23 | Der Nutzen von einer Handtasche und Stiefeln

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Nun, vielleicht war der Familien-Wettbewerb zehn – und damit meinte ich wohl eher zehntausend – Prozent weniger unterhaltsam, wenn kein einziges Familienmitglied anwesend war. Nicht einmal meine Grandma war hier und sie schlug normalerweise keine Gelegenheit aus, um sich mit ihren Freundinnen zu betrinken und über jeden Einwohner dieser Stadt zu lästern.

Ich hatte ohnehin genug von diesem kleinen Fest gehabt und da nun offiziell Eltern da waren, mussten wir uns immerhin nicht mehr in der Nähe des Heuhaufens aufhalten und ich musste mich nicht mehr damit zufriedengeben, wie ein Minion auszusehen. Was mehr oder weniger die einzigen Ziele in meinem Leben waren. Johnny hatte mir angeboten, dass ich mit seiner Familie spielen konnte, aber das war eine schreckliche Idee, denn ich konnte nicht einmal meine eigenen Eltern dazu bringen, sich mit mir zu befassen, wie konnte ich dann erwarten, dass andere mich in ihr Team für ein sinnloses Festspiel aufnahmen?

Stattdessen hatte ich vorgegeben, dass ich auf die Toilette gehen musste, von wo ich Johnny anrufen konnte, um ihm zu erzählen, dass ich meine Periode hatte und nach Hause wollte. Er konnte übers Telefon schließlich nicht hören, ob ich log, nicht wahr?

„Hey, hör auf!"

Ich stockte in der Bewegung. Ich hatte mich zwar bereits vom offiziellen Festgelände entfernt, aber das war nur, weil hier die Toiletten waren. Zugegebenermaßen war es ein wenig unheimlich hier, weil das der Parkplatz für die Lieferwagen war, aber...

„Nash, bitte!" Okay, ich hatte mich definitiv nicht verhört. Ich atmete tief durch. Ich wusste nicht, was mich gleich erwarten würde, aber ich kannte diese Stimme und ich wusste, wer Nash war. Ich war noch nie so glücklich gewesen, dass ich meine Tasche zur Toilette mitgenommen hatte.

„Hilfe!" Ein Schluchzen erklang. „Nash, hör auf!"

Ich hatte einen Pfefferspray. Ich musste ihn nur kurz hervorholen, denn ich konnte definitiv niemanden schlagen, ohne mir meine Hand zu brechen oder meine Nägel zu verlieren und ich hatte sonst keine anderen...mein Blick fiel auf meine Stiefel. Ja, die sollten definitiv gehen.

Ich rannte zu dem Lastwagen, von wo ich das Schluchzen gehört hatte. Ich trug zwar nur noch Socken und ich war mir ziemlich sicher, dass es hier Scherben hatte, aber das war mir egal.

„Nash, bitte, hör auf", wimmerte die Stimme wieder, nur dass es diesmal keine Stimme war, sondern...Willa. Ich stockte in der Bewegung. Nash-...ich schluckte. Nash drückte sie auf den Boden, ihr Top beinahe über den Kopf gezogen, zumindest weit genug, um ihre Oberweite zu offenbaren, während ihre Hosen um ihre Oberschenkel hingen.

„Geh weg, Liz", knurrte er zu mir, machte aber keine Anstalten, sich von Willa zu entfernen.

„Lass sie los", entgegnete ich, wobei ich versuchte, die Worte in einem neutralen Ton auszusprechen. Ich konnte ihm nicht den Hals brechen. Das war strafbar.

„Verschwinde hier. Willa und ich haben einen privaten Moment hier."

Er warf ihr einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte, aber jeglicher Kampf verschwand aus ihr. Sie sank in sich zusammen, schluckte tief und schraubte ihr Schluchzen zu stummen Tränen hinunter. „E-er hat recht", sagte sie. „Das geht dich alles nichts an, Liz."

Ich mied ihren Anblick. Ich wusste, dass ich eine schreckliche Person war, aber ich konnte sie nicht ansehen, nicht in diesem Zustand. Nash erpresste sie. In all der Zeit, in der ich mit ihm zusammen gewesen war, hatte er nie etwas mit mir gemacht, aber was, wenn ich diese Person in ihm einfach nicht erkennt hatte? Was, wenn er dasselbe mit Kiki getan hatte und sie sich einfach nicht getraut hatte, mir die Wahrheit zu erzählen?

Ich näherte mich den beiden noch einige Schritte, mit meiner Handtasche in der einen Hand und den Stiefeln in der anderen. „Lass sie los, Nash." Diesmal war es mir egal, ob er die Wut in meiner Stimme hörte, ehrlich gesagt hoffte ich sogar, dass er es tat. Ich war zu freundlich zu ihm gewesen. Ich hatte Willa und Kiki allein mit ihm gelassen. Ich hatte nicht einmal in Erwägung gezogen, dass so etwas geschehen könnte.

Heart on Fire [LAUFEND]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt