[32] XXXII. Veränderte Pläne

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»Die Bedienung also. Und die soll bei Bianca sein. Interessant.« Dr. B erhob sich und lief auf ihren dünnen Beinen durch den Raum. Sie blieb direkt vor Xuan stehen. »Mitkommen.«

Dann drehte sie sich wieder um und ging in ein Nebenzimmer. So hatte Xuan sich das Gespräch nicht vorgestellt. Sie hatte die Wahrheit erzählt und hatte sich davon mehr erhofft. Kurz überlegte sie, ob sie jetzt einfach zur Tür hinaus spazieren sollte, aber Frau Zanke durchbohrte sie mit einem kalten Blick. Xuan ärgerte sich immer noch, dass sie Finn nicht sofort erkannt hatte. Nicht nur seine Mutter hatte sie direkt am ersten Tag hier gesehen, sondern auch Finn selbst. Sie hatten ein paar Floskeln getauscht und sich danach wieder vergessen. Wie hatte sie nur so blind sein können, ihn nicht direkt zu erkennen? Dann hätte so viel vermeidbar sein können.

Jetzt seufzte sie und folgte Dr. B in das Nebenzimmer.

Nebenzimmer war eine Untertreibung des Jahrhunderts. Es war viel mehr ein großer Raum, der im Gegensatz zu dem Vorzimmer nicht nur mit einem großen Tisch, sondern viele Tischen ausgestattet war, die meisten zugestellt mit Akten, Computern und ... Fertigpizzakartons? Lebte diese Frau hier?

Xuan schüttelte den Gedanken ab und versuchte, den beißenden Käsegeruch zu ignorieren. Jetzt entdeckte sie auch den Ofen. Der wirkte noch mehr deplatziert als die Fertigpizza. Vor einem Bildschirm blieb Dr. B stehen und schaltete ihn ein. Als Xuan das Bild erkannte, wurde ihr übel. Die Garage. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

»Kommt dir die hier bekannt vor?«, fragte Dr. B spöttisch.

»Ja ... Finn hat mich bei der entführt«, antwortete Xuan wahrheitsgemäß.

»Und weißt du, was an der Garage so besonders ist?« Dr. B schien sie zu testen. Darauf war sie überhaupt nicht vorbereitet gewesen.

Else Zanke sprach stattdessen weiter. »Diese Garage ist ein sehr wichtiger Ort. Und gleichzeitig der Beweis dafür, dass du eine verlogene Göre bist. Dachtest du, wir hätten nicht bemerkt, was die anderen und du im Schilde geführt habt?«

Scheiße. Sie wusste es, sie wusste es, sie wusste es. Xuans Augen wurden groß.

»Und deswegen werdet ihr leider scheitern.«

Ein Handy klingelte. Frau Zanke zog ihres hervor und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

»Es läuft alles wie am Schnürchen. Wie ihr es geplant habt, sind sie jetzt hier und wir wissen bescheid. Ich werde sie wohl empfangen müssen.«

Else Zanke rauschte aus dem Raum und ließ Xuan mit Dr. B allein. Verwirrt schaute sie zur Tür, durch die Frau Zanke gerade gegangen war. Dann wieder zu Dr. B.

Ihre Chancen standen gut. Gegen eine würde sie ankommen können. Und sie musste schnell sein, denn die Security würde sie sicher nicht lange allein lassen.

***

Die Halle, die sich vor uns erstreckte, war riesig. Ich wollte es zwar nicht, aber ich konnte nicht anders, als zu staunen. Die Stockwerke, die Säulen, die Vielzahl an Mitarbeitern, die in Forschungskitteln, aber teilweise auch in Straßenkleidung herumwuselten. Alles schien um ein großes Banner gruppiert, selbst die Computerplätze waren alle in diese Richtung ausgerichtet. Das Banner mit einem großen Schmetterling darauf. Vereinfacht, das Logo der Einrichtung. Unten konnte ich in der Ecke HPF stehen sehen. Der Name dieser Organisation, wie ich vermutete. Das H musste für Hypocrita stehen. Einen starken Kontrast zu der modernen Einrichtung bildeten der Mamorboden und die riesigen Kronleuchter, die von der Decke hingen.

Eine dürre Frau mit Klemmbrett stakste auf uns zu. Ihre schwarzen Haare waren zu einem strengen Dutt zusammengebunden.

»Ah Finn, gut, dass du diese reizenden Gäste mitgebracht hast. Wir werden ihnen eine schöne Tour durch unsere tiefen Gemäuer geben können. Und wir werden verhandeln.« Mich schauderte es. Der Willkommensgruß klang eher wie eine Drohung. Die Frau hätte auch genauso gut sagen können: »Willkommen in unserem Keller. Ihr werdet euch zwischen den alten Überresten mancher Särge sicher wohl fühlen. Außerdem sind wir so weit unter der Erde, dass niemand eure Schreie hören würde, wenn ihr versucht zu fliehen.«

HypocritaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt