41 - 𝐅𝐢𝐧𝐝 𝐓𝐡𝐞 𝐋𝐢𝐠𝐡𝐭 𝐈𝐧 𝐏𝐚𝐢𝐧

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Der sanfte Klang der Tasten des Klaviers drang an meine Ohren. Füllte sie mit der Melodie des Liedes, das meine Welt für eine Weile wieder in Ordnung zu bringen schien. Oder zumindest die düsteren Wolken, die so schwer über ihr hingen, vertrieb und Platz für das Licht machte, das sie so aussehen ließ, als sei sie es. Licht, das beinahe gewaltsam von der Dunkelheit verdrängt wurde. Und das inzwischen schon so lange, dass ich anfing, von Zeit zu Zeit zu vergessen, dass es überhaupt existierte.

Ich lief über eine grüne Wiese, lange Grashalme kitzelten meine Knöchel. Ich rannte, so schnell ich konnte, ohne wirklich weit zu kommen. Das schallende Lachen eines Kindes erfüllte die Luft, hallte in meinen Ohren wider, als hätte man in einen Tunnel hinein gerufen. Kaum war es das erste Mal verklungen, ertönte es erneut, verzerrte sich kurz, nur um sich in das Lachen einer erwachsenen Frau zu verwandeln. Eine Stimme, tiefer als die eines Kindes, trotzdem noch immer hell, melodisch. Bereits die Stimme des Kindes war mir nicht fremd gewesen, die erwachsene Version davon allerdings war mir noch vertrauter. Ich hatte sie schon oft gehört. Beinahe jeden Tag. Meine Stimme.

Ich rannte weiter, beflügelt von der Luft, die meine Locken um mein Gesicht wehte, dem Geruch von Gras und Blumen um mich herum, dem Klang meines Lachens in meinen Ohren. Plötzlich packte mich etwas von hinten, zwei Arme schlangen sich um meine Mitte, bremsten mich aus, hoben mich von den Füßen und wirbelten mich herum.
Aus dem Lachen wurde ein Kreischen. Kein angsterfülltes. Ein heiteres, verspieltes. Ich wurde herumgewirbelt und schließlich trafen meine Augen die der Frau, die mich gefangen hatte. Die Iriden blau wie Ozeane, verhangen von wilden tiefroten Strähnen, die sich aus dem hochgesteckten Knoten gelöst hatten. Meine Mutter.

Ein breites Grinsen saß in ihrem Gesicht, ihr Atem ging so schnell wie meiner. Sie war wunderschön.
Wieder ertönte ein Lachen, dieses Mal von zwei Frauenstimmen. Meiner und ihrer.
Sie löste eine ihrer Hände von meiner Mitte, strich sanft eine meiner Locken hinter mein Ohr, ein Lächeln im Gesicht, als wäre ich ihr das Kostbarste der Welt. So wie sie mein Kostbarstes war.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, hauchte mir einen Kuss auf den Scheitel, ehe sie mich näher zu sich und in ihre Arme zog. Wie von selbst schlangen sich meine Arme um ihren Körper, ich legte meinen Kopf auf ihrer Schulter ab, vergrub mein Gesicht in ihrer Halsbeuge und den losen Haarsträhnen.

Ihre Hand strich über meine Haare und ihre Präsenz erfüllte mich mit Frieden, Glückseligkeit, allem Guten, was ich nirgendwo sonst je wieder finden würde.
Ich wollte es ihr sagen. Ihr sagen, dass ich sie liebte, was sie mir bedeutete. Aber ich wollte den Moment nicht mit Worten zerstören. Momente wie dieser waren selten und ich wollte ihn noch so lange genießen, wie er mir vergönnt war.

Ich tat einen tiefen Atemzug, sog ihren blumigen, vertrauten Geruch ein. Das hatte ich nun schon die ganze Zeit, dieses Mal aber schien der Geruch plötzlich ein anderer zu sein. Da war noch immer der blumige Duft, der an ihr haftete, seit ich denken konnte. Doch er war vermischt mit einer Note, die zuvor noch nicht da gewesen war. Ein bitterer, nahezu stechender Geruch, wie man ihn von etwas Sterilem kannte.

Ein weiteres Mal atmete ich ein, doch der Geruch war immer noch da. Noch stärker als zuvor, schien das angenehm Blumige beinahe zu verdrängen.
Langsam löste sich der Griff meiner Mutter und ich richtete mich auf, um sie ansehen zu können. Sie lächelte noch immer. Auch dort, wo zuvor der frische Geruch von Gras und all den Pflanzen gewesen war, breitete sich nun der sterile, stechende aus. Hing in der Luft wie der Duft von Regen, kurz nachdem er gefallen war.

Wieder strich sie mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. Als ihre Finger dabei meine Ohrmuschel streiften, erklang dieses Mal aber ein leises Piepen. Zuerst meinte ich, ich würde es mir einbilden, doch bereits nach einem kurzen Augenblick erklang es erneut. Dann wieder. Wie in einem wiederkehrenden Rhythmus. Wie die Eieruhr eines neumodischen Ofens. Und ebenso wie der sterile Geruch breitete sich auch dieses Geräusch aus, bis es jedes andere vollends übertönte.

𝐈'𝐦 𝐛𝐞𝐭𝐭𝐞𝐫 𝐨𝐧 𝐦𝐲 𝐨𝐰𝐧 - 𝐃𝐚𝐫𝐲𝐥 𝐃𝐢𝐱𝐨𝐧Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt