Kapitel 43 - TW!*

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[*SPOILER - Bitte dieses Kapitel nicht lesen, wenn euch das Thema Selbstverletzung sehr mitnimmt. Vielen Dank!]

Tränen liefen über meine Wange, als ich die Tür des Badezimmers hinter mir zuschlug.
Es war das gleiche Badezimmer, in dem auch Draco beinahe gestorben wäre.
Mein Körper fiel gegen die Tür, schluchzend ließ ich mich auf den kalten Boden nieder.
Ich wusste nicht, was passiert war. Was ich getan hatte, um zu verdienen was ich anscheinend verdiente. War es meine Liebe zu Draco? Waren es meine Entscheidungen, mein vertrauen in die Menschen die mir nahe standen?

Wimmern erfüllte den leeren Raum, wurde von den Wänden zurückgeworfen und machte alles nur noch unaushaltbarer.
Ich wollte stark sein. Das richtige tun. Aber woher sollte ich wissen, was das richtige war? Wie es sich anfühlte, etwas richtig zu machen, wenn alles in letzter Zeit so unglaublich schief gelaufen war?
Ich hatte mich natürlich dafür entschieden, meinem Vater zu gehorchen. Niemals würde ich Dain das antun, was ich durchgemacht hatte. Er hatte sich geweigert, sich gewehrt. Doch ich hatte dagegen gehalten. Er sollte ein gutes Leben führen, er war ein guter Mensch.

Also war meine neue Mission - ja, was genau war sie eigentlich?
Den dunklen Lord ausspionieren? Draco hintergehen? Oder doch alles anders machen und meinen Vater an der Nase herumführen? Und wie bei Merlin sollte ich das aushalten, wie sollte ich es schaffen ohne an dem Druck und den Gefühlen kaputt zu gehen?
Frustiert raufte ich mir durch die Haare, ließ den Tränen freien Lauf.

Meine Brust fühlte sich furchtbar schwer an.
Langsam rappelte ich mich auf, taumelte einige Schritte zu einem der Waschbecken.
Der Spiegel war zerbrochen, wahrscheinlich von einem der Zauber damals.
Und dadurch, dass eigentlich sowieso niemand mehr her kam, musste er nicht repariert werden. Ich schaute mein verzerrtes Spiegelbild an. Meine Augen waren blass, sie funkelten nicht mehr. Die Ringe darunter waren riesig, dunkel.

Mein Ärmel war hochgerutscht. Das dunkle Mal lachte mich hönisch an. Verspottete mich für alles, was ich nicht zu schaffen drohte. Es stand für alles was ich verloren hatte, oder noch verlieren würde. Inklusive mir selbst.
Meiner Familie. Draco. Meine Freunde.
Was würde mir bleiben, wenn dieser Kampf vorbei war? Was würde mir bleiben, wenn ich mich nicht einmal mehr selbst wieder erkannte?

Ich zückte meinen Zauberstab. Und ich wusste, es war eine schlechte Idee. Doch ich musste es trotzdem versuchen.
Erst ein einfacher Zauber, für die kleine Hoffnung in mir, die immer noch lebt.
"Evanesco.", sagte ich leise, doch natürlich passierte nichts. Die Hoffnung in mir war ein Idiot.
Ich atmete tief ein, langsam wieder aus. Fixierte mich selbst im Spiegel.
Schon eine Weile wusste ich nicht mehr, wer ich war, was ich wollte.
Und wie es sich anfühlte Maura White zu sein. Denn das Mädchen, welches mir aus dem Spiegel entgegenblickte, war sie nicht mehr. Und der zerbrochene Spiegel repräsentierte perfekt, wie es in mir aussah, wie ich mich fühlte.

Ich blickte wieder zum dunklen Mal. Die schwarzen Zeichen die sich in meine Haut eingebrannt hatten, mit denen der dunkle Lord mich zu jeder Zeit rufen konnte. Und ich musste erscheinen.
Meine Hand zitterte, als ich erneut meinen Zauberstab auf es richtete.
"Diffindo.", sagte ich beinahe heiser.
Stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper, riss einen Schnitt in meinen Arm, der direkt durch das Mal hindurchging. Blut tropfte augenblicklich auf den Fußboden.
Ich biss mir auf die Lippe, Tränen sammelten sich in meinen Augen.

Für einen Moment sah es so aus, als könnte es funktionieren.
Also sagte ich den Zauber erneut, und erneut. Immer darauf bedacht meine Magie nur auf die eine Stelle an meinem Körper anzuwenden.
Ich zerschnitt das Mal mit unendlich vielen kleinen Schnitten, versuchte nicht zu schreien, denn die brennenden Schmerzen waren beinahe unerträglich. Doch er zeigten mir auch, dass ich noch da war, dass ich irgendwo in mir war und es sich lohnte zu kämpfen.

Irgendwann bestand das Mal nur noch aus Schnitten und Blut. Für einige Sekunden schaute ich in den Spiegel und fühlte mich befreit.
Doch dann suchte sich die dunkle Farbe ihren Weg zurück, vermischte sich mit dem hellen rot, dass über meine Hand lief. Schlängelte sich durch die Schnitte und legte sich über sie.
"Nein.", flüsterte ich verzweifelt.
"Diffindo!" Doch das dunkle Mal war stärker, es kam zurück.
Ich versuchte mit dem Zauber dagegen anzukämpfen, doch dieser Kampf war aussichtlos.
"Nein! Bitte verschwinde einfach. Lass mich frei!"

Meine frustierten Schreie klangen durch das Badezimmer.
Ich weinte, und fluchte, meine Hand schlug in den sowieso schon zerschmetterten Spiegel.
Es musste einen Weg geben. Ich brauchte einen Ausweg. Ein wenig Licht am Ende des Tunnels, denn sonst wusste ich nicht, wie lange ich das aushalten würde, aushalten könnte.
Mein Arm brannte furchtbar, meine Hand schmerzte, doch nichts konnte mehr weh tun, als der Krieg der in meinem Inneren herrschte.

Mein Körper fiel zu Boden und ich spürte wie sich die kleinen Glasscherben in meine Haut bohrten.
Schützend schlang ich meine Arme um mich selbst. 
Versuchte mit aller Macht nicht auf das Zeichen an meinem Unterarm zu schauen. Versuchte mich nur auf das Blut zu konzentrieren, dass sich seinen Weg durch die Fugen suchte und die Tränen, die sich langsam damit vermischten.
Nicht auf das bizarre Bild aus roten Schnitten und schwarzer Farbe.

Alles an mir zitterte, bevor sich dunkle Ränder um meine Sicht bildeten.
Ich wimmerte, schluchzte, lag auf dem Boden und hatte aufgegeben.
Alles, aber mich selbst am meisten. Ich hatte mich verloren, und keine Chance mich wiederzufinden. Ich würde Draco verlieren, oder Dain.
Mein Vater war nicht mehr an meiner Seite.
Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, hilflos, verstoßen, liegen gelassen um den sicheren Tod zu finden. Aufgegeben.
Der dunkle Rand um meine Sicht wurde größer, bis er mich komplett verschlang. Meine Gedanken für einen Moment Ruhe gaben und die Dunkelheit mich begrüßte wie ein alter Freund.

"Ich habe sie gefunden!"
Eine laute Stimme, ein Rütteln, dass durch meinen Körper geht. Warme Hande auf meiner eiskalten Haut. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch sie wollten mir nicht gehorchen.
"Verdammte Scheiße!" Eine andere Stimme. Dracos Stimme.
Zwei Hände die sich unter meinen Körper schoben und mich langsam und vorsichtig aufrichteten. Doch mein Körper gehorchte nicht, er sackte einfach wieder in sich zusammen.

"Dain, was -." Dracos Stimme zitterte, er brachte seinen Satz nicht zu Ende.
"Sie muss zu Madame Pomfrey. Sofort!" Dains Stimme klang stark, konzentriert.
"Das ist alles meine Schuld. Verdammte Scheiße!" Ich hörte einen lauten Knall, Dracos verzweifelte Stimme.
Draco.
Ich wollte ihm sagen, dass es nicht seine Schuld war. Dass ich ihn liebte, über alles.
"Konzentrier dich Draco. Es ist genauso meine Schuld."

Augenblicklich umhüllte mich der Geruch von Pfefferminze, während sich Dracos Arme um meinen Körper wickelten. Ich wurde hoch gehoben, durch den Raum getragen.
"Sie kann nicht zu Madame Pomfrey.", hörte ich Draco dann zischen.
"Sie hat sich das verdammte dunkle Mal aufgeschnitten, was sollen wir ihr bitte erzählen?"
Selten hatte ich Draco so oft hintereinander fluchen gehört.

"Sie wollte es sich rausschneiden. Doch es funktioniert nicht. Ich habe es schon um die hundert Mal versucht. Ich weiß, was ihr jetzt am Besten hilft."

Dark Paradise - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt