Regeln zurechtbiegen

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Kageyama PoV

Die Tage glitten dahin und ich hatte mehr und mehr das Gefühl, ich würde auf einer Wolke schweben. Mir war klar, dass einzig und allein Oikawa dafür verantwortlich war. Er sorgte dafür, dass ich mich frei fühlte, mich fallen lassen konnte und mehr und mehr meine Sorgen, die mit meinem Omegadasein kamen, verschwimmen ließen.

Miwa hat ihren Urlaub mit Hina verlängert, was mich in die Bredouille brachte, sie erneut decken zu müssen und meine Mutter langsam misstrauisch wurde, da sie sie nie erreichen konnte. Ich hatte Sorge, wie lange das noch gut gehen würde.

Währenddessen wurden die Tage kühler, das Training härter und die Zeit, die ich mit Oikawa verbringen konnte kürzer. Die Saison war nun im vollen Gange und der Trainingsplan sowie das normale Studienpensum ließen kaum Spielraum für gemeinsame Stunden. Ich sah ihn bei Besprechungen mit dem Managementteam und zwischen den Trainingseinheiten, doch das waren nur kurze Minuten.

Mit wem ich mich dafür nun öfter traf, war Kenma. Nachdem er sich eine Weile nicht mehr bei mir gemeldet hatte, liefen wir uns zufällig beim Mittagessen über den Weg und verbrachten nun öfter die Pausen zusammen. Sehr schnell bestätigte sich meine Vermutung, dass er eine Schwäche für Kuroo, seinen besten Freund hatte. Doch von meinen Vorschlägen, sich erneut mit ihm zu treffen hielt er nichts. Er war schüchtern und fast so zurückhaltend, wie ich, was oft dafür sorgte, dass wir still am Tisch saßen und arbeiteten, doch es störte mich herzlich wenig. Die Zeit mit Kenma war eine willkommene Abwechslung zu der lauten Volleyballmannschaft.

Auch jetzt saßen wir in der Bibliothek und arbeiteten gemeinsam an der Präsentation, die wir in einer Woche gemeinsam halten würden. Wir sind gerade die Notizen durchgegangen, als ein leises Klopfen gegen das nächste Regal uns aufschauen ließen. Kuroo und Oikawa grinsten uns entgegen.

Ich spürte, wie sich automatisch ein Lächeln auf mein Gesicht schlich, während Kenma neben mir nervös auf dem Stuhl herum rutschte. "Hier seid ihr ja", flüsterte Oikawa und trat an unseren Tisch heran, während Kuroo sich auf den Platz neben Kenma fallen ließ. "Wir haben gerade über das Trainingscamp gesprochen. Du wirst doch auch mit dabei sein, oder?", fragte Oikawa und seine Augen blitzten hoffnungsvoll.

Das Trainingscamp der Sportler fand immer vier Tage über ein ganzes Wochenende statt. Die Studierenden wurden von ihren Vorlesungen befreit um den gesamten Tag trainieren zu können. Neben den intensiven Trainingseinheiten gab es außerdem auch sportartübergreifende Disziplinen und Challenges, sowie ein gemeinsames Barbecue am letzten Abend. Die Managerteams der jeweiligen Sportmannschaften hatten dieses Intensivwochenende die letzten Wochen organisiert und ich freute mich schon seit Tagen darauf.

Ich nickte als Antwort auf seine Frage und stellte erfreut fest, wie sein Blick weich wurde und erleichtert die Luft ausstieß. "Und du?", fragte Kuroo plötzlich von der anderen Seite des Tisches Kenma. Ich drehte mich herum und sah, wie Kenma unter unseren Blicken ganz rot wurde. "Ich gehöre doch nicht zur Sportfakultät", murmelte er betreten und schaute uns nicht an. Kuroo zuckte mit den Schultern und antwortete: "Aber zum Grillen kannst du doch kommen, oder?"

Beide schauten nun mich an. Eigentlich war das Grillen am letzten Abend nur für Teilnehmer des Trainingscamps. Doch manchmal musste man ein paar Regeln zurechtbiegen, um dem Glück auf die Sprünge zu helfen. Also zuckte ich mit den Schultern. "Es werden so viele da sein, dass keiner den Überblick behält, wer dazu gehört und wer nicht", zwinkerte ich und sah Kenma eindringlich an. Nutze gefälligst die Chance!

Kenma blickte noch einmal unsicher in die Runde und lächelte dann zaghaft Kuroo zu, der seine Freude darüber kaum unterdrücken konnte, sondern ihn fröhlich umarmte und dann aufsprang. "Komm schon, Kapitän. Das Training wartet", sagte er und wurde durch ein Räuspern der Bibliothekarin darauf aufmerksam gemacht, dass wir immer noch an einem ruhigen Ort waren.

"Ich freu mich auf dich", flüsterte Oikawa in mein Ohr, als er sich zu mir nach vorn beugte. Seine Lippen strichen über mein Ohrläppchen und verursachten eine Gänsehaut, während sein Zedernduft um meine Nase spielte. Er hatte es mittlerweile raus, seine Pheromone gezielter einzusetzen und mich damit ganz wuschig im Kopf zu machen.

Als wir wieder allein waren, hörte ich wie Kenma die angehaltene Luft auspustete. "Ich glaube, meine Seele hat grad ganz kurz meinen Körper verlassen", sagte er und legte sich tatsächlich eine Hand auf die Brust. "Habe ich irgendetwas peinliches gesagt?" Ich grinste nur breit und antwortete: "Außer, dass du rot wie eine Tomate bist, ist nichts passiert." Kenmas Wangen wurden, wenn möglich, noch dunkler.

"Aber hey, du kannst Kuroo wiedersehen", fügte ich munter an. "Ein Abend mit gutem Essen, Alkohol und einer ruhigen Ecke auf dem Campus ist doch prädestiniert dafür, dass es gut laufen wird." Kenma schüttelte den Kopf. "Hör auf", murmelte er und schloss seinen Laptop. Sein Fluchtinstinkt, den ich mittlerweile aus jeder Situation, die ihn in den Mittelpunkt rückte kannte, kickte wieder. Ich nahm es still hin, hatte ich doch gelernt, dass Kenma diesen Rückzug brauchte. Doch irgendwann wird er aus seinem Schneckenhaus kommen müssen, wenn er Kuroo für sich gewinnen wollte.

"Machst du dir Sorgen wegen der ganzen Alpha?", fragte er, als er aufstand und wir uns unseren Weg durch die Regalreihen nach draußen machten. Ich zögerte, entschied mich dann jedoch, mich Kenma anzuvertrauen: "Ich hab ein bisschen Schiss, dass das gleiche wie bei der Semestereröffnung passiert. Meine Hitze sollte zwar erst danach kommen, doch das heißt nicht, dass mich Alphapheromone nicht vorzeitig in diese treiben können." - "Warum fragst du nicht Oikawa, ob er davor mit dir schläft? Das machen doch viele Omega", fragte Kenma neugierig und gab mir den Vortritt auf den überfüllten Gang des Seminargebäudes.

Ich schüttelte eindringlich den Kopf. "Kommt nicht in Frage, das kann ich nicht von ihm verlangen. Wir sind nicht zusammen oder haben irgendeine Absprache dahingehend getroffen. Was ist, wenn meine Pheromone ihn zu weit treiben und er mich beißt? Nein, das kann ich ihm nicht antun. Ich nehme vorsichtshalber wieder zwei Blocker und gut ist", sagte ich eindringlich. "Weil das ja letztes Mal so gut funktioniert hatte", murmelte Kenma, doch ließ es gut sein. Ich hatte genau den gleichen Gedanken, wie er. Doch wie gesagt... meine Hitze sollte eigentlich nicht kommen. Und die Jungs werden auf Juto achten, das hatten sie mir versprochen.

Mit dem Gedanken setzte ich einen grimmigen Blick auf und griff den Gurt meiner Tasche fester.

Drowning in your pheromones || Oikawa x KageyamaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt