Kapitel 45

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Die nächsten Monate vergingen wie im Flug. Ich erholte mich von meinem Anfall in der verlassenen Toilette. Leider blieben nicht einmal Narben übrig, das Todessermal lachte mich noch genauso heil an wie vorher. Es verhöhnte mich, dem war ich mir sicher.
Doch ich schaffte es immer mehr, damit zu leben. Schließlich hatte ich mich in freiwilligen Stücken dafür entschieden, es zu bekommen.
Wir verbrachten viel Zeit im Raum der Wünsche, zu viel Zeit, wie ich bemerkte als wir uns neben Pansy an den großen Tisch fallen ließen.

"Oh, sieh an. Sie leben noch!", sagte sie zu Blaise und stieß ihm mit dem Ellenbogen gegen seinen Arm. Draco fuhr sich müde durch die Haare und griff dann nach einer Kürbispastete.
Meistens ließen wir die Pausen, und somit auch das Essen, in der großen Halle ausfallen.
Nachts schlichen wir dann in die Küche, wo wir einen sehr freundlichen Hauselfen gefunden haben der keine Fragen stellt, sondern uns einfach nur etwas zu Essen bringt.
Wir waren so beschäftigt mit dem Verschwindekabinett, dass mir gar nicht in den Sinn gekommen war, wie sehr es aufgefallen sein musste.

"Wo habt ihr die letzten 100 Pausen verbracht?", fragte dann Blaise, lehnte sich über den Tisch und schaute mich mit seinen braunen Augen durchdringend an.
"Beschäftigt.", knurrte Draco. Man merkte ihm den Schlafmangel und Stress deutlich an.
Er war beinahe durchgehend eher schlecht drauf, oder zumindest sehr empfindlich. Seine Leistungen im Unterricht fielen stetig ab.
Pansy ignorierte Draco und schaute stattdessen mich an.
"Vielleicht kannst du uns etwas genauer sagen, was beschäftigt zu bedeuten hat?"

Ich griff nach einem Brot. Nein Pansy, das kann ich leider nicht.
"Beschäftigt eben.", wiederholte ich, zwinkerte ihr dabei aber leicht zu. Ich hoffte, dass ihr das ausreichen würde und sie Ruhe gab. Es war Freitag, heute nach dem Unterricht würden wir ins Malfoy Manor fahren. Ich würde gerne behaupten, dass ich keine Angst habe, aber ich hatte sie.
Eigentlich müsste ich mich nur ganz normal benehmen und mich danach mit meinem Vater treffen, um ihm darüber zu berichten. Aber ich wusste weder, ob ich mich ganz normal benehmen könnte, noch wusste ich, ob ich meinem Vater wirklich Bericht erstatten wollte.

Dain ließ sich mir gegenüber auf die Bank fallen. Automatisch breitete sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Ich hatte meinen besten Freund schon viel zu lange nicht mehr gesehen.
"Hey!", sagte ich erfreut. Auch Dain lächelte, er schien mir den wenigen Kontakt also noch nicht übelzunehmen. Er wusste ja aber auch, was vor sich ging.
"Schön dich zu sehen. Wie geht es dir?" Sein Blick fiel auf Draco, dessen Kopf auf seine Hand gestützt war.
"Wie es ihm geht brauche ich nicht zu fragen, oder?" Trotz dem Spott in seiner Stimme, sah ich Sorge in seinen Augen. Zurecht, die trug ich ebenso in mir.

"Mir geht es gut. Draco ist nur müde. Wir fahren übers Wochenende seine Familie besuchen."
Dain hielt in seiner Bewegung inne, denn er wusste ebenso, was das zu bedeuten hatte.
"Schön, einen besonderen Anlass oder einfach nur so?"
Er fing sich binnen Sekunden wieder. Pansy beäugte uns jedoch immer noch sehr skeptisch.
"Ein Geburtstag. Ich hab mir nur leider nicht gemerkt von wem." Ich stieß Draco unauffällig an, damit er mit einsteigen konnte, aber er reagierte nicht einmal.

Frustriert verdrehte ich die Augen.
"Ich habe jemanden kennengelernt.", sagte Dain dann. Dieser plötzliche Wandel in unserem Gespräch verwirrte mich für einen Moment. Doch dann realisierte ich, was er soeben gesagt hatte.
"Du hast was?", quiekten Pansy und ich zur gleichen Zeit. Ein strahlendes Grinsen breitete sich auf Dains Gesicht aus. Es sah ehrlich und glücklich aus. Für einen Moment vergaß ich all meine Probleme und Sorgen.
"Erzähl uns alles!", flehte ich, schaute meinen besten Freund mit großen Hundeaugen an.

Neben mir verlor Draco, der anscheinend eingeschlafen war, den Halt auf seiner Hand. Sein Gesicht rutschte ab, sein Arm knallte gegen einen Teller der mit lautem Scheppern zu Boden ging. Erschrocken fuhr er hoch, blinzelte ein paar Mal gegen das Licht.
"Was hab ich verpasst?", fragte er verwirrt, schaute zwischen mir und dem Teller hin und her.
"Oh, alles, würde ich sagen."

Dain erzählte uns von einem Jungen, den er kennengelernt hatte als er das letzte Mal seine Eltern besuchen war. Das bedeutete, er oder seine Familie waren im Orden. Das wusste ich, auch ohne das er es laut aussprechen musste.
Er hieß Marlo, ging bis vor zwei Jahren noch nach Hogwarts aber war seitdem fertig mit der Schule. Jetzt strebte er eine Laufbahn als Auror an. Mein Vater, wer hätte es gedacht, war sein liebster Ausbilder. Sie schrieben sich Eulen, in der Zeit in der Dain hier auf Hogwarts war.

"Uuuund, du magst ihn?", sagte ich verführerisch. Dains Wagen färbten sich leicht rot, und das war das süßeste was ich seit langem gesehen hatte.
"Kann man so sagen.", antwortete er mit rauer Stimme, färbte sich dabei aber zu einer riesigen Tomate.
"Wann dürfen wir ihn kennenlernen?" Pansy klang genauso aufgeregt wie ich. Ich freute mich, dass Dain von allen so gut akzeptiert wurde. Das war eine Seltenheit. Blaise sagte zwar nichts, aber nichts sagen war immerhin besser, als etwas gemeines zu sagen. Dain hatte jemanden verdient, der ihn liebte. Und welches Geschlecht dieser Jemand hatte, sollte einfach keine Rolle spielen.
"Vielleicht in den Sommerferien? Die stehen ja praktisch vor der Tür."
Wir nickten aufgeregt. Das war die allerbeste Nachricht seit sehr langer Zeit.

******

Das Malfoy Manor sah im Sommer überhaupt nicht so aus, als würde es einen ganzen Haufen Todesser beherbergen. Der Garten blühte, die Hecken wuchsen in den Himmel und die Fassade erstrahlte unter der Sonne. Im Winter fand ich es hier weitaus ungemütlicher.
Doch die liebevolle Stimmung des Gartens verflog, als wir das Haus betraten. An ihre Stelle trat Dunkelheit und Unbehagen. Narcissa kam in dem Moment, als Draco die Tür hinter uns ins Schloss fallen ließ. Mein Herz hämmerte viel zu schnell gegen meine Brust.

"Hallo ihr beiden! Wie schön euch zu sehen." Sie nahm erst mich, dann Draco kurz in den Arm.
Ihre ganze Körperhaltung war angespannt, so als würde etwas ganz und gar nicht stimmen.
"Was ist los, Mutter?", fragte Draco ohne Begrüßung. Auch sein Körper spannte sich merklich an, er griff nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger miteinander.
Seine Berührung half mir dabei, mich ein wenig zu entspannen.
"Es wird langsam Unruhig in diesem Haus." Mehr sagte sie nicht, doch das brauchte sie auch nicht. Der dunkle Lord wollte Fortschritte sehen, dass hatte er klar und deutlich kommuniziert.
Draco nickte nur, dann zog er mich durch den langen Flur. Was ehemals ein wunderschönes Esszimmer war, war nur noch ein trister Versammlungsraum.

Nagini schlängelte sich über den Tisch. Ich sah Lucius, Bellatrix, Greyback, Snape. Viele bekannte Gesichter, doch keins davon beachtete uns.
"Draco, mein Junge." Die Stimme des dunklen Lords erfüllte den Raum. Nahm jede Ritze ein und verweigerte mir die Luft zum atmen. Reiß dich zusammen, Maura.
Wir setzten uns auf die zwei freien Plätze neben Lucius, doch selbst jetzt würdigte uns Dracos Vater keines Blickes.
"Da wir vollzählig sind, können wir anfangen." Er erhob sich von seinem Stuhl.
Bellatrix saß mir gegenüber und ließ ihren Zauberstab durch ihre Hände gleiten.

"Wir alle hier -." Seine langen Finger zeigten durch den Raum und ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken hinab.
"- warten auf gute Nachrichten. Und ich hoffe, dass du diese heute mitbringst. Denn langsam verliere ich die Geduld." Draco starrte nur geradeaus, doch sein Gesicht wurde zunehmend blasser.
"Also, junger Malfoy. Haben du und deine Freundin gute Nachrichten für uns?"
Für einen Moment war es still. Ich hatte das Gefühl, mein Herzschlag hallte von den kahlen Wänden wieder. Draco und ich hatten einen Plan. Mittwoch. So blieb mir genug Zeit, meinem Vater Bericht zu erstatten. Die Auroren wüssten Bescheid, Dain wäre in Sicherheit. Und das schlimmste ließe sich verhindern.

"Ja, mein Lord. Ich habe gute Nachrichten. Montag sind wir soweit."
Aufgeregtes Lachen und Trampeln erfüllte den gerade noch so stillen Raum.
Mein Herz setzte einen Schlag aus, vielleicht auch zwei. Bellatrix sprang vor Freude auf, rief etwas, dass ich nicht ganz verstehen konnte, aber ein wenig nach Mord klang.
Alles geriet in den Hintergrund, verschwamm vor meinen Augen.

War Draco mir gerade wirklich in den Rücken gefallen?

Dark Paradise - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt