02 | Mission aus dem Weg gehen

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„Wie war dein Physik-Test?" Kiki Moore, eine meiner besten und einzigen Freundinnen, sah von ihrem Textbuch auf, als ich mich zu ihr in die Bibliothek setzte. Willa Carpenter, die dritte im Bund, sah mich ebenfalls gespannt an.

„Eine Katastrophe", erklärte ich euphorisch. Ich war zwar nicht glücklich, aber die andere Möglichkeit wäre gewesen, mitten während der Prüfung loszuheulen, was noch erniedrigender war als der Fakt, dass ich die Hälfte der Aufgaben nicht einmal verstanden hatte.

„Vielleicht ist es besser gelaufen, als du glaubst." Willa warf mir ein aufmunterndes Lächeln zu und rückte ihre Brille zurecht, aber ich schüttelte nur den Kopf.

„Definitiv nicht. Aber ich habe einen Plan."

„Wie du deine Note retten kannst?"

Ich fischte die neuste Ausgabe der Cosmopolitan aus meiner Tasche. „Was? Nein. Natürlich nicht – das ist ein Problem für später. Ich habe einen Plan, wie ich nie wieder mit dem Feuerwehr-Kurs in Verbindung komme."

Kiki zog eine ihrer perfekten Augenbrauen in die Höhe. Ihre dunklen Locken waren zu Braids geflochten, die ihr beinahe zur Hüfte reichten. Während ich davon träumte, Modedesignerin zu werden, wollte Kiki unbedingt ein Model werden. Sie hatte unendlich lange Beine, perfekte braune Haut, und ein umwerfendes Lächeln, das jeden in ihren Bann zog. Willa war die Einzige von uns, die nichts mit Mode zu tun haben wollte. Seit sie ein Kind war, wollte sie in der Bäckerei ihrer Eltern arbeiten und diese schließlich übernehmen. Während die beiden für ihren Traumberuf nicht unbedingt perfekte Noten brauchten, lernte ich Tag und Nacht, um einen guten Notenschnitt zu haben, der mich in die New York School Of Design brachte. Nun, zumindest arbeitete ich daran.

„Ist Johnny nicht auch da?"

„Doch. Aber er ist ein Teil des Problems."

„Weil er dich davor bewahrt hat, an einer Rauchvergiftung zu sterben?"

Ich warf Kiki einen scharfen Blick zu. „Weil er mich hasst."

„Johnny hasst niemanden. Ich denke nicht, dass dieser Kerl einen bösen Knochen in seinem Körper besitzt."

Musste ich erwähnen, dass Kiki ein Fan von Johnny war? „Das kannst du nicht wissen. Er wäre bestimmt froh darüber, wenn er mir nicht mehr gegenübertreten müsste."

„Bekommst du nicht all deine Handtaschen zurück, wenn du dort mitmachst?"

„Doch, aber Dad wird sowieso nicht merken, ob ich hingehe oder nicht, wenn er nie zuhause ist." Kiki und Willa tauschten einen bedeutungsvollen Blick. Sie hassten den Fakt, dass meine Eltern sich keine Zeit für mich nahmen, aber für mich war das normal. Es hatte auf jeden Fall seine Vorteile. „Grandma wird es ihm schon nicht erzählen." Sie hielt genauso wenig von dem Verhalten ihres Sohns wie Kiki und Willa, weshalb sie mich praktisch adoptiert hatte und ihre Loyalität galt hu einhundert Prozent mir.

„Willst du dem Ganzen nicht eine Chance geben? Vielleicht würde es dir guttun, einmal in einer Gruppe zu sein." Willa sah auf das Katzen-Comicheft vor ihr, um meinen Blick zu meiden.

„Wir drei sind eine Gruppe." Willa, Kiki und ich waren zwar keine Außenseiterinnen hier, aber wir waren auch nicht beliebt. Zumindest war ich es nicht. Willa war die weibliche Version von Johnny – alle mochten sie, weil sie stets freundlich war. Kiki hatte so viel Charisma, dass es für die ganze Bevölkerung von Coral Terrace gereicht hätte. Ich fand hingegen immer einen Weg, mich von der Welt abzukapseln, wenn ich nicht gerade mit meinen Freundinnen irgendwo war. Meine Kopfhörer waren mein Exoskelett. Ich wusste, dass ich durch meine teuren Klamotten und einige selbstgenähten Stücke auffiel, aber unsere Mitschüler und Mitschülerinnen hielten sich von mir fern.

Heart on Fire [LAUFEND]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt