Der Schmetterling in seiner Tasche fühlte sich schwer an, als Heiner das Labor betrat. Niemand hatte ihn aufgehalten, niemand hatte ihm Beachtung geschenkt. Bis jetzt war es so reibungslos gelaufen, dass Heiner das Gefühl hatte, es müsste noch irgendwas gewaltig schief gehen. Der zylinderförmige Generator stand unbewacht in der Mitte des großen Raumes. An den Wänden konnte er noch so allerlei andere technische Geräte erkennen, die sicher Unsummen gekostet haben mussten. Seine inneren Alarmglocken schrillten bei dem Gedanken, wie einfach es gewesen war, hierher zu gelangen.Vorsichtig, fast ehrfürchtig ging er auf die Maschine zu. Er hatte seinen Job jetzt zu erledigen und konnte nur hoffen, dass Xuan rechtzeitig erscheinen würde. Wenn er Glück hatte, könnte er sogar rechtzeitig wieder verschwinden.
Der Generator war riesig und rund. Silbern glänzte das Material der Umfassung, keine einzige Verunreinigung war zu sehen. Von der einen Seite konnte man näher an die Mitte herantreten. Dort umfassten zwei Ringe einen zentralen Punkt mit vielen Schaltern, Hebeln und Knöpfen. Das Schaltpult. Und hinter diesem Zentrum der Kontrolle konnte man hinter einem schmalen Glas eine graue Masse pulsieren sehen. Neben dem leisen Surren der Maschine glaubte Heiner auch ein leises Pochen, beinahe wie das eines Herzschlages zu hören.
Mit vorsichtigen Fingern zog Heiner die Bedienung aus der Tasche, sein Herz schlug laut in seinen Ohren. Es war zu einfach. Zu einfach.
Er ging noch ein wenig näher, stellte sich an das Schaltpult. Zwischen den Ringen war genügend Platz für einen kleinen Schmetterling. Heiner führte mit kontrollierter Bewegung die schmetterlingsförmige Bedienung in die Lücke. Durch den Magnetismus klickte der Schmetterling perfekt ein und das Gerät leuchtete hell auf. Das Klopfen wurde intensiver, lebendiger, und kurz befürchtete Heiner, er hatte einen Fehler gemacht. Dann erlosch das Leuchten und der Generator sah aus wie davor. Nur dass das fehlende Teil ergänzt worden war. Es sah aus, als ob es nie gefehlt hatte.
Xuan ... wo bleibst du?, dachte Heiner. Sie war hoffentlich auf dem Weg hier her. Er begann mit der Arbeit, seine Finger flogen nur so über das Schaltpult, als er hinter sich Schritte hörte. Das musste das Mädchen Xuan sein.
Endlich. Erleichtert drehte er sich um und blickte geradewegs in den Laut einer Pistole.
»So, mein werter Kollege, Hände hoch.«
Heiners Herz sackte in die Hose. Er hatte einen Fehler gemacht. Einen riesigen. Anstatt auf Xuan zu warten, hatte er schon angefangen. Er hatte Hypocrita die Bedienung auf dem Präsentierteller geliefert.
»Mach schon«, forderte der Mann im weißen Kittel ihn auf. Heiner kannte den Mann nicht. Er war einer der unzähligen Wissenschaftlern, die ihr Wissen hierein steckten, und dafür zwar Geld bekamen, aber am Ende jedoch ohne Ruhm nach Hause gehen würden.
Langsam hob Heiner die Hände. Hätte er nur seine eigene Pistole nicht im Auto gelassen. Wäre er nur das Risiko eingegangen, mit der Pistole erwischt zu werden. Dann ständen seine Chancen anders. Aber so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich von dem Wissenschaftler aus dem Raum führen zu lassen. Ein paar andere betraten den Raum und schauten ehrfürchtig auf den kleinen Schmetterling, der jetzt das Schaltpult zierte. Nach und nach wurde Heiner klar, dass seine Befürchtung, es wäre zu einfach gewesen, gestimmt hatte. Man hatte seinen Plan schon durchschaut gehabt und nur darauf gewartet, dass er die Bedienung zurückbringen würde.
***
Der Raum, in den wir geführt wurden, war in einem hässlichen Gelbton beleuchtet. Die Farbe übertrug sich auf unsere Haut und ich hatte das Gefühl, mich in eine laufende Leiche verwandelt zu haben. Das Beunruhigendste war allerdings das, was sich in der Mitte des Raumes befand. Eine Liege umgeben von Schläuchen, Spritzen und allerlei anderen Zangen, von denen ich nicht wissen wollte, wofür sie benutzt wurden. Mein Gefühl sagte mir, dass es sich ganz klar um eine Foltermaschine handeln musste.
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Hypocrita
Mistério / SuspenseEine Geschichte darüber, wie aus Witz und Tod Humord wird. Darüber, wie normalerweise kein Mordfall aufgeklärt werden würde. Darüber, wie schnell man sich in IQ-Einzeller verlieben kann und darüber, wie verdammt gut man aufpassen muss, welche Schrit...