Kapitel 40

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Schneller als jemals zuvor war ich aus der großen Halle verschwunden. Mein Herz raste, mein Atem ging stoßweise. Meine Beine trugen mich kaum durch die leeren Flure der Schule, viel zu sehr zitterten sie unter den Gefühlen die meinen Körper fluteten.
Ich hörte Draco, der mir folgte.

Ich stieß die Tür zum Innenhof auf. Augenblicklich spürte ich die kalte Luft, die mir um die Nase wehte. Der Schnee, der sich wie ein Schleier um mich wickelte, mich einhüllte und vor der Welt versteckte. Und ich war dankbar. Ich schaffte noch einige Schritte in den Hof, bevor meine Beine beschlossen mich nicht länger tragen zu können. Sie gaben nach und ich sackte mit den Knien in den kalten Schnee. Tränen liefen mir über die Wange. Verzweiflung machte sich in meinem ganzen Körper breit und übernahm jedes Gefühl.

Ich spürte Draco 's Wärme hinter mir, seine Arme, die sich um meinen Körper wickelten. Er zog mich dicht an sich, und ich konnte seine Stimme hören, doch die Worte schafften es nicht zu mir durchzudringen. Alles was ich hörte war die Stimme meines Vaters. Sie lief in meinem Kopf ab wie eine Kassette. Immer und immer wieder von vorne.
Er war hier um mich zu beschützen? Wem wollte er etwas vormachen?
Wie konnte er denken, ich würde nicht herausfinden was er vor hatte?

Ich schluchzte im schummrigen Licht des Mondes. Weinte mir meine Seele aus dem Leib und all den Schmerz, der dazugehörte. Ich wollte das alles nicht mehr fühlen. Ich wollte es rauslassen und hoffte, dass es mit dem Schnee am nächsten Morgen schmelzen würde. Verschwinden würde und keine Spuren zurückließ. Ich wollte nicht mehr wissen wie es sich anfühlte.

Draco ließ mich nicht los. Und ich konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war bis ich mich beruhigt hatte. Oder zumindest bis ich aufgehört hatte zu weinen. Denn beruhigen würde ich mich wohl nie wieder.
"Es ist unvermeidlich ihn zu sehen.", flüsterte ich leise. Draco strich über meine Haare. Seine Hände waren eiskalt, doch er schien es nicht zu bemerken.
Ich spürte die Kälte schließlich auch nicht mehr.

"Du musst nicht mit ihm sprechen, wenn du das nicht möchtest.", sagte er leise.
"Glaubst du es wäre schlau so zu tun als ob ich nichts wüsste? Oder meinst du dafür ist es nach meinem Abgang schon zu spät?" Es waren Gedanken, die ich laut aussprach. Die ich laut aussprechen konnte. Außer Draco vertraute ich sowieso niemandem mehr.
Vielleicht Dain, aber das würde sich mit der Zeit herausstellen.

"Ich möchte dich ungern in seiner Nähe sehen. Und wenn du so tun möchtest, als ob du nicht wüsstest was Dain dir erzählt hat, müsstest du viel Zeit mit ihm verbringen. Und der Gedanke gefällt mir so ganz und gar nicht.", gab Draco offen zu. Er hatte Recht. Wenn ich nichts wissen würde, würde ich mich riesig darüber freuen, meinen Vater hier zu sehen. Würde jede freie Minute die mir blieb mit ihm verbringen. Immer war er mein Vorbild gewesen, ich wollte ganz genauso werden wie er. Jetzt bin ich froh, wenn ich ihm kein Stückchen mehr ähneln muss.

"Es war dumm von mir so aus der großen Halle zu stürmen. Ich hätte das besser durchdenken müssen." Mein Aussetzer hatte ihn mit Sicherheit verdacht schöpfen lassen. Und ich wusste nicht, ob es gut war das er wusste, dass ich es wusste.
Das ich wusste das er mein Leben eingetauscht hatte.
Aber vielleicht war das für ihn auch überhaupt nicht schlimm? Vielleicht sah er den Fehler in seinem Handeln nicht, weil er viel zu fokussiert darauf, den dunklen Lord zu schlagen.
Ich habe Neuigkeiten Vater, dass wirst du niemals schaffen.

"Lass mich dir was zeigen.", flüsterte Draco dann, stand von dem Schneebedeckten Boden auf. Dann reichte er mir seine Hand. Ich schaute ihn einfach nur an. Sein besorgtes Gesicht, seine dunklen Augenringe. Dann legte ich meine Hand in seine. Er half mir auf die Beine, fing mich, als ich ein wenig wankte. Noch immer fühlte es sich nicht so an, als würde mein Körper wieder mir gehören. Es fühlte sich nicht so an, als wäre es meiner.

"Ich glaube nicht, dass es der richtige Zeitpunkt ist, aber alles was dich ablenkt, hilft dir.", sagte er mit seinem sanften Lächeln auf den Lippen, als er mich durch den Hof zurück in die Schule führte. Die Fluren waren menschenleer. Wie spät war es, wie lange saßen wir dort draußen im Schnee? Erst als die Wärme in meinen Körper kroch, spürte ich wie kalt es draußen wirklich gewesen war. Mein ganzer Körper begann zu kribbeln.

"Ich habe Hermione vergessen", sagte ich traurig, als wir einige Schritte gegangen waren. Ich hätte sie gerne gesehen, mich mit ihr über ihre Ferien unterhalten. Hermione fühlte sich nach Normalität an, weil sie nichts von dem wusste, was gerade in meinem Leben vor sich ging. Sie wusste nicht von dem dunklen Mal auf meinem Arm, und nicht von dem auf seinem.
Und ein Stückchen Normalität könnte ich wirklich gut gebrauchen.

"Wir sagen ihr morgen, dass es dir nicht gut ging. Sie wird es verstehen, es ist Granger. Sie mag dich.", sagte er, auch wenn ihr Name aus seinem Mund alles andere als erfreut klang.
In den oberen Stockwerken blieben wir vor einer Wand stehen. Ich hatte nicht genau auf den Weg geachtet, also war ich mir nicht ganz sicher wo wir waren. Ich wusste nur, dass der Astronomieturm in der Nähe war.
Draco schloss für einen Moment die Augen, bevor in der Wand eine Tür erschien.

"Der Raum der Wünsche.", flüsterte ich begeistert. Ich hatte über ihn gelesen, von ihm gehört als Harry ihn für Dumbledores Armee benutzt hatte, doch noch nie hatte ich ihn mit eigenen Augen gesehen.
Draco machte einen Schritt nach vorne und hielt mir die Tür auf.
"Herein spaziert. Mein zweites zu Hause der letzten Wochen.", sagte er.

Der Raum lag in schummrigen Licht. Überall stapelten sich alte Gegenstände, Anziehsachen, Spielzeuge, Bücher. Regale türmten sich aufeinander, Musik lief in einer hinteren Ecke.
Ich schaute mich um, versuchte alles in mir einzusaugen, was ich zu sehen bekam.
"Komm mit.", sagte Draco leise, umschloss meine Hand mit seiner. Noch immer war sie eiskalt.
Wir liefen ein kleines Stück, bis wir vor einem großen Schrank ankamen. Das alte, dunkle Holz war in tadellosem Zustand, wunderschöne Verzierungen schlängelten sich an den Wänden entlang.

"Ist das?", fragte ich leise, ließ meine Finger über die Linien fahren.
"Das Verschwindekabinett, genau.", beendete er meinen Satz.
Legte seine Hand auf meine, fuhr mit mir gemeinsam die Schnörkel entlang.
"Es ist wunderschön. Und sein Gegenstück steht bei Borgin & Burke's?", fragte ich fasziniert. Ich war nie in der Nokturengasse gewesen, doch jeder hatte von diesem Laden schon einmal gehört. Dort wurden unheimlich viele schwarz-magische Dinge verkauft. Oder fanden dort einen Platz zum Sein. Mir hatte die Nokturengasse immer Angst gemacht.
Ironisch, dass ich Angst vor einer Gasse hatte und jetzt das dunkle Mal auf meinem Unterarm trug.

"Es fasziniert dich. Das gefällt mir."; hauchte Draco mir ins Ohr. Auch ich bemerkte, wie sein Herz dabei aufging. Eine Anziehung zu schwarz-magischen Dingen machte einen ja noch lange nicht zum treuen Todesser. Jedoch wusste er Sachen, die ich nicht wusste. Zum Beispiel, wozu er es brauchte.
"Und du reparierst es?", fragte ich, drehte mich zu ihm um. Sein Gesicht war nah an meinem.
"Ich komme wohl nicht mehr drum herum, meine Geheimnisse mit dir zu teilen.", sagte er, biss sich dabei jedoch auf die Lippe. Er wollte es nicht. Er hatte nun nur keine andere Wahl mehr.

Er ließ meine Hand los, griff nach einem Stück Pergament. Kurz überflogen seine Augen das Geschriebene, doch es schien nichts wichtiges zu sein.
"Mach es auf.", befahl er mir. Mit zittrigen Händen öffnete ich die Tür des Kabinetts.
Es war leer.
"Leg es rein.", sagte er und reichte mir das Pergament. Mein Herz raste und ich wusste nicht einmal wieso. Also platzierte ich das Pergament in der Mitte des Schrankes. Draco trat einen Schritt vor und schloss die Tür. Ich ging automatisch ein Stück zur Seite.

Er schloss die Augen, sein Gesicht spannte sich merklich an. Auch sein Körper wirkte direkt konzentrierter. Es faszinierte mich. Er faszinierte mich.
"Harmonia Nectere Passus.", flüstere er kaum hörbar. Diesen Zauberspruch hatte ich noch nie gehört. Dann öffnete er die Tür wieder, das Pergament war verschwunden.
Mit einem leichten Lächeln drehte er sich zu mir um.
"Soweit bin ich schon. Ohne das es in irgendeiner Zwischenwelt feststeckt.", sagte er ein wenig Stolz. Ich schaute zwischen ihm und dem Verschwindekabinett hin und her.
"Und was ist das Ziel? Was musst du - transportieren können?", fragte ich schluckte dabei schwer. Wollte ich die Antwort überhaupt wissen? Mein Körper sträubte sich dagegen.

"Es ist die Eintrittskarte für die Todesser nach Hogwarts, Maura."

Dark Paradise - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt