Rain - Mama's boy

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Tw! Alkoholabhängigkeit, Erwähnung von Depressionen und Selbsthass, Enttäuschung der Familie, Vergleich zwischen Geschwistern
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Es war spät am Abend, als Rain auf dem Weg nach Hause war. Der kalte Herbstwind zog durch die Bäume und das einzige Licht spendete der helle Mond. Die Straße war nass, da es den ganzen Tag geregnet hatte. Trotzdem lief der junge Ghoul mit einem Lächeln auf den Lippen nach Hause. Er war eben noch mit seinem besten Freund unterwegs gewesen, bevor dessen Mutter ihn nach Hause gefahren hatte. Es waren nur noch wenige Meter zu laufen, bevor er sich wieder in sein warmes und gemütliches Zimmer setzen konnte. Gerade als er das Gartentor öffnen wollte, blieb er stehen.

Ihm fiel ein, dass heute Freitag war. Das bedeutete, dass Wochenende war und...
Der Ghoul seufzte tief. Am Wochenende kam die Alkoholsucht seiner Mutter zum Vorschein. Jedes Mal, wenn sie am nächsten Tag nicht auf Arbeit musste, war sie betrunken. Es war egal, ob es am Wochenende war, wenn sie Urlaub hatte, oder wenn sie krank war. Sobald sie am nächsten Tag nicht auf Arbeit musste, setzte sie sich in ihre Küche und fing an zu trinken. Als sie das letzte Mal krank gewesen war, hatte sie sogar auf ihre Medizin verzichtet, nur damit sie Alkohol trinken konnte. Er nahm seine Hand von der Klinke weg. Ohne Alkohol mochte sie eine gute Mutter sein, aber mit Alkohol war sie ein Monster. Da er noch nicht erwachsen war, war ausziehen aber auch nicht möglich. Wegrennen wäre eine Option, aber wohin? Zu seinem besten Freund konnte er nicht gehen, denn da würde sie ihn finden und dann würde alles schlimmer werden. Zu seiner Schwester konnte er auch nicht gehen, denn sie wohnte im selben Haus, nur in einer anderen Wohnung und seine Großeltern waren auch keine Option. Sie lebten zu weit weg, außerdem mochten sie ihn nicht wirklich. Viel schlimmer war, dass er heute alleine da durch musste. Sein Vater war über Nacht auf Arbeit, weshalb er ihm nicht helfen konnte.

Seufzend öffnete er das Tor und lief weiter ins Hausflur, wo er erneut stehen blieb und sich auf die Treppe setzte.
Er wollte so lange wie möglich vermeiden in die Wohnung zu gehen. Er verstand nicht, warum niemand versuchte ihr zu helfen. Warum niemand versuchte ihr zu sagen, dass sie krank ist und damit aufhören soll. Eigentlich kannte er die Antwort. Niemand traute sich, weil sie ausrasten würde. Weil sie die Person, die es wagte ihr da zu sagen, anschreien würde und sagen würde, dass es keine Krankheit sei und sie selbst entscheiden konnte, wann sie alkohol trank und wann nicht. Rain hatte es selbst schon einmal erlebt.

Als er ungefähr 11 Jahre alt gewesen war, hatte er unterbewusst mitbekommen, dass da irgendwas falsch war, wenn sie trank. Er hatte regelrecht Angst vor ihr gehabt, weil sie sich so komisch verhalten hatte und er nicht gewusst hatte warum. Es war auf einer Familienfeier gewesen. Seine Großeltern hatten am nächsten Tag das 50. Jubiläum ihrer Hochzeit gefeiert und seine Mutter hatte mit seiner Oma darauf angestoßen. Sie wollte noch mehr trinken, doch da hatte Rain sie angeschaut.
"Mama, du trinkst doch morgen noch genug" hatte er gesagt, als sie gerade nach Hause gelaufen waren und sie davon gesprochen hatte, dass sie noch ein Glas darauf trinken wollte. Der kleine Rain hatte plötzlich einen Schmerz in seinem Arm gespürt, als seine Mutter ihn zurück gerissen hatte, um ihn anzusehen.
"Das ist meine Entscheidung!" Hatte sie ihn angeschrien.
"Ich bin erwachsen, du hast mir nicht zu sagen, wann ich trinke und wann nicht!" In diesem Moment hatte er zum ersten Mal große Angst vor ihr gehabt. Ihr böser Blick, der ihn durchbohrt hat, die laute Stimme, die in seinen Ohren hallte, der schmerzhafte Griff an seinem Arm und das schreckliche Gefühl etwas falsch gemacht zu haben. Das Gefühl, etwas ganz böses gesagt zu haben.

Heute war Rain 17 und wusste, dass er nichts falsches gesagt hatte. Er hatte ihr nur die Wahrheit gesagt, aber sie wollte sie nicht hören. Sie akzeptierte mentale Krankheiten nicht. Weder an anderen, noch an sich selbst.
Für sie waren solche Krankheiten nur sinnloses Geschwafel und der Schrei nach Aufmerksamkeit.

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