Kapitel 38

70 9 21
                                    

Die Welt schien an mir vorbeizuziehen, während der Schnee den Garten des Malfoy Manor in ein unschuldiges Weiß einhüllte. Ich saß vor dem großen Fenster, hatte meinen Blick kein einziges Mal von der Welt dort draußen abgewendet.
Wie konnte die Natur so friedlich aussehen, während in mir ein Krieg tobte?
Draco's Worte drangen kaum zu mir durch. Es war mitten in der Nacht.
Der Tee auf dem Fensterbrett war bereits kalt geworden, die Decke, die er mir umgelegt hatte, zu Boden gefallen.

Ich konnte das Gefühl nicht beschreiben, welches mich übernahm, denn ich wusste selbst nicht einmal, was es war. Ich wusste nur, wie es sich anfühlte. Und das ich niemandem wünschte, sich jemals so fühlen zu müssen, wie ich es gerade tat.

Draco lag auf dem Bett, und auch wenn er versuchte zu schlafen, war ich mir sicher, dass er wach war. Die ganze Zeit über. Einerseits wollte er mir den Freiraum geben um den ich gebeten hatte, anderseits wollte er da sein, wenn ich ihn brauchte.
Wenn ich seinen Namen sagen würde, wollte er mich in den Arm nehmen können.
Ich war dankbar, doch er hatte seit zwei Nächten nicht mehr geschlafen.
Und ich wusste nicht, wie ich ihn dazu bekommen sollte es endlich wieder zu tun.

Die Tage bis zum neuen Jahr zogen nur so an uns vorbei. Der dunkle Lord war nicht noch einmal aufgetaucht und auch Lucius war wieder verschwunden.
Es waren nur Draco, Narcissa und ich. Und eine riesige Stille die das gesamte Anwesen der Malfoys einnahm. Wir sprachen kaum miteinander, denn niemand schien die passenden Worte für das zu finden, was passiert war.
Draco hatte auf meinen Wunsch hin den Brief von meinem Vater versteckt.
Ich war mir sicher, ich würde ihn sowieso niemals lesen wollen.

Es war der Silvesterabend, an dem wir drei das erste Mal wieder gemeinsam zusammensaßen.
"Was ist passiert?", durchschnitt irgendwann Narcissa's Stimme die Stille, die sich in der Küche breit gemacht hatte.
"Irgendwas ist passiert.", ergänzte sie dann noch verzweifelt. Draco ließ langsam das Messer sinken und schaute seine Mutter an. Sein Gesicht lag wieder einmal hinter seiner Maske, und es schmerzte in meinem Herz, dass er diese nicht einmal vor seiner Mutter fallen lassen konnte.

"Redest du von dem dunklen Mal auf dem Unterarm meiner Freundin?", sagte er bitter, schaute seiner Mutter ins Gesicht.
"Draco.", sagte ich leise, wollte ihn daran hindern etwas zu sagen, was er bereuen würde.
Meine Hand schloss sich vorsichtig um seinen Arm, doch er zog ihn weg, ließ mich nicht an ihn heran.
Das Messer knallte auf die Arbeitsfläche.

"Denn genau das ist passiert, Mutter. Diese Familie hat sich dem dunklen Lord angeschlossen. Dachtest du, so kann man ein normales Leben führen? So kann ich ein normales Leben führen? Mich verlieben - und nichts würde passieren?" Er hob seine Stimme, schrie jedoch nicht. Narcissa stützte sich am Tisch ab, schaffte es nicht, Draco in die Augen zu sehen.
"Draco, bitte.", sagte sie leise. Es klang eher wie ein Hilfeschrei, als eine Bitte aufzuhören.
"Du musst genauso mit den Konsequenzen Leben wie ich. Und jetzt auch Maura. Schmerzen, die nie mehr aufhören werden. Albträume, wann immer versucht sie die Augen zu schließen. Wir haben seit diesem Tag kaum geschlafen. Es war meine Familie, die sie dazu gebracht hat."

"Draco bitte hör auf damit.", flehte ich ihn an.
"Es war meine Entscheidung.", flüsterte ich dann noch.
Es war meine Entscheidung, redete ich mir ein.

Ein leises Lachen entwich Draco.
"Entschuldigt mich.", sagte er abrupt.
Und dann verschwand er aus der Küche.
Die Eingangstür fiel mit einem lauten Knall zu.
Und er kam die ganze Nacht nicht mehr zurück.

⍣⍣⍣⍣⍣⍣

"Habt ihr sicher alles?", fragte Narcissa uns, als wir in London auf den Gleisen standen.
"Ja Mutter.", sagte Draco, schaute sich ungeduldig um. Wir hatten nicht mehr über den Abend geredet. Kein einziges Wort war mehr darüber gefallen. Wir taten wohl alle so, als wäre es einfach nicht passiert. Als hätte Draco diese Dinge nie gesagt.

"Passt auf euch auf!", rief sie uns noch hinterher, als Draco mit unserem Gepäck in der Hand auf den Zug zusteuerte. Doch er drehte sich nicht noch einmal um.
Ich stolperte ihm hinterher, konnte kaum mit ihm Schritt halten.
Einerseits fühlte ich mich nicht bereit, zurück nach Hogwarts zu fahren. Ich fühlte mich unvorbereitet, nur halb wie ich selbst. Und ich wusste nicht, wie gut ich Pansy und Blaise etwas vorspielen konnte.

"Maura!", hörte ich eine vertraute Stimme rufen, Sekunden später viel mir meine beste Freundin um den Hals und wir landeten mit einem lauten Plums auf dem Boden des Bahnhofs.
"Frohes neues Jahr!", sagte sie euphorisch und lachend zur gleichen Zeit.
"Frohes neues Jahr, Pans.", erwiderte ich. Ich lachte, dass erste Mal seit dem 25. Dezember lachte ich.

Blaise kam herbeigeeilt um ihr wieder auf die Beine zu helfen und Draco reichte mir seine Hand.
"Frohes neues Jahr, Dray.", sagten Pansy und Blaise dann beinahe zur gleichen Zeit, doch Draco erwiderte nichts darauf. Er stellte mich zurück auf meine Beine und zog meinen Mantel zurecht, der an meinem Arm etwas hochgerutscht war.
Augenblicklich verging mir das Lächeln wieder.

"Wie waren eure Feiertage?", fragte ich die beiden, während wir in den Zug stiegen.
"Und wo ist Dain überhaupt?", ergänzte ich dann noch. Er war bei seiner Familie gewesen, müsste also eigentlich auch mit dem Zug zurück nach Hogwarts fahren.
"Er wartet schon im Zug auf uns."
Wir schlängelten uns durch die Schüler. Der Zug war voll, jedoch bei Merlin nicht so voll wie am ersten Schultag.

"Maura!", sagte Dain glücklich und umarmte mich, als wir im richtigen Abteil angekommen waren. Als hätten wir uns nicht vor einer Woche erst gesehen. Als hätte er mir nicht die schlimmsten Nachrichten meines Lebens auf den Tisch gelegt.
"Schön dich zu sehen.", sagte ich ebenso und genoss seine Umarmung. Für einen kleinen Moment fühlte es sich sogar nach Normalität an.

"Meine Weihnachten waren furchtbar, genauso wie ich es voraus gesagt habe.", beschwerte sich Pansy und ließ ihren Kopf auf Blaise Schulter senken. Die beiden waren also immer noch zusammen, und glücklich. Das war schonmal eine ausgezeichnete Neuigkeit.
"Deine Tante?", fragte ich, spürte die Draco seine Hand auf meinen Oberschenkel legte.
"Du kannst dir gar nicht vorstellen, was diese Frau alles für merkwürdige Sachen gemacht hat. Das ist mein voller Ernst. Und sie war die ganzen, Maura, wirklich die ganzen Ferien über da."

Wir unterhielten uns beinahe die ganze Fahrt über. Überwiegend zwar Dain, Pansy und ich, aber das war okay. Draco schlief irgendwann ein, wofür ich mehr als nur dankbar war. Die Fahrt nach Hogwarts schenkte mir für einen kleinen, kurzen Moment mein altes Leben wieder. Meine besten Freunde. Und die blödesten Geschichten, die es zu erzählen gab.
Die Fahrt nach Hogwarts gab mir für einen kleinen Moment mein Lächeln zurück, und ich genoss jede Sekunde davon in vollen Zügen.

"Draco, du musst aufwachen.", sagte ich leise und gab ihm einen Kuss auf seinen Haaransatz. Kurz hatte ich mit dem Gedanken gespielt ihn schlafend wieder zurück nach London fahren zu lassen, so viel Schlaf hatte er nötig, aber dass hätte er so überhaupt nicht witzig gefunden.
Er blinzelte ein paar Mal, bevor er mich ansah. Ein winziges Lächeln umspielte seine Lippen.

"Danke, dass du mich schlafen lassen hast.", flüsterte er leise. Seine Hand legte sich auf meine Wange, sein Daumen strich sanft über meine Haut. Für einen Moment gab es nur uns beide. Mein Herz war so voller Liebe, dass ich manchmal vergaß, in was für großer Gefahr wir uns befanden. Was auf uns wartete, uns bevor stand.
Es reichte diese kleine Lächeln um mir zu zeigen, dass diese Liebe alles Wert war, was wir opfern mussten.

Unsere Geschichte mag tragisch sein, voller Steine und Leid.

Doch ich genieße jede Sekunde dieses vielleicht doch so kurzen Lebens, in dem ich von Draco Malfoy geliebt werde.

Dark Paradise - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt