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Ich wünsche euch einen schönen Sonntag. Ich liege gerade am Wasser und dachte an die, die sich vielleicht lieber in die schattige Wohnung zurückgezogen haben. Da habt ihr was zu lesen :)

Raf steuerte durch die Menschenmenge auf die Theke zu. Er war nicht mehr weit entfernt, als er sie erkannte. Neben ihr stand immernoch ihre Freundin, sprach allerdings mit einem Typen. Vermutlich war das die beste Chance, die Raf bekam.

Er schob sich durch die letzte Menschentraube und lehnte sich dann gegen die Theke. Clara hatte ihm den Rücken zugedreht und ihn noch nicht bemerkt. Für einen Moment zögerte er, dann lehnte er sich leicht nach vorne, sodass seine Brust nur ganz leicht ihren Rücken berührte.

"Ich hätte nicht gedacht, dass du gerne feiern gehst.", Clara schien sich zu erschrecken, als sie seine Stimme an ihrem Ohr hörte, lächelte aber, als sie ihn erkannte.

"Dann hast du wohl falsch gedacht. Ich gehe selten, aber gerne feiern.", bemerkte sie und verzog den Mund zu einem leichten Schmunzeln. Sie drehte sich mit ihrem ganzen Körper zu ihm um. Raf deutete das als gutes Zeichen. Offenbar wollte sie ihn nicht direkt wieder loswerden.

"Dann ist es wohl Zufall, dass wir uns heute hier getroffen haben.", stellte er grinsend fest. Was ein Glück! Er bemerkte, wie Claras Blick über ihn glitt und kurz an seinen Oberarmen hängen blieb. Offenbar hatte sich das Training wirklich ausgezahlt, denn sie schürzte die Lippen, ehe sie ihm wieder ins Gesicht schaute.

"Ich glaube nicht an Zufälle.", sie schien vergnügt, als sie ihm wieder in die Augen schaute. Raf zog bewundernd die Augenbrauen hoch. Was war denn los mit ihr? Er mochte diese Seite an ihr - zumindest solange sie nur zu ihm so offensiv war. Vielleicht machte Alkohol sie einfach lockerer, aber es wirkte so als wäre ihr eine Last von den Schultern gefallen.

Claras Freundin hatte offenbar das Gespräch mit den Typen beendet, denn sie schaute über Claras Schulter und schaute Raf überrascht an. Er sah, wie sie etwas zu Clara sagte und die lachte leise. Für ihn klang es nach "Das ging ja schneller als gedacht", aber sicher war er sich nicht.

"Ich bin Kathi.", die Freundin reichte Raf die Hand und er nahm sie kurz an. Es war ihm eigentlich völlig egal, aber vermutlich sollte er sich das nicht anmerken lassen.

"Raphael.", antwortete er. Kathis Augen weiteten sich etwas. Raf bekam das Gefühl, sie hatte schon etwas von ihm gehört. Hatte Clara etwa ihren Freundinnen von ihm erzählt?

"Weißt du, Raphael, unsere Clara hat heute etwas zu feiern. Vielleicht feierst du ja mit ihr.", Kathi grinste breit und zwinkerte ihm zu, ehe sie sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und verschwand. An ihrer Tonlage hatte man eindeutig gehört, dass sie es zweideutig gemeint hatte. Raf schaute ihr erstaunt hinterher, dann blickte er zu Clara, die die Hand vor das Gesicht geschlagen hatte. Ihre Gesichtsfarbe hatte sich leicht rötlich verfärbt. Raf griff vergnügt nach ihrer Hand und zog sie vor ihrem Gesicht weg.

"Sorry.", Claras Stimme war leise. Es war offensichtlich, dass ihr Kathis Aussage unangenehm war, aber Raf hatte seinen Spaß. Das hier lief alles besser als erwartet.

"Weswegen? Ich würde gerne mit dir feiern. Aber sagst du mir auch was?", er hatte ihre Hand nicht losgelassen und Clara hatte sie auch nicht weggezogen. Sie war noch etwas röter geworden und knabberte an ihrer Unterlippe. Sanft strich Raf mit seinem Daumen über die Handfläche. Seine Hand berührte ihre Haut und er stellte fest, wie hell ihre Haut im Vergleich zu seiner war. Überhaupt sah man ihr an, dass sie aus Skandinavien kam - diese hellblonden Haare, die strahlend blauen Augen und eben diese helle Haut. Gott, sie war gar nicht sein Typ... eigentlich. Dennoch schlug sein Herz deutlich schneller, als sie ihn leicht anlächelte. Offenbar hatte sie die Situation verarbeitet und sich entschieden, es zu ignorieren.

"Äh ja klar. Ich habe seit dieser Woche meinen Doktortitel. Das feiern wir.", gab sie stolz von sich.

Raf riss die Augen auf. Sie hatte was? Schlagartig wurde ihm bewusst, dass Shaho anscheinend Recht gehabt hatte. Sie war wirklich viel zu intelligent für ihn. Er kannte keinen Menschen, der seinen Doktor hatte, geschweige denn eine Frau. In seinem Leben hatte er sich nie wirklich mit intelligenten Frauen umgeben.

"Herzlichen Glückwunsch. Ich dachte, du würdest studieren.", sagte er und er freute sich tatsächlich wirklich für sie. Vielleicht wirkte sie auch deshalb heute so gelöst und glücklich.

"Danke.", sie lächelte ihn an.

"Dagegen wirkt mein Grund zu feiern ziemlich langweilig.", stellte er nüchtern fest. Clara schmunzelte, dann beugte sie sich etwas nach vorne. Raf konnte so einen Blick in ihren Ausschnitt erhaschen und musste sich zusammenreißen, damit er wieder wegschaute. Ob er sie wohl jemals aus ihren Klamotten bekommen würde?

"Ich möchte ihn aber trotzdem gerne hören.", sie war ihm ziemlich nah gekommen und er konnte ihr Parfüm riechen. Es gefiel ihm. Innerlich seufzte er. Machte sie ihn absichtlich so verrückt und ließ ihn nachher abblitzen oder hatte sie tatsächlich Interesse an ihm?

"Ich habe heute Geburtstag!", Raf ließ ihre Hand los und stützte sich auf dem Thresen ab. Clara schaute ihn überrascht an.

"Herzlichen Glückwunsch. Feierst du hier? Sind das dahinten alles deine Freunde?", fragte sie und schien wirklich neugierig. Sie hatte den Abstand zu ihm nicht wieder erweitert. Stattdessen ließ sie ihren Blick noch einmal über seine Oberarme gleiten. Sie schaute sich die Tattoos genau an.

"Ja, kann man so sagen.", er nickte und fragte sich, wie sie wohl darauf reagieren würde, wenn er sie noch einmal anfassen würde. Er wollte nicht übergriffig oder cringe wirken, aber er hatte das Bedürfnis ihr diese eine Haarsträhne hinter das Ohr zu streichen, nur damit er sie berühren konnte - er wollte sehen, wie sie reagierte.

"Möchtest du denn nicht mit denen feiern, anstatt hier mit mir zu reden?", fragte sie überrascht. Raf lachte auf. Hatte er ihr nicht deutlich genug gemacht, wie gerne er mit ihr sprach?

"Nein, eigentlich nicht!", stellte er fest und zwinkerte ihr zu. Clara weitete überrascht die Augen. Für einen Moment schien sie nachzudenken, dann funkelten ihre Augen wild auf. Der Ausdruck in ihrem Gesicht hatte sich verändert und ehe Raf sich umschauen konnte, hatte sie einen Schritt auf ihn zugemacht und legte die Hände auf seine Brust.

Er stellte fest, wie sie sich auf die Zehenspitzen stellte, damit sie ihm in die Augen schauen konnte. Er konnte nicht anders - er fand es niedlich.

"Dann lass uns zusammen feiern!", murmelte sie und im nächsten Moment berührten ihre Lippen schon seine.

Calm downWo Geschichten leben. Entdecke jetzt