Kapitel 16

83 11 133
                                    

Noch immer völlig regungslos starre ich vor mich hin, als es leise an der Tür klopft. Ohne meine Zustimmung wird diese aufgeschoben und ich sehe, wie Celina sich den offenen Spalt rein traut. Man muss keine hellseherischen Fähigkeiten besitzen, um an ihrem Blick zu erkennen, dass sich Damian wohl nicht unauffällig vorbeischleichen konnte. 

Besorgt und mitfühlend bewegt sie sich zu mir und sinkt vor mich in die Hocke, um mein Gesicht zu betrachten. „Hey, was ist denn passiert?"

Ich atme tief durch und überlege, wie viel ich preisgeben möchte. Oder überhaupt. Meine Hände legen sich auf mein Gesicht, in der Hoffnung den durchbohrenden Blick meiner Freundin zu entkommen. 

„Ganz schön viel", gebe ich zurück und realisiere selbst erst jetzt das Ausmaß der letzten paar Stunden. 

So viele Höhen und Tiefen. So viele Gefühle!

„Was wollte er hier? Hat er dir was angetan?"

Immer noch die Hände vors Gesicht haltend, schüttle ich leicht mit dem Kopf. „Er hat nichts getan, was ich nicht wollte."

Dieses Brennen in meiner Brust scheint mir die Luft zuzuschnüren allein bei der Erinnerung an heute Nacht. So etwas wunderbares, gefühlvolles und gleichzeitig aufregendes habe ich noch nie erlebt. Umso tiefer kam jetzt der Fall. So, als würde ich aus einem Hubschrauber springen, aber der Fallschirm nicht aufgehen. Ich knalle gnadenlos an einen Felsen, pralle ab und falle noch tiefer an das Nächste. Jeder einzelne Knochen, alle Eingeweide trotzen vor Schmerz, doch es ist noch nicht das Ende. Der nächste Felsen folgt dem zuvor und immer weiter zieht es mich schmerzhaft den Abgrund entlang, ohne Aussicht auf ein Ende.

„Celina, ich möchte gerade nicht reden. Ich möchte bitte nur kurz alleine sein."

Sie nickt mir verständnisvoll zu, streicht noch mal über meinen Handrücken und verlässt widerwillig das Zimmer. Als die Tür zuschnappt, lasse ich meinen Körper auf das Bett fallen und liege erstmal regungslos da. Jede Bewegung tut mir weh. Vielleicht hört der Schmerz ja auf, wenn ich mich nicht bewege.

Irgendwann reiße ich die Augen wieder auf und merke dadurch, dass ich eingeschlafen sein muss. Der vertraute Geruch versetzt mich in ein Déjà-vu, doch diesmal ist niemand mit im Zimmer.

Ich vergrabe mein Gesicht in die warme Decke und merke wovon der Geruch stammt. Ich atme diesen tiefer in mich ein, vergrabe meine Finger in der weichen Bettwäsche und fühle die Vertrautheit, die nach Damian riecht.

Augenblicklich verliere ich die Kontrolle, mein Körper bebt von dem Druck des Schluchzens. So sehr ich es auch versuche mein Heulen und Stöhnen zu dämmen, weiß ich, dass es nicht funktioniert. Und es wird mir nur noch bestätigt, als die Tür erneut aufgerissen wird und Sekunden später jemand meinen Körper an sich drückt. Ich schluchze einfach weiter, vergrabe mein Gesicht an eine männliche Brust und versuche mit meinen Fingern an seinem Shirt Halt zu finden, bis ich einige Zeit später zur Ruhe komme und hochblicke.

Ein sehr besorgtes Gesicht beobachtet mich. Ich hätte angenommen Joshua wäre hier.

Als ich wieder in der Lage bin zu reden, frage ich: „Sorry ... Wieso bist du hier?"

So gut seine tröstende Umarmung auch tut, löse ich mich trotzdem langsam davon und versuche das übrige Schluchten unter Kontrolle zu bringen.

„Ich wurde von Joshua zum Frühstück eingeladen und war gerade im Bad, da habe dich gehört. Entschuldige, Celina hat mich vorgewarnt dich in Ruhe zu lassen, aber ich konnte es nicht hören, wie du weinst", antwortet Liam ehrlich.

Eigentlich bin ich froh, dass er das getan hat, denn es war gut, dass ein Freund bei mir war, an dem ich mich ausheulen konnte.

„Dann hast du ihn auch gesehen?" Ich senke wieder den Blick.

Jess - Power of DecisionsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt