Sie betrachtete die Bilder, sah wie das wütende Meer sich gegen Begrenzungen auflehnte. In ihren Gedanken sah Karen anders aus als auf diesen Fotos die jeglichen Glanz nicht eingefangen hatten den Amelia verspürte wenn sie Karen sah. Sie hatte sich davon geschlichen um die Bilder aus dem Supermarkt zu holen und kurz überlegt noch zu Karen zu fahren, es dann aber unterlassen. Wieder einmal hatte sie ihre Sehnsucht unterdrückt, die sich jedoch nicht mehr lang im Zaum halten ließ. Sie war froh, dass ihr nächtliches Fernbleiben vom Wochenende unentdeckt geblieben war und wollte keine weitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie hatte sich wohl gefühlt bei Tara, als ob die Last der Einsamkeit von ihr genommen wurde und sie für wenige Augenblicke ausruhen durfte. Nun war sie wieder mit sich und ihren Gedanken an Karen allein, eingesperrt in ihrem Gefängnis. So langsam wurde das Schloss zu ihrer vertrauten Umgebung, ihre Schritte wurden sicherer wenn sie durch die langen Gänge lief und die Gesichter schienen nicht mehr all zu fremd, auch wenn sie bisher keine weiteren Kontakte geknüpft hatte, weiter ihre Mauer um sich herum trug und somit zeigte, nicht in die Welt der Mädchen gehören zu wollen. Sie saß weiterhin unbeteiligt im Unterricht außer in Deutsch und Kunst war sie voller Interesse dabei auch wenn sie es vermied, mündlich einen Beitrag zu leisten und Tara sie zum Glück auch nicht dazu aufforderte. Sie hatte angefangen zu zeichnen obwohl ihr klare Ideen fehlten. Oft war es so, dass die Ideen einfach da waren, sich Farben und Formen in ihrem Kopf bildeten die sie festhalten wollte oder sich ein Gefühl in ihr ausbreitete welches sie Dank der Kamera und Natur einzufangen versuchte. In letzter Zeit jedoch nisteten sich Wörter in ihr Hirn die sie zwangen sie nieder zuschreiben. Sie legte die Bilder von Karen enttäuscht zur Seite. Papier und Stift luden sie ein sich zu setzen. Es dauerte nicht lange und sie schrieb:
Meine Ideen
entstehen Nachts-
in meinen Träumen.
Am Morgen sind sie in mein Hirn gebrannt,
lassen mich nicht los-
bis ich sie auf ein Blatt Papier bringe,
mit Farbe oder Wörtern.
Doch die besten Dinge entstehen einfach so,
ohne nachdenken,
sie sind einfach da-
bis ich ihnen Raum gebe sich zu zeigen,
oder sie vergesse!
Das Gedichte schreiben war für sie zu einer Art Tagebuchersatz geworden mit denen sie sich ausdrücken konnte. Jeder konnte sie verstehen, doch nur sie wusste wirklich um die wahre Bedeutung und konnte sie als Geheimnisse mit ins Grab nehmen.
Die Einsamkeit kam aus dem nichts, schnürte ihr von hinten die Kehle zu. Die Traurigkeit breitete sich aus wie schwarze zähflüssige Tinte, die in jeden Winkel ihres Körpers kroch, alles infizierte. Schmerzende Tränen kündigten sich an. Sie hasste diese Einsamkeit, wollte teilen, verstanden werden, nicht verurteilt. Sie wollte geliebt werden für das was sie dachte und fühlte. Hoffnungslosigkeit nistete sich in ihr dumpfes Herz. Der Gedanke, es würde keinen Menschen auf der Welt geben, der das je tun würde, wollte sie nicht weiter atmen lassen. Sie musste hier raus. Einen klaren Kopf bekommen.
Das Laub lag immer dichter auf der Straße. Ein schmieriger Film hatte sich über sie gezogen. Die Bäume standen kalt und bedrohlich über ihr. Die Kälte biss sie bereits schmerzend ins Gesicht. Ließ ihre Augen tränen. Amelia wusste nicht ob sie wegen des Windes flossen oder wegen ihrer Traurigkeit, wegen dem Gefühl, verlassen zu sein in einer Welt die sie nicht verstand. Sie wollte nicht an die Zukunft denken, an das Leben welches auf sie zukam. Würde sie zu viel Zeit damit verbringen, hätte sie keinen Grund mehr morgens aufzustehen, Kräfte zu sammeln für ihren Krieg und doch wusste sie nicht genau, welchen Weg sie eigentlich gehen wollte, wo sie Antworten finden würde. Letztendlich waren alle allein und keiner erzählte ihr vom Leben. Wie man es zu leben hat oder wie man fühlen soll. Sie hörte Lieder über Liebe, einer Liebe, von der Sie immer nur gehört oder gelesen hatte, aber keiner hatte ihr je ins Gesicht gesagt, dass es eine solche Liebe wirklich gab. Das es irgendwo einen Menschen gab, der einen vervollständigte, der jede Sehnsucht erfüllte und die Schmerzen aus dem Herzen vertreiben konnte. Sie sehnte sich so sehr nach solch einer Liebe, war jedoch versucht, den Glauben daran aufzugeben. Bis Karen vor ihrem inneren Auge erschien und all ihre Gedanken Lügen strafen wollte. Sie hörte ein Auto hinter sich, fuhr schneller um ihre Lebendigkeit zu spüren, weiterhin in ihrem Tagtraum mit Karen zu verbleiben und rutschte aus. Sie konnte sich nicht halten. Die Bremsen griffen nicht auf der rutschigen Straße und sie fiel seitlich mit dem Rad auf den Boden, schlug sich den Lenker ins Gesicht und blieb nach einigen Metern einfach liegen. Der Wagen bremste hinter ihr, doch es interessierte Amelia nicht. Sie wartete auf den Schmerz der sich nicht einstellen wollte, auf die Veränderung in ihrem Leben.
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Der Weg ins Leben
Teen FictionAls junges Mädchen seinen Weg im Leben zu finden ist nicht einfach, es braucht Menschen, die einem zur Seite stehen und begleiten. Am meisten jedoch hat oft die erste Liebe den größten Einfluss...