06 | Herzgesicht

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„Versteckst du dich gerade unter einem Tisch?"

Ich erstarrte. Nicht gut, nicht gut, nicht gut. Alarmstufe rot, ding ding ding. „Genau genommen suche ich nach meiner Sonnenbrille."

Johnny ging in die Hocke, um mit mir auf Augenhöhe zu sein. „Du meinst die Sonnenbrille, die auf deiner Nase hockt?"

Ich biss mir auf die Zunge. Das war nicht mein hellster Moment, so viel konnte ich zugeben. „Nein, ich suche meine andere Sonnenbrille." Ich machte eine große Show daraus, den Boden mit meinen Augen abzusuchen und dann unter dem Tisch hervorzukriechen. „Tja, ich muss sie wohl irgendwo anders zurückgelassen haben."

Johnny rollte mit den Augen, aber immerhin hatte er den Teddybären, den ich gefunden hatte, nicht gesehen. Ich wollte nicht, dass er glaubte, dass seine kleine Party oder eine der Anwesenden mir etwas bedeutet hatten, denn das war definitiv nicht der Fall. Ich hatte lediglich einen humanitären Schub gehabt, was womöglich an meiner Überdosis an Erdbeermilchshakes lag.

„Hast du nicht gesagt, dass dein Vater deine Handtaschen erst ersetzen würde, nachdem dieser Kurs vorbei ist?" Johnny beäugte meine rote, überdimensionale Designertasche, die ich nur gewählt hatte, um Milas neuen Teddybären darin zu verstauen.

„Doch."

„Du trägst jedes Mal eine andere Handtasche, wenn ich dich sehe. Du willst mir ehrlich sagen, dass du noch mehr davon haben willst?"

Ich gab mir Mühe, nicht überrascht zu sein. „Das ist dir aufgefallen?" Ich konnte nicht viel mit Johnny verbinden, aber der Fakt, dass er sich offensichtlich merken konnte, was für Handtaschen ich dabeihatte, besorgte ihm immerhin einen winzigen Bonuspunkt. Nicht, dass das von Bedeutung war, denn er hatte ungefähr schon eine Million Minuspunkte.

„Ist das deine Definition von tiefgründig, Wheeler?"

„Es ist meine Definition von Johnny-Townsend-ist-noch-nicht-so-ein-verlorener-Fall-wie-ich-ursprünglich-vermutet-habe."

Er schnaubte. „Sympathisch."

Ich zuckte mit den Schultern. „Gibt es irgendeinen Grund dafür, dass du meine Suchaktion unterbrochen hast?"

Johnnys Gesicht wurde plötzlich ernst und er räusperte sich. „Hast du einen Moment Zeit für mich?"

„Nein?"

Johnny rollte mit den Augen. Vielleicht hätte ich die Frage entschlossener verneinen sollen. „Ich muss mit dir reden, Liz."

Ich verzog mein Gesicht. „Ich habe definitiv keine Zeit. Tut mir leid. Vielleicht später?" Wohl eher nie.

Ich wollte mich an Johnny vorbeidrücken, aber er umfasste meinen Arm. Er sah mich lange schweigend an, ehe er seufzte und zum Stand deutete, den ich erfolgreich hinter mir gelassen hatte. „Du darfst mein Gesicht bemalen, während ich mit dir rede."

Ich redete mir ein, dass ich mich nicht bestechen lassen würde, aber das war ein Angebot, das ich nicht einmal an einem schlechten Tag ausgeschlagen hatte. „Und wenn ich noch nicht fertig bin, wenn du es bist?"

Johnnys Kiefer zuckte. Scheinbar war ihm Semantik genauso wichtig wie mir. „Du darfst mein Gesicht bemalen, bis du fertig bist." Ein Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus. Er seufzte. „Wir sind nicht die Einzigen hier, Liz. Du könntest wenigstens versuchen, mit deiner künstlerischen Ader anständig zu bleiben."

Ich gluckste. „Worin wäre der Spaß darin?" Nicht, dass ich vorhatte, mich mit Johnny oder seiner schlechten Laune anzulegen. Ich war ein beschäftigter Mensch, vielen Dank auch. Es war nicht meine Schuld, dass er mir die Erlaubnis erteilt hatte. Ich ging zum meinem ehemaligen Stand und legte meine Tasche auf den Tisch. Sie war definitiv nicht dafür gemacht, auf dem Gras zu liegen. Johnny blieb einige Schritte neben mir stehen.

Heart on Fire [LAUFEND]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt