Kapitel 25

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„Komm her, mein kleines Pummelchen ...«, nuschle ich vor mich hin und greife in das Babybettchen, um den quirligen Sonnenschein hochzuheben. „Komm zu Tante Jessy. Du hast bestimmt schon die Nase voll von deiner Mama. Ich weiß, sie kann nerven." 

„Das habe ich gehört!", schreit Melanie aus dem Nebenzimmer und kommt im nächsten Augenblick angewackelt.

In einer Shorts, die eher Paul gehört, und einem zerknitterten T-Shirt, präsentiert sie sich schnaufend im Türrahmen. Ihre Haare wild zusammengeknotet, wobei sich ein Teil bereits aus dem Haargummi gelöst hat und einfach nur wild an den Seiten runterhängt. Auf dem Shirt sind ein paar undefinierbare Flecken, die sich anscheinend nicht mehr rauswaschen lassen.  

„Wer hier nervt, ist die Frage!", beschwert sie sich weiter. „Ich habe ihn erst vor einer Stunde gestillt und jetzt meckert er schon wieder. Es könnte ja so einfach sein, wenn er mal ordentlich trinken würde, aber nein, er muss mich auf Trab halten. Ich fühle mich mittlerweile, wie eine Milchkuh! Als wäre ich jetzt nur noch dafür zuständig." 

Schmunzelnd küsse ich den kleinen Leon auf die weiche Backe, habe dabei den unverwechselbaren Babygeruch in der Nase. „Sie weiß noch nicht, dass es noch viel anstrengender mit dir wird, kleiner Pupser." 

„Und trotzdem gibt es nichts schöneres auf dieser Welt ..." Lächelnd nimmt sie mir ihren Sprössling ab, begibt sich zum Sessel und legt ihn an. Sofort wird der Kleine ruhiger und nuckelt zufrieden, während Melanie dabei zärtlich seine Hand streichelt. 

„Das stimmt wohl", gebe ich ihr Recht. 

„Weißt du, ich hätte nie gedacht, dass sich die Prioritäten so sehr ändern, wenn man ein Kind hat. Dass man eine ganz andere Sicht auf das Leben hat. Dass alles einen ganz anderen Wert hat." 

„Dass ich diese Worte jemals von dir hören würde ...", necke ich meine frühere Partymaus. 

„Ja, ich weiß." Sie lacht etwas verlegen. „So ändern sich die Zeiten. Eigentlich war ich immer die, die euch alle überreden musste auszugehen, und jetzt bin ich die, die daran nicht mal denken möchte. Wenn ich mir jetzt vorstelle, mich stundenlang aufzuhübschen und dann auch noch die laute Musik ... Scheiße, bin ich prüde geworden ... Im Schlabberlook wenigstens mal eine Stunde in Ruhe einen Film anzugucken und Eis in sich zu löffeln, wäre ein Highlight." 

Belustigt kichere ich über ihren entsetzten Gesichtsausdruck über die eigene Aussage. 

„Mach dir keine Sorgen, es wird auch wieder besser." Ich beuge mich zu ihr runter und drücke ihr ein Küsschen zur Verabschiedung auf die Wange. „Und bis dahin, genieß diese Party." 

„He?" 

Ich ziehe die Schnur an Leons Spieluhr und lächle zufrieden, als die schönsten Töne Mozarts den Raum erhellen. Melanie schüttelt nur belustigt mit dem Kopf. 

„Bye, bye, Leon. Schlaf gut." Ich winke Melanie nochmal zu. „Und liebe Grüße an Paul." 

Wieder an der frischen Luft angekommen, atme ich erstmal durch. Es riecht nach Sommer. So richtig nach Sommer! Ich freue mich so wahnsinnig auf heute. Zu lange habe ich meine Nase in die Bücher gesteckt, jetzt wird es Zeit für eine Pause. 

So, wie wir es uns mit unseren Freunden vorgenommen haben, so werde ich mich auch daran halten, egal was ist. Einmal im Monat treffen wir uns, und heute ist es soweit. Also habe ich diese Woche noch mehr lernen müssen, um mir den heutigen Tag freizuschaufeln. Und das, obwohl nächste Woche ja die letzten Semesterprüfungen anstehen. 


Es ist früher Samstagmittag und ich packe bereits die Tasche für heute zusammen. Eine Picknickdecke, ein Handtuch und ein paar Getränke verschwinden darin. Den türkisen Bikini ziehe ich schonmal unter die Jeans-Shorts und das weiße Oversize-Shirt an. Meine dichten, langen Haare binde ich zu einem hohen Pferdeschwanz am Hinterkopf und schlüpfe in die leichten Sandalen. 

Jess - Power of DecisionsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt