Es war gefährlicher denn je, aus dem Haus zu gehen. Nicht, weil ich in einer Nachbarschaft mit einer hohen Kriminalitätsrate wohnte - meine Grandma hatte sich extra eine sichere Wohngegend ausgesucht. Das Problem war, dass Johnny mich auf keinen Fall hier sehen durfte. Ich war keine ängstliche Person, aber der Gedanke, dass er sich in mein Leben einmischen und mich zu einer wohltätigen Person machen wollte, war beängstigend. Nichts, dass ich grundsätzlich etwas gegen wohltätige Menschen hatte, ehrlich gesagt brauchte es mehr von ihnen. Der Haken an der Sache war, dass ich, um mich mit den Problemen anderer Menschen befassen zu können, anerkennen musste, dass Probleme nicht nur eine Erfindung waren und mein Leben ebenfalls nicht so perfekt war, wie ich es mir gerne einredete. Ja, das war keine Gesunde Haltung von mir, bla bla bla, ich war eben kein perfekter Mensch.
Ich starrte konzentriert aus dem Fenster und wartete darauf, dass Johnny sein Haus um Punkt zwei Uhr verließ, damit ich Grandmas Einkauf tätigen konnte. Sie war heute mit Kopfschmerzen aufgewacht, weil sie gestern mit ihren Freundinnen zu viel Brandy genossen hatte, und hatte mir deshalb den Auftrag gegeben, unseren Kühlschrank wieder zu füllen. Ich verkniff mir den Kommentar, dass ich immer für sie shoppen ging.
Das Telefon klingelte und ich fluchte leise, während ich mich vom Fenster entfernte, um ranzugehen. Hoffentlich würde ich den Moment nicht verpassen, in dem die Luft wieder rein war. „Hallo?", sagte ich ungeduldig ins Telefon und positionierte mich wieder Fenster oder zumindest so nah dran, wie das Telefonkabel es zuließ. Wer hatte in diesem Jahrhundert überhaupt noch ein Haustelefon? Mit Kabel.
„Liz? Bist du das?"
„Oh. Hi, Dad." Ich zwang mich, gelassen zu klingen, während ich auf meiner Lippe kaute. Wo zum Teufel blieb Johnny? War er krank? Ich hätte darauf gewettet, dass jeder Knochen in seinem Körper gesund war, weil er ständig nett zu allen war und die daraus resultierenden Endorphine ihn mit lebenslanger Glücklichkeit versorgten. Das war doch, wie es funktionierte?
„Ich habe gehört, dass du am Samstag nicht zum Feuerwehr-Kurs erschienen bist."
Johnny hatte das erzählt? So ein kleiner Verräter. Ich räusperte mich. Täuschte ein Husten vor. „Oh. Ja." Und ich hustete gleich noch ein bisschen mehr.
„Bist du etwa krank?"
Ein drittes Husten, um die Performance auf die Spitze zu treiben. „Äh, ja. Ich wollte dich aber nicht damit stören."
Er seufzte und ich rollte mit den Augen. Jeder andere Mensch wäre in der Lage gewesen, mein Schauspiel zu entlarven – es war definitiv nicht von guter Qualität, aber Dad glaubte alles, was ihm auch nur halbwegs in den Plan passte. „Du weißt, dass du immer mit mir über solche Dinge reden kannst, nicht wahr, Liz?"
Nein. „Natürlich." Der Rasen, der Grandmas Haus von Johnnys trennte, war noch immer unbewandert. Hatte ich ihn verpasst, als ich ans Telefon gegangen war?
„Okay. Wieso hast du dir dann eine Mani- und Pediküre machen lassen, als du krank warst?"
Verdammt. Ich hatte vergessen, dass Dad die Auszüge meiner Kreditkarte sehen konnte. „Mom sagt doch immer, dass das der Seele guttut. Und eine gesunde Seele heilt den Körper, nicht wahr?" Der Satz war so kitschig, dass ich beinahe wirklich krank wurde. Solche Aussagen hinterließen bestimmt bleibende Schäden bei einer Person und niemand konnte mich vom Gegenteil überzeugen.
„Ich denke nicht, dass du auf deine Mutter hören solltest. Du siehst sie höchstens einmal im Jahr, Liz." Dad ließ sich auch nicht unbedingt häufiger blicken.
„Sie klingt sehr weise." Mom war jedes Mal betrunken, wenn ich sie sah. Weise war das letzte Wort, das sie gut beschrieben hätte, aber manchmal musste man kreativ werden, um seine eigenen Ziele zu erreichen.
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Heart on Fire [LAUFEND]
Humor„Ich habe Angst, dein Gesicht zu ruinieren, falls das hier schiefgeht!" „Mit deinem Lippenstift?" „Mit dem Absatz meiner Stiefel." ----------- Liz Wheeler hat nur ein Ziel: An ihrer New York School of Design angenommen zu werden. Niemals hätte sie d...