1. Kapitel

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Müde und unruhig streifte ich durch den Vorort von New York. Wieder wusste ich, dass ich sie hier nicht finden würde. Ich seufzte. Ich war so müde und ausgelaugt von der wochenlangen, monatelangen, jahrelangen suche nach ihr. Meiner Mate, meiner Luna, meinem Mädchen. Meine drei Begleiter bemerkten meine Laune und wollten etwas sagen, ich spürte ihre besorgten Blicke. Den Blick meines Deltas, Nick. Seine grauen Augen musterten mich kritisch. Ebenfalls die von Lynn, ihre braunen Augen waren wachsam auf mich gerichtet. Dylan, einer meiner besten Kumpels, wollte mir auf die Schulter klopfen und Mut zusprechen, aber ich hinderte ihn mit einem vernichtenden Blick. Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Niemand hier hatte meine schlechte Laune, meine Rastlosigkeit verdient. Sie alle hier wollten mein bestes. Aber genau das war das Problem. Ich reiste seit einem Jahr schon wieder durch ganz Amerika. Allein mein Beta hatte ich das zu verdanken. Er hielt in Pittsburgh für mich die Stellung. Regelte das Rudel und kümmerte sich um die Firma. Verdammt, ich konnte es mir als Chef einer Hotelkette nicht leisten jedes Jahr für Monate aufzubrechen um nach ihr zu suchen. Aber was sollte ich sonst tun? Ich wollte endlich meiner Mate nah sein. Wollte sie riechen, spüren, fühlen können. Ich wollte alles von ihr wissen. Mir war es egal ob sie behindert sein könnte oder einen schrägen Fetisch hatte. Mittlerweile war ich fünfundzwanzig Jahre, und seit fast zehn Jahren suchte ich sie. Mein Gegenstück, meine Seelenverwandte. Ich hatte fast jeden beschissenen Bundestaat durch. Was wäre, wenn sie gar nicht in Amerika lebte? Was wäre, wenn sie vielleicht in Australien, auf der anderen Seite der Erde lebte? Ich konnte nicht noch einmal Jahrzehnte nach ihr suchen. Mein Rudel brauchte sie, genauso wie ich. Nur mit ihr waren wir vollständig. "Landon Kumpel, es bringt nichts, wenn wir hier weiter rumstreunen, du weißt doch selbst, dass sie hier nicht ist. Wir alle sind müde, lass uns in ein Hotel und dann suchen wir morgen weiter" flehte fast schon Nick. Langsam drehte ich mich zu ihm. Unter seinen grauen Augen lagen tiefe Ringe, seine braunen Haare waren in allen Richtungen verwuschelt. "Wir können als Wolf..." "Nicht hier, Landon. Nicht hier kurz vor New York" unterbrach mich Lynn. Ihre schwarzen Haare hatte sie zu einem Zopf gemacht und auch unter ihren braunen Augen lagen tiefe Ringe. Aber ich war rastlos, ich konnte mich jetzt nicht in einem Hotelzimmer einnisten, wenn dort draußen meine Mate war. Das war meine einzige Hoffnung, seit wir hier waren war ich rastlos und unruhig, das war ein gutes Zeichen. Das heißt meine Mate war nicht weit. Sie musste sich mindestens in diesem Bundesstaat aufhalten. Wenn nicht sogar hier in der Nähe. Nur nicht in diesem Vorort, das wusste ich jetzt. "Nein, wir gehen heute noch nach New York, ich spüre dass wir hier richtig sind" bestimmte ich. Müde nickten alle drei. Dylan murmelte leise etwas wie "Hoffentlich hast du Recht Kumpel, ich will nur in mein Bett" natürlich waren sie müde. Seit Tagen erlaubte ich uns allen nur, den nötigsten Schlaf. Das hieß, nach sechs Stunden machten wir uns weiter auf die Suche nach ihr.

Aber ich konnte einfach nicht aufhören nach ihr zu suchen. Es war kalt, New York war zu dieser Jahreszeit eisig. Meterhoch lag der Schnee. Fror meine Mate? Oder hatte sie sich vor einem Kamin gemütlich gemacht? Las sie gerne? Konnte sie Zeichnen? Was für Musik hörte sie? Was wohl ihr Lieblingsessen war? All solche banalen Sachen ließen mich immer näher an New York kommen. Ließen mich mehr auf das Gas des Mercedes drücken. Es war verrückt, ich hatte keinen Namen, kein Gesicht, einfach nichts. Und dennoch war ich wie ein Süchtiger, süchtig nach etwas unbekanntem. Ich wollte sie einfach nur kennenlernen. Gedankenverloren parkte ich den Wagen auf einem großen, verlassenen Supermarktparkplatz. Alle drei Rudelmitglieder starrten mich an. "Und wohin jetzt?" fragte Dylan. Gute Frage, wo suchte man nach dem unbekannten Wesen? "Lass uns einfach bummeln" nuschelte ich. Einfach nur bummeln stellte sich in einer Stadt die niemals schlief, schwierig dar. New York war für meinen inneren Wolf der Horror. Es war laut, schnell und turbulent. Pittsburgh war ebenfalls keine Kleinstadt, aber dennoch war sie anders als New York. Langsam schlurften wir durch die belebten Straßen, vorbei an Bars und anderen lauten Orten. Überall war Gelächter zu hören oder einfach nur Menschen die auf dem Gehweg Musik hörten. Ein kalter Wind ließ mich tiefer in meine Jacke gleiten. Wie ich den Winter hasste. Ich brauchte es warm. Wenn es warm war, brauchte man keine nervige Winterjacke, man konnte wann immer man wollte, baden gehen, kurzärmlig laufen oder Barfuß. Was man mit diesem beschissenen Schnee nicht konnte. Genauso wenig wie mit diesen minus zehn Grad. Dadurch das ich ein Wolf war, war mir zwar nie kalt und eigentlich war diese dicke Jacke überflüssig. Aber man musste den Schein waren, man konnte nicht Oberkörperfrei bei Minusgraden herumlaufen, ohne aufzufallen. Ebenso war der kalte Wind unangenehm für die Augen. Wir bogen in eine ruhigere Straße ein. Hier gab es keine kichernden Menschen, oder betrunkene. Hier war es schön still und nur vereinzelt war aus anderen Straßen Gehupe zu hören. Und sofort spürte ich eine Veränderung. Abrupt blieb ich stehen, sodass Nick, Lynn und Dylan in mich hineinliefen. Verwirrt und gleichzeitig hoffnungsvoll starrten sie mich an. Mein innerer Wolf machte sich bemerkbar, er wollte raus, augenblicklich wurde ich noch rastloser, unruhiger und dass brachte mich dazu schneller zu laufen. Meine Sinne waren noch mehr geschärft als sowieso schon. Meine empfindliche Nase nahm alles noch intensiver wahr. Den Geruch nach Schnee, Abgasen, Nikotin und anderem. Meine Ohren vernahmen noch lauter die Autos, Gelächter und Männerstimmen. Dann roch ich es. Veilchen und Rose. Ab heute mein Lieblingsduft. Ich hatte sie gefunden, endlich. schoss es mir durch den Kopf. Am liebsten wollte ich weinen, auf die Knie sinken und Gott danken, aber mir blieb keine Zeit. Ich musste auf der Stelle zu ihr. Niemand würde mich jetzt noch aufhalten können. Absolut niemand.

In einer dunklen Nacht wurdest du meinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt