3. Kapitel

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Der Lärm vor ihrer Tür weckte sie.

Benommen öffnete sie ihre Augen, erblickte einen grauen Himmel, der kleine Tränen an die Erde sandte. Beim Blick auf den Wecker blieb ihr fast das Herz stehen. Sie hatte noch 10 Minuten Zeit, ehe sie beim Frühstück sein musste. Schnell sprang sie unter die Dusche, putze dabei ihre Zähne. Der größte Vorzug eines Einzelzimmers war wohl das eigene Bad, dachte Amelia. Die meisten Mädchen mussten sich ein Gemeinschaftsbad teilen. Sie konnte den Neid ihrer Mitschülerinnen nachvollziehen, verschwendete jedoch keinen weiteren Gedanken daran, es war nicht wichtig was die anderen Mädchen über sie dachten. Eilig zerriss sie das Paketpapier, schlüpfte in ihre Uniform und kämmte ihr Haar, ehe sie es sich offen über die Schultern fallen ließ.

Nachdem sie das Frühstück mit wenigen Bissen und ohne Worte hinter sich gebracht hatte, folgte Amelia den Mädchen in den Schultrakt. Das Schloss war alt, verwinkelt und von unaufdringlicher Schönheit. Leider konnte Amelia ihre Umgebung nicht genießen, zu sehr hallte es ihr von den Wänden wider, dass sie sich immer mehr in die Welt begab, aus der sie flüchten wollte. Es fiel ihr schwer nicht durch die große Tür an die frische Luft zu flüchten, wie sie es so oft getan hatte in der letzten Zeit und dem Unterricht einfach fern geblieben war. Es war nicht so, dass Amelia eine schlechte oder gar dumme Schülerin war, es interessierte sie einfach nichts, was man in der Schule zu lernen hatte, sie war zu faul, um etwas für gute Noten zu tun, da sie nicht wusste wofür sie sich anstrengen sollte und so bewegte sie sich immer im unakzeptablen Mittelmaß ihrer Klasse. 

Oft passierte es ihr, dass sie gar nicht mitbekam worüber im Unterricht gesprochen wurde; sie mit ihren Gedanken ganz woanders war und wenn die Schulklingel sie dann in die Wirklichkeit zurückholte, fragte sie sich, wo sie die letzte Stunde eigentlich über gewesen war. Ihre Notizen gaben ihr darüber keinen Aufschluss, sie bargen wieder vielmehr Inspiration für neue Bilder, wenn sich aus ihrem gedankenlosen Gekritzel etwas Schönes ergeben hatte. Beinahe wäre Amelia an ihrem Klassenzimmer vorbeigelaufen, doch zum Glück erkannte sie aus dem Augenwinkel die Mädchen von ihrem Essenstisch die mit ihr eine Klasse besuchten. 

Sie suchte sich eine freie Bank am Fenster von der aus sie ihre Blicke in den Park schweifen lassen konnte. Es störte sie nicht, dass kein Mädchen ein Interesse daran zu haben schien, näher mit ihr in Kontakt zu treten und so würde sie wie immer für sich bleiben. Sie blickte sich um, nahm jedes Mädchen in Augenschein und konnte nichts entdeckten was sie festhielt oder einlud, tiefer in den Menschen hineinzusehen. Sie wurde in gekünsteltes Lachen gehüllt, Spiegel ließen das Licht an den Wänden reflektieren, Magazine wurden umgeblättert, Namen von Stars drangen an ihr Ohr, mit denen sie nichts anfangen konnte. Es schien, als würden all diese Mädchen völlig zufrieden sein mit ihrem Leben, als würde in ihren Herzen kein Aufstand gegen ihre Zukunft existieren. Sie kam sich, wie eigentlich immer in einer größeren Gruppe, fehl am Platz vor. Von ihr unbemerkt hatte die Lehrerin den Raum betreten. Sie war noch relativ jung, so Anfang 30 schätzte Amelia. Sie war schön mit ihren grünen Augen, in denen sich kleine braune Punkte versteckten, dem gelockten, schulterlangen braunen Haar und der gebräunten Haut die sie exotisch erscheinen ließ. Amy versuchte in sie einzutauchen, zu erkennen wer sie ist, doch sie stieß gegen eine Mauer. Scheiterte an der starren Maske die die meisten Menschen trugen, sie aus Angst vor Verletzungen nicht ablegten und meinten, sie kämen besser durch ihr Leben, wenn sie sich versteckten, anstatt wirklich ehrlich und mit offenen Armen auf die Welt zu zugehen oder, wie sie einmal gelesen und für wahr befunden hatte:

Masken!

Menschen brauchen Masken um:
Ihre Gefühle zu verstecken!
ihre Gedanken zu tarnen!
ihre Mitmenschen mit Schein des Seins in die Irre zu führen!
ihre Schuld zu verstecken!
ihre Scham zu bedecken!
ihre geraubte Ehre zu verbergen!
ihre Ängste zu verbergen!
ihre Nöte zu verstecken!
ihre Taten zu verbergen!
ihre Mitmenschen von sich fernzuhalten!
ihre Verletzungen unsichtbar zu halten!
ihre Mauern aufrecht zu erhalten!
ihre Tränen zu verbergen!
ihre Freude für sich zu behalten!
ihre Liebe nicht zu zeigen!
ihre Trauer nicht sehen zu lassen!
ihr Leid zu verbergen!
ihre Einsamkeit nicht zu zeigen!
ihre Kraftlosigkeit nicht sehen zu lassen!
ihre Lieblosigkeiten zu tarnen!
ihre Furcht nicht zuzugeben!
ihre Fehler und Mängel zu verstecken!
ihre Defizite auszugleichen!
ihre Hilflosigkeit nicht zuzugeben!
ihre Panik nicht sehen zu lassen!
ihre Sehnsucht nicht zuzugeben!
ihre Lügen zu verstecken!
Zu verbergen,

Der Weg ins LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt