Kapitel 21

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"Wie hat die's geschafft, dass Draco sie überhaupt anschaut?" Flüsterte ein Mädchen aus der Fünften, als Pans und ich an ihr vorbei zu unserem Platz in der großen Halle liefen. Offiziell waren wir zwar noch nicht zusammen, aber natürlich hatte die ganze Schule mittlerweile mitbekommen, dass zwischen uns was lief.
Ich blieb hinter den beiden Mädchen stehen.
"Nur Mal so zur Info, ich kann euch hören." Sagte ich. Möglichst lässig, denn mir ansehen zu lassen, dass mich diese Gedanken störten wollte ich keinesfalls.
"Habt ihr euch heute Morgen im Spiegel angesehen?" Unterstützte mich Pansy.
Als die Köpfe der beiden hochrot wurden, konnten wir uns ein Lachen nicht verkneifen.

Genervt ließ ich mich auf meinen Platz fallen.
Ich wusste, heute würde wieder Post kommen. Skeptisch beäugte ich den Bereich, durch den die Eulen immer kamen. Ein leichter Stoß in meine Seite riss mich aus meinen Gedanken.
"Hörst du mir überhaupt zu?"
"Sorry Pans. War in Gedanken." Murmelte ich.
"Wann bist du das in letzter Zeit einmal nicht?" Ihre Stimme klang ein wenig sauer, was ich ihr leider nicht verübeln konnte.

"Heute kommt Post." Sagte ich und schaute sie an.
Ihre Augen weiteten sich ein Stück.
"Shit, stimmt. Wir wissen immer noch nicht wer diese Eule schickt."
Wir hatten überlegt. Pansy hatte mir trotz ihres Halbwissens weitergeholfen. Eine Nacht haben wir bis 3 Uhr morgens über den Zeitungen gesessen und Hinweise gesucht. Doch nichts. Kein verstecktes Rätsel, keine Botschaft. Es waren nur blöde Tagespropheten.

"Aber heute geht es nach Hogsmeade. Und auch wenn Draco nicht mitkommen kann, wird das ein toller Tag." Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen. Und ich wusste, sie wollte mir nur helfen. Ich war keine sonderlich gute Freundin gewesen in der letzten Zeit, deswegen spielte ich mit.
"Ich weiß. Und ich freue mich riesig. Auch wenn Blaise sich dieses Jahr unserer kleinen Gruppe anschließt." Neckte ich sie.
"Du bist nur eifersüchtig, dass Draco nachsitzen muss und deswegen nicht mitkommen kann. Du hättest bestimmt gerne ein wenig Zeit mit ihm in Madame Puddifoot's Café verbracht." Sie machte einen Kussmund, doch durch ihr schiefes Grinsen sah es eher aus wie eine Grimasse.

"Aber Aprops Draco, wo steckt er eigentlich schon wieder?"
Ich zuckte nur mit den Schultern. Ganz genau wusste ich es auch nicht. Ich wusste nur weswegen er in letzter Zeit so oft gefehlt hatte. Und sich somit auch das Nachsitzen bei McGongall eingebrockt hatte.

Das Frühstück verging und als die Eulen in die Halle flogen, landete kein Tagesprophet auf meinem Essen. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich war mir sicher, dass auch heute ein Artikel über Todesser in der Zeitung stehen würde. Vielleicht hatte dieser schlechte Scherz endlich ein Ende. Ich begann sogar, mich ein wenig auf den Tag in Hogsmeade zu freuen.
Irgendwann musste es doch möglich sein, auf andere Gedanken zu kommen.

Der Weg nach Hogsmeade fühlte sich an wie nach Hause kommen.
Dain und Pansy redeten den gleichen Unsinn wie jedes Jahr seit der dritten Klasse.
Wir lachten so ausgelassen, dass selbst Blaise sich dazu hinreißen ließ über unsere unterirrdisch schlechten Witze zu schmunzeln. Für einen Moment war alles wie immer. Alles war okay.

Der Wind peitschte uns um die Ohren. Es hatte über Nacht eine ganze Menge geschneit. Der Winter stand früher als erhofft vor der Tür, dabei hatte ich den Herbst kaum genießen können. Er verging wie ein Wimpernschlag. Kaum waren die Blätter bunt gewesen, fielen sie auch schon wieder ab. Halloween war vorbei und plötzlich herrschte überall Weihnachtsstimmung.
Alles ist nur so an mir vorbeigezogen, da ich jede freie Minute mit Draco oder der Angst in meinem Kopf verbracht hatte.

Ich brauchte ein paar Zaubertrankurtensillien und natürlich machten wir auch keinen Bogen um den Honigtopf. Dain kaufte mehr Süßigkeiten als zehn Zweitklässer das ganze Jahr über essen konnten und war darauf auch noch unendlich stolz. Für Draco steckte ich ein paar Schokofrösche ein, da ich wusste, wie gerne er die aß. Ich wollte, dass er wusste, dass ich an ihn dachte.

Pansy und Blaise spielten kurz mit dem Gedanken, wirklich in dieses schnulzige Café zu gehen, doch Dain konnte sie Gott sei Dank dazu überreden, mit ins drei Besen zu kommen.
Bei dem Gedanken an die beiden in Madame Puddifoot's Café musste ich Grinsen. Kaum jemand würde dort schlechter reinpassen, als diese beiden.

Wir ließen uns an einen kleinen Tisch in der hinteren Ecke fallen. Beim reingehen sah ich Harry, Ron und Hermione, die mit Slughorn ein anscheinend sehr langweiliges Gespräch führten.
Beinahe die ganze sechste Klasse hatte sich hier versammelt. Der Geräuschpegel war so laut, dass ich kaum meine eigenen Gedanken verstand. Jeder war dankbar, kurz abschalten zu können. Die Geschenisse der letzten Zeit gingen an niemandem vorbei.

Dain kam mit vier Butterbier zurück und auch wenn ich dieses Getränk am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig fand, trank ich es mittlerweile wirklich  gerne.
"Fahrt ihr über Weihnachten dieses Jahr alle nach Hause?" Fragte Blaise und nippte an seinem Butterbier. Der Schaum hinterließ einen kleinen Schnurbart. Ich warf Pansy einen Blick zu und sie schüttelte ganz leicht den Kopf. Wir ließen den Schnurbart also da, wo er war.
"Ja. Und wie jedes Jahr wird es mit Sicherheit anstrengend. Dain, wieso hast du noch keine Freundin? Kannst du nicht vielleicht die süße Hexe mitbringen, die du uns einmal vorgestellt hast?"

Ich verschluckte mich an meinem Butterbier und begann zu husten.
"Deine Eltern meinen doch nicht -."
"Doch Maura, sie meinen dich." Unterbrach er mich.
Röte schoss in meine Wange.
"Du solltest ihnen endlich sagen, dass es nie eine Freundin geben wird." Sagte Pansy und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Das war ein heikles Thema in seiner Familie. Dabei hatte er es verdient, akzeptiert zu werden, so wie er war.

"Oder ich lasse Maura einfach weiterhin meine falsche Freundin sein. Aber leider wird das jetzt problematisch, wenn ich nicht von Draco verprügelt werden will. Apropos. Wo ist der überhaupt?" Er lenkte das Thema in eine andere Richtung. So wie immer, wenn wir es ansprachen. Ich hoffte, dass er irgendwann den Mut fand, seinen Eltern die Wahrheit zu sagen.
"Nachsitzen." Sagten Pans, Blaise und ich im Chor.
"Und wieso weiß jeder Bescheid, außer mir?"

Wir unterhielten uns eine halbe Ewigkeit über Weihnachtsgeschenke und Traditionen. Darüber, dass wir uns in 5 Jahren zum Weihnachtsessen bei demjenigen trafen, der bis dahin das größte Haus hat. Über das Leben nach der Schule und wie wir es alle kaum noch abwarten konnten. Niemand sprach über die Dinge, über die in letzter Zeit viel zu oft gesprochen wurde.
Und ich konnte tatsächlich einmal meinen Kopf ausschalten und die Zeit genießen.

Wir machten uns viel später als die meisten Schüler auf den Weg zurück nach Hogwarts. Es dämmerte langsam, doch ich fühlte mich nicht unsicher, oder in Gefahr. Ich fühlte mich leicht. Gut aufgehoben und im bester Gesellschaft. Solange, bis ich den ersten Fuß in die Schule setzte und Hermione auf mich zugestürmt kam.

"Maura!" Rief sie und rannte genau auf mich zu. In ihrem Gesicht stand etwas, was ich schwer lesen konnte. Angst? Panik?
Ich fing sie ab, versuchte sie zu beruhigen.
"Was ist denn los? Was ist passiert?" Sie atmete schwer, musste erst einmal kurz Luft holen.
"Wieso bist du so spät erst zurück? Hast du es schon gehört?" Ihre Stimme überschlug sich beinahe.
"Was soll ich gehört haben? Wir waren noch lange in Hogsmeade." Sie griff nach meiner Hand und drückte sie fest.

"Katie Bell ist verhext worden! Wir liefen direkt hinter ihr als sie auf einmal in die Luft geschleudert wurde und dann hart auf den Boden aufschlug. Ich glaube der Schnee hat es ein wenig gedämpft aber -."
"Du musst atmen Hermione."
Doch sie sprach einfach weiter.
"Es soll ein verhexter Gegenstand sein den sie in Hogsmeade bekommen hat!"

Es gab zwar Grund zur Sorge, dass eine Hogwarts Schülerin in Hogsmeade solch einen Gegenstand bekommen hatte, aber ich verstand nicht, weswegen sie damit ausgerechnet zu mir gestürmt kam.

"Und verrätst du mir jetzt auch noch, wieso du deswegen wie ein Wirbelsturm zu mir kommst? Das ist zwar spannend, klar, aber -."
Ihr nächster Satz trieb mir die Farbe aus dem Gesicht.
"Es soll Draco gewesen sein." Sagte sie nach einem tiefen Atemzug.
"Harry glaubt fest, dass es Draco war." Wiederholte sie.

Mein Kopf begann sich zu drehen. Übelkeit stieg in mir hoch. Meine Hände zitterten leicht.
"Das ist nicht möglich, Draco war heute nicht in Hogsmeade. Er musste nachsitzen. Bei McGonagall." Stotterte ich. Ein riesiger Kloß bildete sich in meinem Hals.
Doch die Erklärung war plausibel. McGonagall verließ den Raum nie, wenn ein Schüler bei ihr nachsitzen musste. Draco hatte also gar keine Gelegenheit gehabt sich heimlich nach Hogsmeade zu schleichen.

Es war unmöglich, dass es Draco gewesen ist.

Es musste unmöglich sein.

Oder?

Dark Paradise - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt