ sie laufen.
Wenn er sich umdrehen würde, sollte er ruhig sehen, wie weh es tat, wenn er versuchte alles und jeden von sich zu stoßen.
Wie weh er mir tat.

"Die ganze Schule denkt sowieso ich wäre ein Verräter. Also wieso nicht einfach einer sein."
Seine Stimme zitterte. Alleine daran erkannte ich, dass er nur mit Platzpatronen schoss.
Das da nichts hinter steckte außer leere Worte.
Doch das machte den Einschlag nicht weniger schmerzhaft.

"Lass mich für dich da sein." Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Traute mich jedoch keinen zweiten an ihn ran.
Draco war kein Mann, der viel von Gewalt hielt.
Trotzdem machte er mir in diesem Moment ein wenig Angst.
Also blieb ich besser auf Abstand.
"Ich werde mich nicht in dich verlieben, White. Versuch es gar nicht erst.", zischte er.
"Ich will dir nur helfen."
Plötzlich fuhr er herum und ich stolperte meinen gemachten Schritt wieder zurück.
"Willst du es nicht verstehen? Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich brauche die Hilfe von niemandem.", fuhr er mich an.

Seine Augen waren rot.
Hatte er geweint?

"Tu das nicht, Draco."
"Was soll ich nicht tun? Ich selbst sein?"
"Du bist so nicht."
"Du kennst mich nicht. Kein bisschen."

Er hatte nicht Unrecht. Ich kannte ihn nicht. Was für mich jedoch nicht bedeutete, ihn mit seinen Problemen alleine zu lassen. In der Nacht auf dem Astronomieturm haben wir viel geredet. Überwiegend belanglose Sachen. Doch in dieser Nacht hatte sich etwas zwischen uns entwickelt, was ich nicht leugnen konnte.
Er musste es auch fühlen.

"Stoß mich nicht von dir weg.", versuchte ich es erneut. Auch wenn ich immer mehr das Gefühl bekam, gegen eine Wand zu reden. Eine sehr sture Wand. Und eine sehr verletzte.
"Dafür ist es schon längst zu spät." Er wollte an mir vorbeilaufen, doch ich bekam seine Hand zu fassen. Spürte die kalten Ringe, die über meine Haut strichen.
Und er blieb stehen.

"Lass mich für dich da sein." Wir standen nebeneinander. Mein Blick nach vorne gerichtet, seiner nach hinten. Wir schauten uns nicht an. Doch das mussten wir auch gar nicht, um uns zu verstehen. Er ließ meine Hand nicht los. Versuchte nicht, sich von ihr zu befreien.

"Ich kann dir das nicht antun, Maura. Ich kann es einfach nicht. Ich muss das alleine -."
Er brach seinen Satz ab. War wieder bei mir.
"Du musst was alleine?" Für einen Moment herrschte Stille zwischen uns. Der Griff um meine Hand wurde stärker. Es fühlte sich so an, als herrschte ein eisiger Kampf in seinem Innersten.
Sollte er gehen, sollte er bleiben? Er versuchte sich verzweifelt an etwas festzuhalten, was ihm Halt gab. Und ich wünschte mir, dass ich dieses Etwas sein konnte.

"Ich könnte -."
"Maura." Flehte er leise.
"Lass mich ausreden, Draco. Ich könnte dein Anker sein. Ich kann nicht leugnen, dass mir diese Nacht etwas bedeutet hat. Ich kann nicht leugnen, dass etwas anders ist. Aber ich kann verstehen, wenn in deinem Kopf ein Chaos herrscht. In meinem herrscht auch so oft welches."
Er trat ein Stück zurück, seine Augen suchten meine. Wir schauten einander einfach nur an.

"Aber lass mich für dich da sein. Du musst mir noch nicht erzählen, worum es geht. Welche dunklen Gedanken in deinem Kopf einen Platz gefunden haben. Aber lass mich dein Licht sein, solange wie nur irgendwie möglich. Und wenn du reden willst, reden wir. Und wenn du schweigen willst, dann schweigen wir."

In seinem Blick tobte ein Sturm an Emotionen. Und ich hatte keine Ahnung, welche von ihnen jeden Moment die Oberhand gewinnen würde und welche ihn in die Tiefen zurückziehen würden.
Sanft streichelte mein Daumen seinen Handrücken.
Ich brauchte kein offizielles Händchen halten. Kein Etikett an dem, was wir waren oder eben auch nicht waren.
Ich brauchte einzig und alleine ihn - und das er nicht versank, in dem Ozean der ihn umgab.

"Lass mich dein Licht sein, Draco.", wiederholte ich.
Legte meine andere Hand auf seine Wange.
Er war eiskalt, dabei war es angenehm warm, ohne den Wind.
Seine Haut war blass.
Wunderschön und Besorgniserregend zur gleichen Zeit.
Er löste unsere Hände und schob zwei Finger unter mein Kinn.
Ich schaute ihn an, hatte das erste Mal das Gefühl, in auch wirklich zu sehen.

"Versprich mir das du aussteigst, wenn es dir zu viel wird. Und dass du es gut sein lässt, wenn ich dich darum bitte." Verlangte er.
"Draco-." Ich wollte diskutieren. Ihm sagen, dass ich nicht aussteigen werde.
Und das er mir ein wenig Angst machte, mit seinen Worten. Doch er kam mir zuvor.

"Versprich es mir, Maura.", wiederholte er sich.

"Versprochen, Draco."

Dark Paradise - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt