Unsicherheit

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Oikawa PoV

"Kaffee?", fragte mich Kageyama, als er aus seinem kleinen Badezimmer heraus trat. Mein Hoch des vorhin erfahrenen Orgasmus ist schnell wieder abgeflaut, als sich Kageyama aus meinen Armen gewunden hatte und stumm ins Bad verschwunden ist.

Er hatte sich eine Shorts übergezogen und seine Haare, die sein Gesicht rahmten, waren nass, so als ob er sich mehrere Ladungen Wasser ins Gesicht geschwappt hatte. Ich hob eine Augenbraue. Wenn er sich verschließen und das, was zwischen uns passiert ist, unter den Tisch kehren wollte, hatte er sich gewaltig geschnitten.

"Bereust du es?", fragte ich ihn deshalb gerade heraus zurück und beobachtete seine Mimik und Gestik genau, während er an der kleinen Kaffeemaschine herum werkelte. Er hielt inne und ließ die Hände sinken, schaute mich jedoch nicht an.

Er antwortete nicht sofort und ich fühlte automatisch einen Stich. Mein Gott, Oikawa, was denkst du denn? Dass er sich Hals über Kopf in dich verliebt, nur weil ihr in der Kiste gelandet seid?

"Ich bereue es nicht", sagte er schließlich, immer noch mit abgewandtem Gesicht. "Aber... ich gebe zu, dass es nicht die beste Idee war." Er drückte sich, wie schon die letzten Wochen, sehr gewählt aus und ließ einmal mehr durchschimmern, dass er offenbar aus gutem Hause stammte. Oder dass er in seinem Leben nie sagen durfte, was er eigentlich dachte. Oder beides.

"Wieso?", fragte ich, allein schon, um ihn aus der Reserve zu locken. Nun drehte er sich zu mir herum und ich sah den schmerzerfüllten Ausdruck in seinem Gesicht. Besorgt richtete ich mich weiter auf.

"Weil es immer das gleiche ist", sagte er leise, bevor seine Stimme brach und er sich hastig mit dem Handrücken über die Augen fuhr. "Niemand interessiert sich wirklich für mich. Ich bin ein minderwertiger Omega und egal, wie oft ich versuche mich vom Gegenteil zu überzeugen... in Wahrheit... bin ich einfach nur schwach...", flüsterte er und seine Schultern zuckten resigniert.

Ich stand wortlos auf und trat vorsichtig an ihn heran. Kageyama wirkte auf andere vielleicht abweisend und kühl, doch ich sah hinter der harten Fassade einen zerbrochenen jungen Mann, der nie gelernt hatte, sich selbst zu lieben.

Ich streckte die Hand aus und legte sie leicht auf seine Schulter, damit er die Chance hatte, sie abzuschütteln. Er tat es nicht und so tat ich noch einen Schritt auf ihn zu und umarmte seine schmale Gestalt von hinten.

Kageyamas Arme hingen rechts und links von seinem Körper herab und ich strich mehrmals über seine Brust, dann seine Schultern, knetete sie, streichelte seine weiche Haut und versuchte ihm ein wenig von der Spannung zu nehmen, von der sein Körper offenbar Besitz ergriffen hatte. Dann griff ich vorsichtig seine Schultern und drehte ihn zu mir. Seine tiefblauen Augen glänzten und ich nahm sein Gesicht in meine Hände um mit dem Daumen beruhigende Kreise über seine Wangen zu streichen.

"Du bist nicht schwach", sagte ich und betonte jedes Wort mit Nachdruck. "Ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich ist, dass du so denkst, aber du bist es nicht." Er lächelte traurig. "Das ist nett, dass du das sagst, aber ich weiß, dass du nur Mitleid mit mir hast", antwortete er und versuchte sich aus meinem Griff zu befreien. Ich hielt ihn jedoch fest.

"Tu das nicht! Verschließ dich nicht vor mir! Du kannst mir vertrauen", sagte ich und suchte wieder seinen Blick. Er schüttelte den Kopf und riss sich nun los. "Aber du kannst nicht mir vertrauen", rief er laut und schlug sich fast zeitgleich die Hand vor den Mund.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und hob erneut meine Augenbraue. "Wieso?", fragte ich ihn schlicht und starrte ihn an. Er antwortete nicht sofort, also versuchte ich es selbst zu erraten: "Du hast Angst vor Alphas, wie Juto, das habe ich verstanden, aber ich bin der Meinung, ich hätte dir bewiesen, dass ich das ganze Thema nicht auf die leichte Schulter nehme. Herrgott, ich habe eine Hitzeperiode von dir ausgehalten, obwohl ich am liebsten über dich hergefallen wäre. Also was ist dein Problem?"

Kageyama zuckte unter meinen Worten zusammen und er biss sich auf die Lippen. Ich sah, wie es in seinem Gehirn arbeitete und am liebsten hätte ich ihn geschüttelt, damit er mir sagt, worüber er sich solche Gedanken machte.

Gerade, als ich dachte, er würde sich wieder abwenden sagte er mit geröteten Wangen: "Kannst du dir wenigstens eine Hose anziehen, bevor ich dir antworte?" Ich schaute an mir herab und ließ ein kleines Schmunzeln zu, als ich seine halbharte Länge in seinen Shorts betrachtete. "Ausnahmsweise", erwiderte ich also und zog mir meine Shorts über die Beine.

Währenddessen hatte Kageyama zwei Becher mit Kaffee gefüllt und reichte mir einen, bevor er sich auf seinem Stuhl niederließ und ich mich auf das Bett setzte. "Ich habe Angst davor, was ich dir antue, wenn meine Hitze voll ausgeprägt ist. Ohne Blocker. Ohne Hemmungen", setzte Kageyama irgendwann an, nachdem er an seinem heißen Getränk genippt hatte.

"Ich weiß, dass mein Omega einen überaus großen... Drang hat, geschwängert zu werden", bei diesen Worten wurde sein Gesicht, wenn möglich noch dunkler, "Dass ich diese Blocker auch über meine Hitze hinaus nehme habe ich dir schon erklärt. Ärzte haben gesagt, dass es nicht heilbar ist. Nur durch einen Alphabiss kann das reguliert werden, wie bei anderen Omega auch. Und ein solches Band einzugehen, habe ich noch nie auch nur in Betracht gezogen."

Ich nickte verständnisvoll. So eine Entscheidung sollte man nie leichtfertig treffen, sondern nur mit dem Partner, mit dem man den Rest seines Leben verbringen will. Manche Paare beißen sich ein Leben lang nicht, sondern regulieren das ganze über Blocker, weil der Biss eine recht altmodische Art der Partnerschaft ist und nicht selten missbraucht wird. Einen Alpha auf diese Art und Weise an einen zu binden mag noch harmlos erscheinen, aber das einem Omega anzutun, der dann nur noch Befriedigung durch diesen einen Alpha erfährt, gleicht einer Vergewaltigung.

"Meine Eltern versuchen schon, seit ich 18 bin mich zu verheiraten, sodass ich einen Erben in die Welt setzen und ihre Linie reinwaschen kann. Dass ich studieren will, die Welt sehen will... lieben will, wen ich möchte kommt ihnen nicht in den Sinn. Und wenn sie herausfinden, dass ich... dass du... dann...", er wurde immer leiser und erschauderte dann mit leerem Blick auf einen unbestimmten Punkt gerichtet.

"Sie würden dir das Leben zur Hölle machen", flüsterte er. Eine Gänsehaut krabbelte über meine Haut und ich griff den Henkel des Bechers fester. "Du bist Sportstudent... in ihren Augen bist du nichts weiter, als ein namensloser Niemand. Eine Ablenkung von meinen Pflichten... verstehst du jetzt, warum das hier nicht funktioniert?"

Ich schaute in seine traurigen Augen. Seine Worte versetzten mir einen Stich und es tat ihm weh, diese auszusprechen, so viel war klar. Ich hatte seine Worte gehört und ich nahm das Problem ernst. Und dennoch fegte mir in diesen Moment nur ein Gedanke durch den Kopf: Dieser Mann war wunderschön. Er war furchtlos. Er war mutig. Er war es wert.

Ich wollte das hier nicht aufgeben, diese besondere Verbindung nicht trennen. Ich war nicht bereit dazu, das hier, was noch keinen Namen hatte, aufzugeben. Ich wollte, dass es weiter ging. So lang, wie er mich lassen würde.

Ich stellte den Becher zur Seite und stand auf, um an seinen Stuhl heran zu treten. Seine Augen wurden groß, während er mich von unten anstarrte. "Und wenn ich dir sagen würde, dass mir das alles egal wäre? Dass es mir egal wäre, wenn deine Eltern mir die Hölle heiß machen?", sagte ich und beobachtete seinen Blick. Er wandte ihn ab.

„Sowas würdest du nicht für mich tun, also mach dich nicht über mich lustig", murmelte er und ich legte einen Finger auf seinen Mund. „Ich mach mich nicht über dich lustig. Ich meine das ernst. Was ist, wenn ich nicht will, dass das hier vorbei ist?", fragte ich erneut und sein Adamsapfel hüpfte, als er nervös schluckte.

„Dann... will ich auch nicht, dass das hier vorbei ist", flüsterte er und sein Blick driftete in etwas dunkleres, lustverklärtes. Der Duft nach Lavendel wurde stärker und ich räusperte mich. „Vertraust du mir?", fragte ich und er nickte ohne zu zögern. „Dann ist das hier eben ab sofort unser kleines Geheimnis", zwinkerte ich und stupste seine Nasenspitze an. Er lächelte ein wenig schief zurück, womöglich unsicher, ob er mir wirklich vertrauen konnte. Ich musste es ihm also beweisen.

Drowning in your pheromones || Oikawa x KageyamaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt