Kapitel 7

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Jess

Durch die Frontscheibe meines Autos starre ich hinaus zum Möbelhaus und wage es kaum mich zu bewegen. In zehn Minuten beginnt meine Schicht, doch ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen dieses friedliche Innere meines Autos zu verlassen.

Ich weiß nicht wie ich es die ganze letzte Woche geschafft habe und ich habe auch ganz schleierhafte Erinnerung, an meine Arbeitszeit. Wahrscheinlich war ich nur körperlich anwesend. Es hat mir weh getan und ich hatte auch Angst Damian zu begegnen, aber heute wird es mir irgendwie noch viel bewusster.

Möglicherweise liegt es daran, dass ich meine angestauten Gefühle losgelassen habe, und mich innerlich viel klarer sehe, doch ich dachte eigentlich, dass ich jetzt mit der Situation besser zurechtkomme.

Anscheinend habe ich mich getäuscht, denn mein Herz schlägt mir bis zum Hals, allein wenn ich daran denke diese Tür rein zu marschieren. Aber da muss ich jetzt wirklich durch - es gibt kein Entkommen.

Tief durchatmend mache ich die Tür auf, setze einen Fuß nach dem anderem auf den Asphalt, schließe das Auto ab und laufe langsamen Schrittes durch die gläserne Eingangstür.

Als ich bei Frau Schütz an der Info stehe, fragt sie, wie es mir geht und sagt mir dann nach kurzem Smalltalk, dass ich heute in der Wohnabteilung eingeteilt bin.

Genauso wie die letzte Woche verzichte ich auf meinen Kaffee, um das Schicksal Damian zu begegnen, nicht unnötig herauszufordern. Ich hoffe Sandra wird wieder so nett sein und mir mein Lebenselixier an den Schreibtisch bringen.

Und tatsächlich, kaum bin ich an meinem Platz angekommen, höre ich ihre Pumps auf dem Boden klackern. Sie ist die Einzige außer mir, die solche bei der Arbeit trägt.

„Hey, hey. Lieferservice ist da!", witzelt sie, als sie mir die Tasse reicht.

„Du bist ein echter Schatz, danke." Ich greife nach der heißen Tasse und nehme sofort einen Schluck daraus.

„Er ist heute übrigens nicht da."

Mein Blick huscht augenblicklich wieder zu Sandra. „Okay. Weißt du wieso?"

„Nein, aber ich weiß, dass er heute wohl Home Office macht."

Ich muss mir ein Lächeln verkneifen. „Woher hast du das denn schon wieder?"

Sandra kichert und setzt sich auf meinen Schreibtisch, die Beine übereinanderschlagend, und nippt an ihrem Kaffee. „Ich habe mitbekommen, wie Herr Schmitt es an Frau Schütz weitergegeben hat."

Jetzt muss ich wirklich lachen. „So ganz zufällig, ja?" In dem Moment wird mir bewusst, dass Sandras Fähigkeiten jede Info mitzubekommen zum ersten Mal für mich von Vorteil sein könnten.

„Ja echt, ich bin ganz zufällig in dem Moment vorbeigelaufen." Sie schmunzelt, als sie meinen ungläubigen Blick sieht. „Ja, okay. Ich habe nur 'Herr Marx' gehört und habe mich sofort daran erinnert, dass ich ja gar keinen Kugelschreiber mehr am Arbeitsplatz habe und den musste ich dann an der Info holen."

„Du hast echt Talent!" Ich nicke ihr bewundernd zu und sie zuckt frech grinsend mit dem Schultern.

„So, ich muss jetzt los, mein Termin kommt bald. Lass dir den Kaffee schmecken. Vielleicht kriege ich noch raus, wieso und wie lange Damian Home-Office macht." Sie rutscht vom Tisch und setzt sich in Bewegung.

„Weißt du, man könnte auch ganz einfach Herrn Schmitt danach fragen."

„Klar. Aber dann wäre es nicht so spannend ..." Verschmitzt lächelt sie, als sie mir zum Abschied winkt.

Jess - Power of DecisionsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt