Oikawa PoV
"Der ist zu weit! Oikawa, sichern!", rief mir Iwaizumi zu, der den Ball der Gegner nur mit Müh und Not angenommen hatte und nun erwartungsvoll zu mir sah. Ich schaffte es gerade so, mich unter den Ball zu positionieren und versuchte ihn im hohen Bogen zu ihm zurück zu pritschen, damit er ihn versenken konnte. Der Ball schlingerte, war nicht sauber und verfehlte die Hand meines besten Freundes um mehrere Zentimeter.
Ich stand komplett neben mir. Abgesehen davon, dass ich absolut übermüdet war, weil ich vor lauter Sorge um Kageyama kein Auge zugetan hatte, schlauchte mich das Training mehr als sonst und ein heftiger Kopfschmerz sorgte dafür, dass ich mir mehrmals die Schläfen massierte, um den Schmerz etwas abklingen zu lassen.
Der erlösende Pfiff, der das Training beendete, ertönte und ich ließ mich an Ort und Stelle auf den Hintern fallen, wo ich mich am liebsten zusammengekauert und gehofft hätte, aus einem langen schmerzvollen Albtraum aufzuwachen. Doch natürlich war das hier kein Albtraum, sondern die harte Realität. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich hob den Kopf, wo sich mein Blick mit dem besorgten Kuroos kreuzte.
"Du siehst scheiße aus, Oikawa", sagte er mit zusammen gezogenen Augenbrauen. Ich wusste, dass er nicht auf mein Aussehen anspielte, denn in seinem Blick spiegelte sich nichts weiter als Sorge. "Derweil habe ich mir doch heute extra Mühe gegeben", erwiderte ich mit einem halbherzigen Lächeln, woraufhin er mir einen sanften Klaps auf den Hinterkopf gab. "Du weißt, dass ich das nicht meine. Du siehst aus, als ob du Fieber hättest. Du verfehlst Bälle, spielst nicht richtig zu-" - "Ich hab nur ein wenig Kopfschmerzen, okay?", unterbrach ich ihn und schob seine Hand weg.
Ich wusste, dass er sich nur Sorgen machte. Doch ich konnte nicht zulassen, dass das Team so kurz vor einem wichtigen Spiel ihr Vertrauen in ihren Kapitän verlor. Ich musste mich einfach zusammenreißen. Kuroo seufzte und richtete sich wieder auf. "Wenn du schon nicht mit mir reden willst, dann sprich wenigstens mit Iwaizumi. Wir zählen auf dich, Kapitän. Aber wir brauchen dich in besserer Form als heute."
Ich blieb noch eine Weile sitzen, bis ich hörte, dass das laute Stimmengewirr meiner Mitspieler in die Umkleide verschwunden ist. Der Schmerz hämmerte hinter meinen geschlossenen Augen und das Stechen in meiner Brust wurde selbst nachdem ich mich ein wenig abgekühlt hatte nicht besser. Auch wenn ich vor Kuroo den Harten gespielt hatte... mir ging es echt beschissen.
"Hey." Iwaizumis Stimme ließ mich zusammen zucken. Mein bester Freund ging vor mir in die Hocke und reichte mir eine Flasche Wasser, die ich wortlos entgegen nahm und dankend nickte. Iwaizumi ließ mich ein paar Schlucke trinken, bis er sich einfach neben mir niederließ.
„Was ist passiert, als Kageyama und du die Party verlassen habt?", fragte er und ich zuckte beim Klang des Namens des Omegas zusammen. Seine ozeanblauen Augen schoben sich automatisch vor mein inneres Auge und das Stechen in meiner Brust wurde sofort stärker und der Kopfschmerz hinter meinen Augen hämmerte. Ich schloss sie zähneknirschend und erzählte Iwaizumi kurz und knapp von den Geschehnissen vor wenigen Tagen, bis zu dem Punkt, als Kageyamas Mutter uns erbarmungslos voneinander trennte.
Iwaizumis Blick wurde von Satz zu Satz entsetzter, ungläubiger und zum Schluss schließlich sauer. Als ich geendet hatte, schüttelte er den Kopf. „Und du hast seitdem nichts mehr von ihm gehört?", fragte er und ich verneinte. „Ich habe versucht ihn anzurufen, aber es geht direkt die Mailbox ran. Ich denke, er hat mich blockiert. Er oder seine Mutter", antwortete ich zerknirscht. Bei dem Gedanken daran, wie bestimmend sie ihm gegenüber war wurde mir ganz schlecht.
Mein Omega war in Gefahr, zumindest wollte mein Instinkt mir das klar machen. Und selbst wenn ich diesem Gefühl nachgab, wusste ich nicht einmal, wo ich nach ihm suchen sollte. Er war nach dem Wochenende weder zum Training noch überhaupt in die Uni gekommen. Und dann machte sich ein weiterer panischer Gedanke in mir breit. „Seine Hitze ist noch nicht vorbei", murmelte ich und bei dem Gedanken wurde mir ganz schlecht. Nicht nur im übertragenen Sinne. „Ihr wurdet während seiner Hitze voneinander getrennt?", wiederholte mein bester Freund und war plötzlich auf den Beinen.
Wenn sich ein Omega entschließt, die Hitze mit einem Alpha zu teilen, entsteht automatisch eine emotionale Abhängigkeit während dieser Zeit. Dabei können sich beide außerhalb der Hitze sogar fremd sein, doch sie knüpfen während dieser Zeit ein besonderes Band, welches während der Hitze des Omegas nicht getrennt werden sollte. Es bedeutet zusätzlichen emotionalen Stress, etwas, was ein Omega während seiner Hitze nicht gebrauchen kann. Je näher sich Alpha und Omega sind, desto schlimmer ist der Schmerz, den der Omega ob des Verlustes erfährt.
„Wir müssen zu ihm. In diesem Zustand ist sein Leid so groß, als ob man ihn von seinem Bindungspartner getrennt hätte", sagte er und wäre Iwaizumi nicht mein bester Freund und ich wüsste nicht, dass er sich einfach um meinen Omega sorgte, würde ich eine Szene machen, dass er sich von meinem Partner fern halten solle. Ich stand auf, doch plötzlich gaben meine Beine unter mir nach. Meine Sicht verschwamm und der Kopfschmerz hämmerte unbarmherzig. „Scheiße, Oikawa. Was zur Hölle ist los? Dir ging es doch noch nie so schlecht", zischte Iwaizumi neben mir und griff nach meinem Ellenbogen, um mich vor dem Fall zu bewahren. Sobald ich mit seiner Hilfe aufrecht stand schüttelte ich unwirsch den Kopf.
„Hast du etwas schlechtes gegessen? Oder...", er verstummte und ich schaute ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Was?", fragte ich unwirsch, als er seine Frage nicht sofort beendete. „Geht es dir so schlecht, seit du Kageyama verlassen hast?", fragte er nach kurzem Zögern und ich lachte kurz freudlos auf. „Was? Willst du mir jetzt das Märchen von Schicksalspartnern andichten, die Qualen erleiden, weil sie gewaltsam voneinander getrennt worden sind?", spottete ich und bei dem Gedanken daran stach mir der Schmerz wie zur Verhöhnung meiner Zweifel in die Brust. „Ich meine ja nur", murmele Iwaizumi genervt und ging mit mir in Richtung der Umkleiden, wo es mittlerweile still geworden war.
Ich kannte die Legenden von Schicksalspartnern. Alphas und Omegas knüpften ein emotionales Band ohne eine Bindung durch einen Biss einzugehen. Keiner glaubte wirklich dran, außer romantischen Träumer und Autoren von Liebesromanen. Auch wenn ich von Anfang an das Gefühl hatte, eine besondere Anziehung zu Kageyama zu verspüren, glaubte ich nicht an diese Märchen. Ich konnte nicht. Wenn es ihm nur halb so schlecht ging, wie mir... und dann noch der emotionale Stress, hervorgerufen durch seine Hitze... Ich mochte mir diesen Worst Case nicht ausmalen. „Gehen wir. Ich hab keine Ahnung, wo wir anfangen sollen zu suchen, aber ich kann nicht hier herumsitzen und nichts tun", sagte ich und Iwaizumi zog sein Handy aus seinem Rucksack. „Ich schreib Kuroo. Vielleicht weiß Kenma mehr."
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Drowning in your pheromones || Oikawa x Kageyama
FanfictionInhalt: Seit er sich als Omega manifestiert hatte und die lange Linie an Alphas in seiner Familie unterbrochen hat, versucht Kageyama, mit dieser unerwarteten Wendung in seinem Leben klarzukommen. Er bleibt gern unter dem Radar, fällt nicht sonderli...