11. Kapitel

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Natürlich hatte ihr Fernbleiben folgen. Die Direktorin drohte damit, ihren Vater zu informieren, was Amelia kalt ließ. Anscheinend war Frau Ecker mit noch keiner Schülerin konfrontiert gewesen die sich gegen ihre Regeln auflehnte. Amelia hatte ihr den Vorschlag gemacht, sie würde den Unterricht besuchen und ihre Aufgaben machen, ansonsten möchte sie jedoch in Ruhe gelassen werden. Frau Ecker stand kurz vor einem Herzinfarkt, als Amy die Dreistigkeit besaß der Direktorin vorzuschreiben, wie sie ihre Schüler zu behandeln hatte. Nun saß Amy in ihrem Zimmer und überlegte wie sie zu Karen kam um ihr Fahrrad abzuholen, wobei ihr Fahrrad ihr ziemlich egal war. Sie plante seit Tagen zu ihr zu gehen, wollte nicht mit leeren Händen erscheinen und da sie nicht raus durfte und ständig beobachtet wurde, blieb ihr nur das schreiben. Mittlerweile war sie fertig und konnte es kaum abarten es Karen zu geben, doch bisher hatte sie nicht den Mut, das Internatsgemäuer zu verlassen. Auch waren ihre Gedanken oft bei Tara die in den letzten Tagen einen sehr abwesenden Eindruck gemacht hatte und ihnen im Unterricht meist Schreibaufgaben auftrug und dann aus dem Fenster starrte. Sie hatte Amy standhaft ignoriert, keinen ihrer fragenden Blicke aufgenommen oder auch nur versucht Kontakt mit ihr aufzunehmen, was Amy sehr schmerzte. Sie vermisste die Gespräche, obwohl sie sich missverstanden fühlte nachdem Tara hier bei ihr im Zimmer war und ihre Worte auch nicht zurücknahm als sie sie am nächsten Tag zu Hause besuchte. Die Tara die sie kennenlernen durfte war vor ihren Augen verschwunden. Sie hasste es wenn Menschen sich mit Schmerzen aus ihrem Leben verabschiedeten und nicht leise einfach davon gingen, so dass man es kaum bemerkte, bis sie weg sind und dann ist es okay und man kann dennoch ungebremst weiter gehen. Sie vermisste Tara. Sie raffte sich auf und machte sich auf den Weg ins Atelier. Es war verschlossen und sie musste weiter mit Taras Schweigen leben. Lange hielt sie es hier nicht mehr aus. Sie hörte das falsche Lachen der Mädchen aus ihren Zimmern und wusste mal wieder nicht wohin mit sich. Sie klopfte bei Frau Ecker an und steckte vorsichtig den Kopf durch die Tür.

„Was kann ich für Dich tun Amelia?"

„Ich weiß ich habe Ausgehverbot, völlig zu Recht, aber „

„Schön, das Du deine Strafe einsiehst" unterbrach Frau Ecker sie, ohne die Augen von ihren Unterlagen abzuwenden.

"Aber?" Hakte sie nach.

„Nun ja, mir fällt die Decke auf den Kopf und ich würde gerne eine Runde an den Strand gehen."

Frau Ecker sah auf und schaute sie fragend an

„Du willst bei diesem Wetter an den Strand?"

Amelias Blick folgte dem von Frau Ecker durchs Fenster vor dem die ersten Schneeflocken des Jahres einen fröhlichen Tanz aufführten. Sie nickte.

„Na schön, Deine Noten sind ja ganz passabel geworden wie ich gesehen habe."

„Danke"


Amelia verließ das Büro. Die Direktorin sah ihr nach. Sie konnte nicht begreifen, wie ein Kind aus der höheren Gesellschaft sich so entwickeln konnte. So völlig normal, erhaben vor jedem Luxus und doch so Einzigartig. Frau Ecker reiste in ihre Vergangenheit an die Wegkreuzung der Entscheidung die sie damals hatte treffen müssen und wünschte, sie hätte Amelias Mut besessen sich aufzulehnen. Sich nicht hätte zwängen lassen in ein Leben, welches nicht ihres war. Aber sie besaß nicht den Mut. Sie ließ Wolfgang gehen, damals vor 40 Jahren als er mit ihr durch die Welt reisen wollte. Er, ein einfacher Tischler aus dem Dorf den ihr Vater niemals akzeptiert hatte. Wie lebendig sie damals in seinen Armen war. Die ganze Welt stand ihnen offen und doch wusste sie, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten, sie studieren würde um dann das Schloss zu übernehmen. Er verstand sie nicht, wollte sie überzeugen, doch ihre Angst ließ sie ihn zurückweisen, sein Herz brechen. Bis er gegangen war. Ohne ein Wort.

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