Kapitel 6

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Sie stand in der Dunkelheit ihres Zimmers, hörte die Bäume im Wind rascheln und genoss den Duft des Regens der durch das offene Fenster wehte. Sie blickte in den Himmel. Ob er dort saß und auf sie hinunterschaute? Gab es einen Gott oder war es eher ein imaginärer Freund, der jederzeit im Herzen zu finden war? Es war ihr egal. Wen störte es, wenn sie betet? Vielleicht hilft es ja wirklich. Uns so sprach sie nur für sich:

Lieber Gott,

ich bin gefangen in einer Welt,

wo der Sonne

der Zutritt verwehrt wird.

Wie kann ich mich von meinen dunklen,

schmerzenden Gedanken befreien?

Jeden Tag verfolgen sie mich,

lassen mich für Momente ruhen,

um dann mit aller Kraft zurück zu kehren.

Endlich möchte ich die Sonne fühlen,

genießen

und nicht auf diesem kalten,

inneren Friedhof ausharren,

der mir immer neue Narben zufügt.

Bitte lass mich leben

und unbeschwert sein,

denn darum bin ich geboren!


Die Tage vergingen. Die Sonne versteckte sich hinter dunklen Wolken. Karen war nach ihrem Spaziergang am Meer wieder zu ihrer alten Gewohnheit zurückgekehrt. Der Wodka war ihr täglicher Begleiter. Er ließ die Stimmen verstummen, ließ nicht zu, dass sie an Sophie dachte. Er verhalf ihr zur Flucht. Jeden Abend fuhr sie in die Kneipe, vorbei am Internat und immer dann dachte sie an das hübsche Mädchen.

Es ist Nacht,

ich bin sicher

irgendwo bist Du,

schaust in die Ferne,

gibst Dich Deiner Sehnsucht hin.

Es ist die Einsamkeit

die uns verbindet,

das Wissen unseres Herzens.

Mit etwas Glück

werden wir uns finden,

uns irgendwo in die Augen schauen,

sicher sein,

uns all die Jahre nicht geirrt zu haben.

Ich bete dafür

Dich zu finden,

in Deinen Armen zu liegen

voller Geborgenheit

und ich werde mich erinnern

an den heutigen Abend

den ich allein verbrachte

in Gedanken an unsere Zukunft,

an Dich-

ohne auch nur zu ahnen

in welchem Gewand Du mir Gegenüber treten wirst!

Die Gefühle verwirrten sie, machten sie gerade zu wütend. Was sollte an einem Teenager so interessant sein, wie sollte sie das gebrochene Herz einer erwachsenen Frau verstehen? Sie fühlte sich lächerlich und so hatte sie einen weiteren Grund sich in die verschleiernde Verdammnis des Alkohols zu stürzen. Peter nahm sie wann immer er es wollte und sie ließ es geschehen, floh dabei in eine andere Welt, bemerkte ihn nicht, doch manchmal, da flogen ihre Gedanken zu den tiefen unbekannten Augen und sie empfand Erregung die abebbte sobald sie Peter über sich erblickte. Sie zwang sich nicht an sie zu denken, die Gefühle nicht zuzulassen. Sie unterdrückte das Bedürfnis nach ihr zu suchen. Es funktionierte nicht. In der Nacht, wenn sie dann schlief, da träumte sie. Konnte sie sehen, so nah, auch wenn sie nicht hinter das Geheimnis ihrer Augen kam. Sie spürte ihren Atem an ihrem Hals, der ihr eine Gänsehaut bereitete, fühlte wie ihre zarten Hände sie streichelten. Wie lange hatte sie nicht mehr so empfunden? Hatte sie je eine solche Verbindung gespürt? Hatte je ein Mensch solche Gefühle in ihr ausgelöst? Sie erwachte erregt. Sehnte den Schlaf herbei, wollte nicht erwachen.

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