0 - 𝐑𝐞𝐝 𝐀𝐧𝐝 𝐓𝐡𝐞 𝐖𝐨𝐥𝐟

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Es war Samstag. Vielleicht auch Sonntag. Wenn von meinem Zeitgefühl noch irgendetwas übrig gewesen wäre, hätte ich es euch vielleicht sagen können. Aber Zeit spielte keine Rolle mehr. Schon länger nicht mehr. Als die Seuche eingefallen war und wir unsere Häuser verlassen mussten, um das Weite zu suchen, hatten Dinge wie Wochentage ihren Wert verloren. Genauso wie Geld. Eigentlich konnte man sagen, dass alles seinen Wert verloren hatte, wenn man es nicht anziehen, essen oder zur Behandlung von Wunden oder Krankheiten nutzen konnte. Für etwas zu essen, Kleidung oder Medikamente schlugen sich die Menschen wenn nötig die Köpfe ein. Eine ziemlich absurde Vorstellung, wenn man bedachte, dass nicht mehr viele von uns übrig waren. Aber im Kampf ums Überleben war sich jeder selbst der nächste und jeder, der noch stolzer Träger einer weißen Weste gewesen war, hatte diese inzwischen abgelegt.

Ich versuchte stets, Konflikte irgendwie zu vermeiden und Menschen aus dem Weg zu gehen, wenn ich welchen begegnete. Natürlich war ich in der Lage, mich zu wehren, aber ich wollte es nicht darauf anlegen. Ich hatte mehr als genug Probleme.
Es war drei Tage her, dass ich das letzte Mal geschlafen hatte. Dafür hatten mir seitdem sowohl ein brauchbarer Unterschlupf als auch die Zeit gefehlt. Ich musste mich bewegen so schnell ich konnte, so wenig Spuren hinterlassen, wie nur möglich. Je langsamer ich war, desto weiter stieg die Gefahr, dass man mich einholte.

Die letzten Gebäude hatte ich vor mehreren Tagen zu Gesicht bekommen. Die Wasserflasche, die an meinem Gürtel hing, wies einen entsprechend ermüdenden Füllstand auf und mein Magen hätte protestiert, wenn er sich an derartige Umstände inzwischen nicht etwas gewöhnt hätte. Auf der Karte, die ich in dem Haus, in dem ich zuletzt gewesen war, gesehen hatte, war eine kleine Stadt verzeichnet gewesen. Folgte man dem Highway, würde man über kurz oder lang daran vorbei kommen. Zwar konnte ich Karten lesen, allerdings fehlte mir das Gefühl dafür, einzuschätzen, wie lange ich für wieviele Meilen brauchte. Also lief ich einfach.

Auf offener Straße zu laufen, war zu riskant, man wäre leichte Beute für Untote und für Menschen. In manchen Gegenden hatten sich kleine Grüppchen angesiedelt, die bestimmte Gebiete als ihr Revier ansahen. Verirrten sich Fremde in ihr Gebiet, bedeutete das meist Auseinandersetzungen. Ich selbst war glücklicherweise erst einmal in das Gebiet einer Gruppe geraten, hatte mich aber davon stehlen können, bevor sie mich gefunden hatten. Seitdem war ich vorsichtiger, hielt Ausschau nach Fallen oder alten Feuerstellen, die darauf hin deuten könnten, dass sich Menschen in der Nähe aufgehalten hatten.

Während meine Füße mich durch das Unterholz des Waldes trugen, zuckten meine Augen zwischen dem Boden und dem Weg vor mir hin und her. Trotzdem konnte ich meine Augen nicht überall haben, denn erst das scheußliche Stöhnen machte mich auf den Beißer aufmerksam, der von der Seite in meine Richtung humpelte.
Ich griff an meinen Gürtel und zog mein Messer hervor. Als er näher kam, streckte er die fauligen Finger nach mir aus, krächzte hektischer, wie ein ausgehungertes Tier, das unmittelbar davor war, seine Beute zu reißen. Ich wand mich an seinem Arm vorbei und hielt ihn am Kragen seines zerfetzten Shirts von mir und stach ihm mein Messer in den Kopf. Seine Hand, die nach meinem Arm gegriffen hatte, erschlaffte mit dem Rest seines Körpers und er sackte zusammen wie eine Gummipuppe. Ich zog mein Messer aus seinem Schädel und rümpfte die Nase. Diese Viecher stanken ekelhaft. Ich ging neben dem Kadaver in die Knie und wischte die Klinge meines Messer an seiner Kleidung ab. Meine eigene Kleidung war ohnehin nicht mehr die sauberste, wenn sie anfangen würde vor dem Blut und den Innereien der Beißer zu starren, würde ich mich früher davon verabschieden müssen, als mir lieb war.

Ich stand auf und warf zur Sicherheit einen Blick in die Umgebung, falls er Begleitung mitgebracht hatte. Doch scheinbar war er allein gewesen. Also schob ich das Messer zurück in meinen Gürtel und setzte meinen Weg fort.
Die Sonne stand inzwischen deutlich höher, es musste inzwischen also fast Mittag sein.
Nachdem ich noch ein ganzes Stück gelaufen war, brachte ich es über mich, einen Schluck aus meiner Wasserflasche zu nehmen. Keinen besonders großen, da ich nicht wusste, ob und was ich in der Stadt finden würde.
Als ich die Flasche wieder mit einem Knoten an meinem Gürtel befestigt hatte und wieder auf den Weg vor mir sah, entdeckte ich schließlich endlich in der Ferne die Umrisse eines Gebäudes.

𝐈'𝐦 𝐛𝐞𝐭𝐭𝐞𝐫 𝐨𝐧 𝐦𝐲 𝐨𝐰𝐧 - 𝐃𝐚𝐫𝐲𝐥 𝐃𝐢𝐱𝐨𝐧Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt