Trennung

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Oikawa PoV

Ich glaube nicht, dass es gut für die eigene körperliche Verfassung war, wenn man in einem Moment ein aufgeregtes, verliebtes Flattern in der Brust verspürte und im nächsten ein Gefühl, als ob man sich gleich übergeben musste.

Kageyama zog sich wortlos seine Jeans an, während ich mir einen Pullover über den Kopf zog. "Du musst nicht mitkommen", wiederholte er zum was-weiß-ich-wievieltem Mal, doch ich schüttelte den Kopf. "Kommt nicht in Frage. Ich lasse dich jetzt nicht allein. Ich werde dir beistehen und notfalls deiner Mutter erklären, was passiert ist. Sie kann dich nicht für das Leben deiner Schwester verantwortlich machen", antwortete ich ihm und reichte ihm eine Strickjacke.

"Zieh das über, draußen ist es kalt", sagte ich bestimmt und Kageyama nahm wortlos die Jacke entgegen. Der Alpha in mir knurrte triumphierend, als er seinen Omega in meinen Klamotten sah und ich musste ihn zurück halten, nicht über Kageyama herzufallen und ihn zu besteigen. Definitiv werde ich ihn in Zukunft wieder in meine Klamotten stecken. Der Anblick war einfach zu heiß.

Ich schüttelte kurz den Kopf und musste sogar ein Grinsen unterdrücken, denn der Ernst der Lage rief mich schnell zur Räson. Wir überquerten den Campus, der an diesem Sonntag still da lag in wenigen Minuten. Der Gedanke, dass in einer halben Stunde eigentlich das Morgentraining begann half mir nicht, meine Nervosität zu dämpfen. Als wir an dem Block ankamen, in dem Kageyamas Wohnung lag, griff er unwillkürlich nach meiner Hand.

Zum ersten Mal spürte ich, wie seine Pheromone etwas anderes ausstrahlten, als sonst. Während sein Duft sonst sehr frisch wirkte, wie ein lauer Frühlingswind der einem um die Nase spielt, schien die Luft um ihn herum nun fast zu zittern und zu vibrieren. Ich spürte förmlich sein Gefühl von Angst mitschwingen, welches auf mich überschwappte und meinen Alpha zum Knurren brachte. Er mochte es gar nicht, dass sein Omega unter seiner Obhut litt.

"Alles wird gut", sagte ich zu ihm und auch ein bisschen zu mir selber. Kageyama wand sich zu mir herum und als sich unsere Blicke begegneten, schlich sich unwillkürlich ein Lächeln auf seine Lippen. "Das wird es", antwortete er. So erklommen wir die letzten Stufen in seine Etage und bogen in den Gang ein, der gesäumt war mit den vielen Türen der Wohnheimzimmer.

Vor einer stand eine hoch gewachsene Frau. Sie hatte glatte, lange, dunkle Haare, die gerade und akkurat geschnitten waren. Ihr Gesicht war hübsch, aber mit den geschürzten Lippen machte sie einen strengen Eindruck. In ihren dunkelblauen Augen fand ich sofort Kageyamas wieder, auch wenn ihre nicht dieses leidenschaftliche Leuchten hatten, welches er mir immer entgegen brachte. Ihre schlanke Gestalt steckte in einem Blazer und einer Anzughose, sowie in hohen Schuhen, die ungeduldig auf dem Boden tippten. Ihr kühler Blick galt uns, ihre Alpha-Pheromone waren drohend gegen mich gerichtet, sodass ich mich zurückhalten musste, keine Miene zu verziehen.

„Wer ist das, Tobio?", fragte die drohend und ohne uns zu begrüßen. „Ist das der Grund, warum wir dich nicht mehr erreichen? Warum du uns anlügst?" Ich hob eine Augenbraue. Auch wenn ich wusste, dass ich höflich bleiben musste, fiel es mir schwer bei ihren vorwurfsvollen und abschätzigen Worten ruhig zu bleiben. Also trat ich einen halben Schritt vor Kageyama und verbeugte mich höflich.

„Mein Name ist Oikawa Toru, Kageyama-san. Ich spiele in der Volleyballmannschaft der Universität", sagte ich und mein Blick blieb auf den Boden gesenkt, bis ich ein abfälliges Schnauben vernahm. "Einen Volleyballer hast du dir also angelacht", antwortete sie spöttisch und ich hob wieder meinen Blick. Mir gefiel gar nicht, wie ruhig Kageyama hinter mir geworden war und als ich mich zu ihm herum drehte, hatte er die Augen eingeschüchtert nach unten gesenkt.

Er hatte auf mich nie den Eindruck eines übermäßig selbstbewussten Menschen gemacht. Er hielt sich gern unter dem Radar, doch tat er dies durch seine ruhige und gewählte Art. Er lief dennoch stets aufrecht und schlängelte sich ungesehen durch die Menschenmassen unseres Campus. Doch nun waren seine Schultern gedrungen, sein Kopf verschwand eingeschüchtert zwischen seinen Schultern und er machte den Eindruck, als ob er gleich eine Standpauke erwarten würde.

Ich schob mich ein wenig vor ihn, um ihn von den Blicken seiner Mutter abzuschirmen. Doch sie schien durch mich hindurch zu sehen, als ob ich unsichtbar wäre, nichts weiter als Staub, den sie unter ihren teuren Absatzschuhen zertreten konnte. "Ich wusste, dass es eine schlechte Idee war, dich ausziehen zu lassen. Ich habe von Anfang an zu deinem Vater gesagt, wir hätten dich bei uns lassen sollen. Lässt dich von Miwa und ihrem freizügigen Leben mitreißen. Reicht schon, dass sie die Familienehre beschmutzt", keifte sie giftig und jedes Wort traf mich tief in meiner Brust, obwohl sie nicht mal gegen mich gerichtet waren. Doch Kageyama erwiderte nichts gegen diese hässlichen Vorwürfe, was mir fast noch mehr weh tat.

"Und jetzt willst du auch rebellieren, wie ein pubertierender Teenager. Suchst dir einen Alpha aus, der nicht mal deinem Stand entspricht, nur um uns zu ärgern. Kindisch, Tobio", stichelte sie weiter und nun konnte ich mich nicht mehr zurück halten.

"Hören Sie auf, so mit ihm zu sprechen. Und hören Sie auf, solche Dinge über mich zu sagen. Sie kennen mich nicht und-" - "Oh ich kenne dich nicht?" Plötzlich lag ihre gesamte Aufmerksamkeit bei mir. "Denkst du nicht, ich hätte schon zahlreiche Alpha, wie dich gesehen? Arme Schlucker, die denken, sie könnten sich an meine Kinder anheften, um etwas von unserem hart verdienten Geld abzugreifen? Sich in unser Unternehmen einzecken und erst wieder gehen, wenn wir ihnen eine entsprechende Summe gezahlt haben? Und meinen Omegasohn mit einem gebrochenen Herzen und lästigen Hormonen zurück lassen? Tut mir leid, aber ich lasse nicht zu, dass du dir mein Geld und meinen Sohn nimmst."

Damit griff sie an mir vorbei und langte nach dem Handgelenk von Kageyama. "Du packst deinen Koffer und kommst mit nach Hause. Sofort. Und keine Wiederrede", sagte sie energisch und ich schaute perplex zu, wie Kageyama sich widerstandslos von seiner Mutter mitziehen ließ. "Kageyama?", fragte ich flehend und nun schaute er nach oben und begegnete meinen Blick. Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln und Sehnsucht spiegelte sich in ihnen als er erstickt sagte: "Es... es tut mir leid, Oikawa. Aber du musst jetzt gehen." Seine Mutter drehte sich ebenfalls zu mir herum und schaute mich drohend an. "Wenn Sie in fünf Minuten immer noch da sind, hole ich die Polizei. Und dann sorge ich dafür, dass Sie Ihr Studium und Ihre erbärmliche Sportlerkarriere vergessen können."

Mir blieb nichts anderes übrig, als die beiden in Kageyamas Zimmer gehen zu lassen. Und in meiner Brust breitete sich ein solcher Schmerz aus, dass ich kurz zusammen zuckte und aufkeuchte. Während ich mich an der Wand abstützen musste, um nicht umzukippen.

Drowning in your pheromones || Oikawa x KageyamaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt