2. Kapitel

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Karen beobachtete wie sich die Sonne durch das dichte Wolkenheer kämpfte, genoss den Anblick der Sonnenstrahlen die den vor ihr liegenden Wald in ein warmes, aber geheimnisvolles Licht tauchten. Wie lange würde sie sich wohl noch durch ihr einsames, leeres Leben kämpfen müssen? Sie ging in die Küche, goss sich ein weiteres Glas Wodka ein, in der Hoffnung, ihre Gefühle zu betäuben. Schon lange hatte sie ihre Kreativität verloren, Stunden vor einer weißen Leinwand verbracht ohne auch nur die Farben anzuschauen. Sie kam sich vor, als lebe sie ein falsches Leben, als existiere sie nicht. Die heutige Erscheinung war nicht zu vergleichen mit der Karen Strahl, der gefeierten Malerin, die in Galerien ausstellte, sich damit ihren Lebensunterhalt verdiente und bewundert wurde. Karen vermisste nicht die fehlende Bewunderung, die Umgebung der Schönen und Reichen, es war das Malen dass ihr fehlte, die Kreativität und der damit verbundene Frieden wenn der Pinsel zärtlich über die Leinwand strich. Sie hatte sich verloren, zog hinaus in diesen kleinen Ort, in dieses heruntergekommene Haus und konnte sich ihren dunklen Gedanken nicht entziehen. Sie hatte ihren Frieden gesucht, hier an ihrem geliebten Meer, nachdem sie ihre Liebe verlor, ihr Leben ins wanken geriet und schließlich leicht wie Glas zerbrach. Also ließ sie alles hinter sich, ohne den Versuch zu unternehmen aus dem Scherbenhaufen noch etwas Brauchbares zusammenzukleben und verlor dabei sich selbst. Sie begab sich in die Arme eines Mannes, der seine grausame Seele nicht versteckte, der Frauen nur für seine Triebe benutzte und nicht den gebrochenen Menschen hinter ihren traurigen Augen sah. Doch so würde sie wenigstens irgendwann gefunden werden, wenn sie allein da saß, nicht mehr fähig zu atmen, sich zu bewegen, wenn der Tod sie endlich erlöst hatte von dieser Welt in der sie keinen Platz mehr hatte, in der es ihr nicht mehr vergönnt war, einen kleinen Augenblick von Glück zu genießen. Die letzten zwei Jahre kamen ihr wie eine Ewigkeit vor, nur noch verschwommen erinnerte sie sich, einmal ein anderes Leben geführt zu haben. Es schien, als wäre es nie ihre Wahrheit gewesen. Jetzt sah sie alles wie einen Film an sich vorbeiziehen und konnte sich nicht befreien.

Ich betrachte unsere Bilder,

um mich zu vergewissern,

dass Du einmal bei mir warst,

ich fähig war,

zu lieben,

glückliche Momente zu verleben.

Nichts ist mir geblieben.

Nur die Dunkelheit begleitet mich

und dein angsterfüllter letzter Blick.

Nicht schlafen kann ich;

sobald ich meine Augen schließe

sehe ich Dein Blut

und der Schmerz scheint mich zu zerreißen.

Wann wird es enden,

ich Erlösung finden?

Sie ging zurück zum Panoramafenster und blickte hinaus in den dunklen undurchsichtigen Wald, ließ den Wodka kühl in ihre Kehle laufen.


Amelia hatte das Internat schnell hinter sich gelassen. Sie war froh, dass sich das Tor automatisch öffnete, sobald man den Sensor am Wegrand passierte. Sie hatte bei ihrer Ankunft nicht auf die Einzelheiten ihrer neuen Umgebung geachtet, zu sehr war sie wieder mit sich und ihren Gedanken beschäftigt, zu sehr hatte sie sich nach einem anderen Leben gesehnt, dass sie gar nicht erst ihren Blick auf ihre neue Realität lenken wollte. Sie folgte ihrem Gefühl und bog links ab, so kam sie schon bald darauf durch einen kleinen Ort. Er schien verwaist. Keine Menschen auf den Straßen, keine Vorhänge die sich im Wind in den Fenstern bewegten, als wäre alles Leben ausgelöscht. Der einzige Beweis, dass hier Menschen leben mussten, war der kleine an diesem Sonntag geschlossene Supermarkt an dem Amelia vorbeikam. Eine leere Stadt, bewohnt von unbekannten Gesichtern, mit fremden Leben. Sie alle haben sich ihr Universum geschaffen, sich eine Welt erfunden in der sie leben können. Nicht viele Menschen lassen sie dort hinein, lassen nicht zu, dass Verbindungen entstehen und erschrecken, wenn ihr Blick für Momente klar wird und sie die wahre Welt erkennen. Nur sie schaffte es nicht, sich eine Welt zu erschaffen in der sie friedlich leben konnte. Sie fuhr weiter und war nun allein zwischen zahlreichen Bäumen gefangen. Die Straße schlängelte sich durch einen dicht bewachsenen Wald, der ab und an knackte und im Wind unheimliche Geräusche von sich gab. Amelia wollte gerade umkehren, als sich ein Gebäude in ihr Blickfeld schob, es sie aufforderte, weiter zu fahren.

Der Weg ins LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt