Duftend

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Oikawa PoV

Wieso nur kam es immer wieder vor, dass ich einen Omega in seiner Hitze auf dem Arm trug, um ihn aus einer Menschenmasse zu retten?

Kageyama atmete schwer, doch im Gegensatz zum letzten Mal schien er keine Ahnung zu haben, was um ihn herum passierte. Innerlich fluchte ich. Auch wenn es Kageyama missfiel: es gab Momente, in denen er besser der Masse fern blieb.

Sorgenvoll betrachtete ich sein angestrengtes Gesicht, seine schweißnasse Stirn. Wo wollte ich überhaupt mit ihm hin? Sollte ich ihn wieder quer über den Campus schleppen, bis er sicher in meinem Wohnheimzimmer war?

Bevor ich näher darüber nachdenken konnte, regte sich der Omega in meinen Armen. Er keuchte heißer und ein neuer Schwall seiner nach Lavendel duftenden Pheromone stieg mir in die Nase und verursachten einen Schwindel in meinem Kopf.

Ich versuchte so gut es ging durch den Mund zu atmen, doch ich wusste ganz genau, dass Pheromone nicht so wie Gerüche funktionierten. Sie drangen in jede Pore deines Körpers ein und entfalteten dort ihre Wirkung. "Mh", seufzte Kageyama und seine Augen flatterten. Doch er machte keine Anzeichen, dass er ansprechbar war.

Ich schaute mich um. Wir befanden uns immer noch im Seminargebäude der Sportfakultät, weit entfernt der Wohnheime und unseren Wohnungen. An diesem Samstagabend waren die Gänge wie leer gefegt. Wenn ich zurück in die Volleyballhalle gehen und ihn dort in das Erste Hilfe Zimmer legen konnte, würde er zumindest in Sicherheit sein, bis ich jemand geholt hatte, der ihm besser helfen konnte als ich. Die Sportler sollten nun auch alle aus der Halle in die Kantine gegangen sein.

Ich bog also nach links ab und schlug mich so schnell es ging durch das Labyrinth aus Gängen, bis ich durch eine große Doppeltür trat, welche mich direkt in die Trainerbüros und Sanitätszimmer brachte. Wie vermutet war der Gang wie ausgestorben, selbst die Lichter waren schon aus, gingen jedoch flackernd wieder an, als ich einen Schritt in den Gang setzte.

Ich trug Kageyama in das naheliegendste Erste-Hilfe-Zimmer und legte ihn auf die Behandlungsliege, die hinter dem hässlichen blauen Vorhang, der nur halb zugezogen war, stand. Ich fühlte vorsichtig seine Stirn, doch seine Haut war immer noch heiß und schwitzig. Seine Pheromone tanzten ungebremst in der Luft herum und wieder musste ich mich erinnern, durch den Mund zu atmen um zumindest nicht vom Lavendelduft übermannt zu werden.

Ich zog eine Flasche Wasser unter dem nahestehenden Waschbecken hervor und schraubte den Verschluss auf. "Kageyama?", fragte ich vorsichtig und sein Kopf drehte sich zu mir, so als ob er mich gehört hatte. "Hier, trink etwas. Ich hole gleich Hilfe", sagte ich und musste den Verschluss der Flasche fest in der Faust ballen, um mich mit dem Schmerz von den fast übermannenden Gefühlen und Empfindungen meines Körpers abzulenken.

Kageyama keuchte und stöhnte verhalten auf und machte keine Anstalten auch nur die Augen zu öffnen, also schob ich die Hand unter seinen Nacken und seine Schultern um ihn etwas aufzurichten und legte die Flasche an seine Lippen. Gehorsam trank er ein paar Schlucke und ließ sich dann wieder nach hinten gleiten.

Ich zog die Decke unter seinen Beinen hervor und entfaltete sie über ihm, zog sie ihm bis unters Kinn und strich ein letztes Mal über seine Wange. Dann beugte ich mich herab und drückte meine Lippen auf seine Stirn. Fast bereute ich genau diese Geste, als ich erneut von seiner Hitze überwältigt wurde. Ich richtete mich also wieder auf, ging zur Tür und schloss sie sorgfältig hinter mir.

***

Einen Vorteil hatte es, wenn die gesamte sportliche Fakultät ein gemeinsames Trainingswochenende veranstaltete: es waren auch sämtliche Ärzte und medizinische Fachleute der Sportmannschaften auf den Beinen. Ich konnte nur hoffen, dass sie ebenfalls am Barbecue teilnahmen und vor allem, dass ich schnell einen von ihnen fand.

Ich stürmte zurück in die Kantine, die mittlerweile vollgestopft war mit Menschen, lautem Gelächter und dem herrlichen Geruch von gegrilltem Fleisch, Tofu und Gemüse. Ich entdeckte Iwaizumi und Atsumu, die in einer Ecke von mehreren Mädchen belagert wurden, sowie Kuroo, der mit Kenma in einer Ecke stand und gerade eine Strähne seiner blond gefärbten Haare hinter die Ohren strich, während er kokett an seinem Becher nippte und das Gesicht des Jüngeren eine tiefrote Farbe annahm.

Ich reckte den Hals und mein Blick fiel endlich auf eine Gruppe Trainer, die zusammen mit denen der anderen Mannschaften zusammen standen. Unter ihnen entdeckte ich auch mehrere Mediziner der Sportfakultät. Ich stürzte zu ihnen und unterbrach ihr lautes Gelächter. "Entschuldigen Sie. Ich brauche medizinische Unterstützung", sagte ich laut und verbeugte mich tief als Entschuldigung für meine unhöfliche Unterbrechung. Unser Mannschaftsarzt Jin, gerade noch entspannt, legte die Stirn in Falten und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Was meinst du, Oikawa? In welcher Form?", fragte er. "Nicht ich. Ein... Omega... er ist offenbar in seiner Hitze", keuchte ich. Vom ganzen Rennen brannte meine Lunge und ich konnte nur schwer Luft holen.

Der Arzt ließ sofort die Hände sinken und trat einen Schritt nach vorn. "Bring mich zu ihm. Wo ist er?", fragte er und ich setzte mich wieder in Bewegung. "Im Sanitätsraum. Der Weg zu den Wohnheimen war zu weit und ich hielt es für das Beste, ihn nicht in der Nähe der Kantine zu lassen", antwortete ich. Auch wenn er immer noch viel zu nah an den anderen war, dachte ich.

"Das hast du gut gemacht. Hoffen wir nur, dass niemand von seinen Pheromonen angezogen wurde", sagte Jin und in mir zog sich direkt etwas zusammen, als ich daran dachte, dass ich Kageyama schutzlos zurück gelassen hatte. "Ist es Kageyama?", fragte er und ich nickte. "Seine Pheromone... ich weiß nicht, irgendwie spielen sie verrückt", sagte ich und bog um die nächste Ecke. Die Halle mit den angrenzenden Räumen war nicht mehr weit. Hinter mir zog Jin stark die Luft ein.

"Wie meinst du das?" - "Naja... ich weiß nicht, ob Ihnen schon einmal aufgefallen ist, dass seine Pheromone sehr... präsent sind...", sagte ich und bog um die nächste Ecke um wieder vor der Doppeltür zu stehen, die in die Halle und ihre angrenzenden Räume führte.

"Ich bin ein Beta, Oikawa. Ich spüre die Pheromone nicht, aber was du erzählst hört sich nicht gut an. Weißt du, ob seine Hitze geplant ist? Und ob er Blocker nimmt?" - "Er nimmt seit neustem ein neues Medikament soweit ich weiß. Und er nimmt es durchgängig, während seiner Hitze sogar zweimal am Tag. Ich weiß nicht, ob seine Hitze geplant ist. Aber seine Pheromone... sie scheinen regelrecht zu pulsieren."

Wir waren an der Tür angelangt und ich hatte schon die Hand auf die Klinke gelegt. "Warte, Oikawa. Vielleicht sollte ich vor gehen. Wenn es stimmt was du sagst, ist dieser Raum gefüllt mit den Pheromonen eines Omegas in der Hitze. Das pulsierende Gefühl, welches du wahrnimmst, hört sich nach einer Dysfunktion seines Körpers als Reaktion auf den übermäßigen Gebrauch von Blockern an. Jeder Alpha würde hier durchdrehen, wenn nicht sogar in die Brunst getrieben."

Ich wusste, dass er es nur gut meinte. Doch ich konnte Kageyama nicht allein lassen. Allein bei dem Gedanken daran wurde mir ganz unwohl. Ich schüttelte den Kopf. "Ich werde ihn nicht verlassen", sagte ich störrisch und Jin seufzte. "Immer wieder das gleiche mit euch", murmelte er und legte die Hand auf meine Brust. "Dann bleib bitte hinter mir, wenn ich die Tür auf mache. Sobald du merkst, dass die Pheromone dich übermannen, will ich, dass du hier verschwindest, ist das klar?"

Ich schaute ihn noch ein paar Sekunden an, dann nickte ich kurz und steif und trat einen Schritt von der Tür weg. Ich konnte Kageyamas Duft sogar durch das geschlossene Holz spüren und wahrnehmen. Er neigte den Kopf, legte die Hand auf die Klinke und drückte sie nach unten.

Lavendel stieg mir in die Nase, betörend, berauschend, angenehm schwindelnd und ich wollte am liebsten in diesem Geruch ertrinken. Die Wärme in mich aufnehmen. Von ihr besessen werden. Vollkommen betrunken sein.

Ich schlug mir mit aller Kraft die Hand vor die Nase und krallte mich am Türrahmen fest, während ich kurz gegen den Drang ankämpfte, mir die Klamotten vom Leib zu reißen. Dann zog ein Ruf Jins unweigerlich meine Aufmerksamkeit nach vorn. "Hey, Juto! Was zur Hölle machst du da?"

Drowning in your pheromones || Oikawa x KageyamaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt