Rote Wangen

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Kageyama PoV
4 Jahre später

„Super, dann benötige ich nur noch hier eine Unterschrift und einen Auszug aus deinem Gesundheitszeugnis", sagte die nette Dame am Empfangstresen und reichte mir ein Klemmbrett mit dem Vertrag.

Ich stutzte. „Mein Gesundheitszeugnis? Wozu brauchen Sie das? Ich will doch nur aushelfen und nicht selber spielen", sagte ich mir einem kühlen Unterton, wie immer, wenn so etwas passierte.

„Das hat damit nichts zu tun, Tobio. Alle, die an der Uni arbeiten, haben das Gesundheitszeugnis vorzulegen. Wir schauen uns nur einige wenige Punkte an, wie Allergien, Unverträglichkeiten und so weiter", widersprach sie und ich hob eine Augenbraue. „Und um zufällig das sekundäre Geschlecht herauszufinden und Leute danach auszusieben", sagte ich etwas ungehalten.

Auch wenn meine Aussage womöglich ziemlich frech war, ließ sie sich nichts anmerken, sondern lächelte nachsichtig. „Hier wird niemand aufgrund seines Geschlechts ausgesiebt. Für die meisten hat das ganze sowieso keine Auswirkungen, weil sie Betas sind", sagte sie.

„Und was ist mit denen, die keine Betas sind?", fragte ich zerknirscht. Es war doch immer das gleiche. Seitdem ich mich zu einem Omega manifestiert hatte, wurde ich benachteiligt. Nicht nur habe ich die Familienehre „beschmutzt" (ein Wort, welches mein Vater gern benutzte, auch wenn er ganz genau wusste, dass ich nichts dafür konnte, schließlich hatte ich mir das ganze genauso wenig ausgesucht, wie er), nein ich wurde bei allen möglichen Aktivitäten nun behandelt wie ein rohes Ei.

Omegas bekamen während ihrer Hitzeperioden Freistellungen, waren angehalten, Medikamente zur Unterdrückung ihrer Pheromone zu nehmen (obwohl Alphas genauso in die Pflicht genommen werden könnten) und wurden von allem entweder mitleidig betrachtet oder sexuell belästigt. Ich war beides einfach nur noch leid.

Vor zwei Jahren bin ich von zu Hause ausgezogen und auf den Campus dieser Universität zu ziehen. Ich hatte mich mit guten Noten für ein Studium in Management und Sportwissenschaften eingeschrieben und die ersten zwei Semester ohne Probleme überstanden, auch wenn die Wahl meiner Fächer zum größten Teil durch meine Eltern bestimmt war. Auch wenn ich kein Alpha war, erwarteten sie von mir, irgendwann ihr Imperium zu übernehmen. Lachhaft. Wenn es nach mir ginge, würde ich eine Sportlerkarriere anstreben, doch das habe ich seit der Oberstufe nicht mehr verfolgt.

„Alphas stehen unter besonderer Beobachtung und Reglementierung, was ihre Leistung angeht, damit der Wettbewerb untereinander ausgeglichen ist. Sollten sie nicht im sportlichen Bereich tätig sein, müssen sie keine weiteren Besonderheiten beachten. Omegas bekommen die üblichen Freitage während ihrer Hitze und die Einnahme von Pheromonblockern wird finanziell von uns unterstützt", beantwortete die Sekretärin nun meine Frage und holte mich aus meinen Gedanken wieder hervor.

Ich starrte sie kurz an, überlegte, ob ich etwas erwidern sollte, als ich ihn vernahm. Einen Duft, vielmehr ein Lufthauch, durchsetzt mit Sandelholz und dem Geruch nach Zedern. Meine Nackenhaare stellten sich auf, über meine Haut fuhr ein Schauer und eine Gänsehaut machte sich breit. Die Präsenz eines Alphas.

Ich schlug mir die Hand vor die Nase und versuchte das Schwindelgefühl in meinem Kopf unter Kontrolle zu bringen. Trotz meiner Pheromonblockern brachte der Duft meine Knie zum zittern. Verdammt! Welcher Alpha versprüht denn bitte so rücksichtslos so viel Pheromone?

Ich krallte mich am Tresen fest und wollte mich gerade nach dem Übeltäter umsehen, als ich eine Stimme ganz nah an meinem Ohr vernahm und sich eine Hand in mein Sichtfeld schob. „Yuna-san, haben Sie vielleicht den Schlüssel für mich? Ich fürchte ich habe meinen schon wieder verlegt", säuselte er und ich zuckte heftig zusammen.

Seine Stimme war melodisch, betörend und brachte mein Herz zum klopfen. Oder aber die Pheromone, die er weiterhin ausstieß.

Ich drehte mich zur Seite und schaute in ein paar rehbraune Augen. Ich drohte fast, mich in ihnen zu verlieren, als ich das spöttische Grinsen auf seinem Gesicht sah. „Oh ein Neuzugang, wen haben wir denn hier?", fragte er und schaute von oben auf mich herab. Ich war groß und trotzdem überragte er mich noch einmal um mehrere Zentimeter.

Er hatte breite Schultern, starke Arme und einen trainierten Körper. Seinen Trainingsklamotten und der Tasche zufolge war er nicht nur aus Spaß hier. Ich wollte gerade etwas erwidern, als er irritiert seine Augenbraue hob. „Geht es dir nicht gut? Deine Wangen sind ganz rot", fragte er und ich wich vor seiner ausgestreckten Hand zurück, immer noch darauf bedacht meine Finger auf die Nase zu drücken.

„Pass gefälligst mit deinen Pheromonen auf, Idiot. Hast du keine Ahnung, wie andere darauf reagieren könnten?", presste ich hervor und hörte, wie meine Stimme zitterte. Ich schnappte mir das Klemmbrett vom Tresen und unterschrieb den Zettel. „Das Gesundheitszeugnis reiche ich nach, aber es wäre schön, wenn Sie darauf achten, dass die Alphas nicht überall ihren Duft verbreiten, nur weil sie denken, ihnen gehört der gesamte Campus", keuchte ich gereizt und warf das Klemmbrett wieder auf den Tresen. Bevor irgendjemand der beiden etwas antworten konnte stürmte ich an ihnen vorbei, um aus dem Raum zu kommen.

Draußen an der frischen Luft wurden meine Gedanken wieder etwas klarer. Verdammt, ich brauchte diesen Job, zumindest für dieses Semester, um eine gute Projektnote zu bekommen. Wenn das jedoch hieß, dass ich in einem pheromonüberkochenden Hexenkessel, wie diese Sporthalle überleben musste, wusste ich nicht, wie ich das durchstehen sollte, ohne permanent auf der Hut vor einem spontanen Hitzeanfall zu sein.

„Verdammte Alphas", murmelte ich und schüttelte den Kopf um den letzten Rest des Schwindels wieder los zu werden. Sie hielten sich permanent für etwas besseres, stolzierten über den Campus und markierten ohne Rücksicht auf andere ihr Revier mit ihren Pheromonen.

Betas konnten diese nicht wahrnehmen, aber für Omegas war es die reinste Tortour in ihrer scham- und rücksichtslosen Gegenwart zu existieren. Und so sehr mir das nun einmal missfiel - ich war ein Teil von ihnen. Und trotzdem wusste ich, wenn ich dem ganzen jetzt nachgab, würde das nur wieder zu einer weiteren Ungerechtigkeit führen. Ich ließ mir von diesen aufgeblasenen Sportproleten ganz bestimmt nicht meine Note versauen.

Ich werde diesen Job machen. Ich werde ihnen zeigen, dass ich keinesfalls so schwach bin, wie alle immer dachten. Mit einem grimmigen Blick straffte ich meine Schultern und kehrte der Sporthalle unseres Campus den Rücken.

Drowning in your pheromones || Oikawa x KageyamaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt