14. Kapitel

641 58 4
                                    

Landon's POV

Mit einem zufriedenen Grinsen starrte ich die Akte vor mir an. John P. Crowder. Der Mann der mich wochenlang zum Narren hielt. Der Mann der meine Emily verletzt hatte. Und der Mann der nun nichts mehr hatte. Keinen Job, keine Familie, keinen Status und kein Zuhause mehr. Für viele Jahre saß er nun hinter Gittern. Und wenn er wieder aus dem Knast kommen würde, dann wäre er damit beschäftigt wieder in seinem mickrigen Leben Fuß zu fassen. Es war fast zu einfach sein Leben zu zerstören. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte ich es getan. Doch jetzt wo ich es geschafft hatte, überfiel mich das erste Mal ein schlechtes Gewissen. Bilder von meiner verängstigten Emily wanderten in meinen Kopf. Wie sie am Tag des Überfalls aufgelöst und mit verweinten Augen sich an mich gepresst hatte und mich angefleht hatte, sein Leben diese Johns nicht zu zerstören. Und dennoch hatte ich es getan. Sein Leben mit einem Fingerschnipsen zerstört. Genau wie Emily damals zerstört wurde. Sie hatte ebenfalls keinen Job, Familie, Zuhause oder Status mehr. Ich schluckte. Würde mich Emily deswegen hassen? Weil ich es zugelassen hatte? Wieder starrte ich auf das Bild in der Akte. Ausdruckslose graue Augen blickten mir entgegen. Die dünnen Lippen des Mannes waren zu einem schmalen Strich verzogen. Die braunen Haare waren nach hinten gekämmt worden. Ein normaler Bürger würde man meinen. Doch in Sachen Hacken war er verdammt gut. So jemanden wünschte sich die CIA und andere Staatsorganisationen sicher. Schade, dass er sein Talent so verschwendet hatte.

Seufzend wandte ich meinen Blick wieder ab und schaute auf die Uhr. Mist. Wir hatten schon wieder neun Uhr Abend. Ich wollte schon lange wieder bei Emily sein. Schnell stand ich auf und räumte meine Sachen zusammen. In den Wochen die vergangen waren, hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, Emily Kontrolle der Verletzungen tagtäglich zu übernehmen. Und wie es schien, gefiel es meiner Mate ebenfalls. Mittlerweile waren die blauen Flecken kaum noch zu sehen. Gott sei Dank, denn ich konnte diese Verletzungen fast nicht ertragen. Emily Haut sollte rein sein und weich. Nicht voller blauer Flecken. Ebenfalls konnte sie endlich wieder normal sitzen und atmen. Ihre Rippen waren auch wieder gut verheilt. Zu meinem Missfallen ging sie tatsächlich zur Arbeit! Aber sie ließ sich nicht aufhalten. Und so war sie jeden Tag im Laden gewesen und hatte ihre Schmerzen ignoriert. Und ich hatte ihr abends einen Vortrag darüber gehalten, während ich sie wieder eincremte. Zufrieden, dass es jetzt endlich wieder Berg auf ging, betrat ich den Aufzug und drückte den Knopf für die Präsidentensuite. Wartete meine Gefährtin schon auf mich? Ich hatte das Gefühl das Emily und ich uns jeden Tag näher kamen und sie sich mehr an mich gewöhnte. Langsam konnte auch sie sich nicht gegen die Matebindung wehren. Auch wenn sie es nicht verstand, war sie mir nicht mehr so abgeneigt. Der Aufzug setzte sich langsam in Bewegung und ich öffnete schon einmal meine Krawatte. Wie ich diese Teile hasste. Sie engten mich ein, aber leider gehörten sie in die Geschäftswelt. Zu meinem Glück öffneten sich wieder die Türen des Lifts und mit meiner Keycard öffnete ich schließlich die Zimmertür. Ein angenehmer Geruch nach Steak und Kartoffeln stieg mir in die Nase. Ich liebte diese Frau immer mehr, stellte ich fest. Und zu meinem Glück lugte Emily gerade von der Küche zu mir. "Heute hast du aber lange gearbeitet" begrüßte sie mich. Kurz darauf wurde sie rot. Ich schmunzelte. "Nicht das es mich etwas angehen würde...du hast sicherlich viel zu tun. Aber...es ist mir nur aufgefallen" schob sie schnell hinter her.

Du hast jedes Recht der Welt, mir das anzukreiden. "Es tut mir leid, oben im Büro hatte ich einfach die Zeit vergessen" und ich hatte mich zu sehr über den Niedergang des Hackers gefreut. "Ich habe schon gegessen, aber ich mache dir gerne noch Steak und Kartoffeln warm" schlug sie mir fast schüchtern vor. Sie lehnte sich an die Küchentheke und hatte schon die Schüssel halb in der Hand. Mit was hatte ich diese Frau nur verdient? "Hast du heute schon deine Salbe aufgetragen?" lenkte ich sie ab. Denn mir war gerade nicht nach essen. Ihr Blick senkte sich auf den Boden. Das hieß wohl Nein. "Es ist wirklich nicht mehr..."
"Man sieht immer noch ein wenig von den Verletzungen, also ist es sehr wohl noch nötig. Der Arzt hat gesagt, bis es vollkommen verschwunden ist" schnitt ich harsch ihre Worte ab. Wieso dachte sie nie an sich selbst? An ihr eigenes Wohlergehen. "Ich will erst sicher gehen, dass du versorgt bist, dann esse ich etwas" meinte ich nun etwas liebevoller. Wenn es um Emilys Gesundheit ging, hatte ich ein dünnes Nervenkostüm. Das lag wohl einfach daran, dass ich sie in einer eiskalten Nacht halb erfroren fand. Seufzend stellte sie die Schüssel wieder auf die Theke. "Du gibst ja sowieso keine Ruhe, stimmt's?" schmollte sie. Ich grinste. "Nicht bei diesem Thema" schlurfend lief Emily ins Schlafzimmer. Es wurde irgendwie zu unserem Ritual dort die Salbe aufzutragen. Vielleicht weil meine Mate dort einfach besser liegen konnte. Wie immer legte sie sich auf ihre Seite und schob ihr Oberteil nach oben. Sofort war ich wieder von dem Anblick gefasst. Die blauen Flecken waren nur noch leicht gelblich, kaum noch sichtbar. Auch ihr Rippenbogen war besser geworden. Dennoch verteilte ich reichlich die kühle Salbe auf ihrer Haut. Ihr Geruch nach Veilchen und Rose stieg mir auch jetzt in die Nase. Ich schluckte und durfte mich nicht ablenken lassen. Um mich abzulenken, massierte ich die Creme tiefer in ihre Haut ein als nötig. Aber wie konnte ein Wesen nur so unwiderstehlich duften? Als ich meinen Job getan hatte, verschloss ich seufzend die kleine Tube. "Ich glaube morgen muss es wirklich nicht mehr sein" erklang Emilys Stimme. Schon die ganze Zeit hatte ich ihren brennenden Blick auf mir gespürt. Endlich konnte ich es mir leisten sie anzusehen, ohne sie zu überfallen. Dachte ich zumindest. Ich schluckte. Die grünen Augen waren fest auf mich gerichtet und fesselten mich. "Bist du sicher?" murmelte ich mit schwacher Stimme. Jeden Abend freute ich mich auf dieses Ritual. Auch wenn ich es nicht sollte, denn Emily hatte Schmerzen und dieses Ritual ist nur dadurch erst entstanden. Aber sie zu berühren, stimmte mich jeden Abend erneut glücklich.

In einer dunklen Nacht wurdest du meinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt