Kapitel 10

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Rückblick


„Du musst mir jetzt gut zuhören Mile. Schließe die Türen und Fenster und öffne niemandem die Tür. Lass das Licht im Wohnzimmer an und bring deinen Bruder um 20 Uhr ins Bett. Pa und ich werden um 22 Uhr wieder zuhause sein. Kann ich mich auf dich verlassen, Liebling?"

Der Zehnjährige Mile nickte und umarmte seine Mutter und seinen Vater, bevor er seinen vierjährigen Bruder an die Hand nahm und sich mit ihm vor den Fernseher ins Wohnzimmer setzte. Es war 18 Uhr und sie hatten zwei Stunden, bis er seinen Bruder Kyle ins Bett bringen musste.

Es war nicht das erste Mal, dass Kyle und er alleine waren. Es machte ihm nichts aus, denn er liebte es auf seinen Bruder aufzupassen. Sein Bruder war sein ein und alles, seine zweite Hälfte. Er war die andere Hälfte seines Herzes. Ein Leben ohne ihn war unmöglich, er liebte Kyle so sehr.

Kyle liebte seinen großen Bruder, er war alles für ihn. Sein großer Bruder beschützte ihn und war immer für ihn da. Wenn ihre Eltern nicht da waren, war er derjenige, der ihn Abends zu Bett brachte und ihm Gute Nacht Geschichten vorlas. Seit er auf der Welt war, wusste er, dass er sich bei ihm wohlfühlen konnte. Er konnte sich auf ihn verlassen. Er bekam die Liebe, die ihm sonst niemand schenkte. Diese Liebe beruhte auf Gegenseitigkeit.

„Hia!"

Mile wurde aufmerksam, als Kyle sich meldete und auf die Wasserflasche deutete. Mile drehte sich zu ihm, griff nach seinem Becher und der Wasserflasche. Er reichte ihm etwas zu trinken und strich ihm liebevoll über den Rücken.

„Möchtest du etwas essen?", fragte Mile sehr fürsorglich.

„Nein Hia, Mae und Pa könnten vielleicht schimpfen, wenn wir noch so spät essen", erwiderte der Vierjährige und kuschelte sich an seinen großen Bruder, während sie es sich auf dem Sofa gemütlich machten und sich in die Decke kuschelten.

„Quatsch! Möchtest du den Erdbeerjoghurt essen? Ich habe noch zwei", sagte Mile grinsend und drückte seinem Bruder einen Kuss auf den Kopf.

„Essen wir zusammen?"

„Aber natürlich!"

„Yeah", freute sich Kyle und folgte seinem Bruder in die Küche.

Sie nahmen sich zwei Löffel, zwei Joghurtbecher mit Erdbeergeschmack und liefen wieder zurück ins Wohnzimmer. Sie setzten sich wieder auf das Sofa und aßen den Joghurt, während sie den Film, Kevin - Allein zu Haus, schauten.

Mile liebte diesen Film. Seit 5 Jahren guckte er diesen Film, jedes Jahr kurz vor Weihnachten, und die letzten zwei Jahre durfte er sich ihn endlich mit seinem Bruder ansehen. Er liebte solche Momente mit Kyle. Momente, die er mit seinem Lieblingsmenschen teilte. Die er nur mit ihm teilen wollte.

„Hia?", fragte Kyle vorsichtig und wischte sich eine kleine Träne von der Wange.

Mile weitete die Augen, schaltete den Fernseher aus, bevor er die Fernbedienung beiseite legte. Er wischte Kyle die Tränen weg, küsste seine Stirn und schüttelte den Kopf. Er wusste, dass es ihm wieder zu viel wurde. Kyle vermisse ihre Eltern, er litt sehr stark unter Verlustängsten. Es war nicht einfach für ihn, umso schwerer wurde es für den Zehnjährigen.

Seit fünf Jahren musste Mile akzeptieren, dass seine Eltern auch ihn alleine zurückließen. Jeden Abend musste er damit zurechtkommen, alleine aufzuwachsen und auf sich selbst zu achten. Seine Eltern waren da, aber die Nähe und Liebe, die er sich sehnsüchtig von ihnen wünschte, die bekam er leider nie, wie er es sich erhofft hatte.

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