Giovanni
„Was machst du hier draußen?"
Seufzend pustete ich den Rauch aus und drückte den Zigarettenstümmel an der Wand aus, bevor ich ihn achtlos in den Aschenbecher warf und mich zu Mateo umdrehte, welcher gelangweilt am Rahmen der Balkontür gelehnt war. Seine Augen kühl, doch ich sah die Besorgnis in ihnen.
„Rauchen", antwortete ich knapp und lief an ihm vorbei Richtung Wohnzimmer, um mich auf der Couch nieder zu lassen.
Die Wohnung war warm. Doch mir war trotzdem kalt.
Es sind schon drei Monate vergangen.
Drei Monate seit dem ich meine kleine Schwester im Stich gelassen habe.
Mein Kiefer begann zu zucken und ich biss ihn schnell und hart zusammen, um mich nicht von Emotionen kontrollieren zu lassen.
Ich hatte das Gefühl ich verlor den Verstand.
Tag und Nacht vergehen und ich kriege kein Auge zu.
Ich fragte wie es meiner Prinzessin geht. Ob sie in Ordnung war. Ob sie gut schlief. Ob ihr warm war. Ob sie Angst hatte. Ob sie genug aß.
Ob sie litt genauso wie ich es tat.
Ich fluchte innerlich.
Ihr ganzes Leben lang
Ihr ganzes Leben lang sperrte ich sie ein. Nur für einen einzigen Grund.
Es lauern Monster da draußen rum. Ich wollte nicht, dass sie mir meine Schwester nahmen. Also tat ich das Nächstliegende was ich für richtig hielt und versuchte sie von dem ganzen Kram fernzuhalten.
Von Russen.
Von Blut.
Von Männern.
Von Angst.
Von Verantwortung.
Ich wollte, dass sie glücklich lebte. Ich war ihr großer Bruder. Das war doch meine Aufgabe?
Mein ganzes Leben besteht nur aus sie. Und jetzt war sie weg.
Alles was ich hatte ist weg.
Mein Leben. Meine Familie. Das wofür ich Kugeln fangen würde.
Ich wollte sie nicht da reinziehen.
Ich wollte nicht, dass sie ihren Namen kannten.
Und nun?
Ich lachte verbittert auf bei dem bescheuerten Gedanken.
Nun war sie mit meinem Feind verheiratet.
Adam Nowikow.
Sie dachte bestimmt es war mir egal.
Egal, dass sie dort war. Egal, dass sie mit ihm verheiratet war.
Egal, dass sie Hilfe brauchte.
Dann zögerte ich.
Mariella war schlau. Sie kannte mich. Sie wusste wie ich war. Sie muss doch bemerkt haben, dass etwas nicht stimmte.
Sie musste meine Lügen doch bemerkt haben
Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich spürte wie sich etwas in mir zusammen zog.
Ich habe versagt. Ich habe so versagt.
„Du gibst dir immer noch die Schuld."
Mateos Stimme drang in meinen Gedanken und ich blickte zu ihm auf, als er vor mir zum Stehen kam.
Er schnaubte, als er zu mir runterblickte. Die Enttäuschung war ihm in Gesicht geschrieben.
„Du verstehst es einfach nicht", murmelte er kopfschüttelnd und blickte mich genervt an. „Es lag nie in deiner Schuld, Gio!"
Ich stand auf und näherte mich ihm bedrohend. „Ich habe jetzt keine Nerven dafür."
Er spannte den Kiefer an. „Adam hat dich bedroht!"
Ich schloss die Augen und versuchte die Stimmen aus meinem Kopf zu verjagen. Mein Atmen wurde immer unregelmäßiger.
Mateo packte mich an den Schultern und schüttelte mich bis ich gezwungen war ihm in die Augen zu schauen.
„Hörst du mir zu?! Es lag nie in deiner Verantwortung! Wie wenn er dir droht ihr was anzutun wenn du nicht das tust, was er will. Du kannst nichts dafür!"
Ich schubste ihn so harsch von mir, dass er paar Schritte zurücktaumelte. „Das ist mir klar!", schrie ich.
„Warum folterst du dich dann so mit diesen Gedanken?!", zischte er aufgebracht.
„Weil es immer noch meine Schuld ist!", brüllte ich komplett außer mir und packte die Vase, die auf dem Schrank stand und schleuderte sie durch die Wohnung bis sie mit lautem Knall gegen die Wand knallte und in tausend von Scherben zerbrach.
Mateo kam auf mich zu und packte mich am Kragen. Seine Stimme auf einmal so ruhig.
„Warum?", fragte er mich.
Meine Sicht war auf einmal verschwommen und ich drehte mich beschämt weg. Mateos Seufzen hinter mir sprachen Bände als ich mir schnell über die Augen wischte.
„Sie ist meine Schwester", flüsterte ich.
Stille.
„Und ich beschütze sie. Selbst wenn es meinen Tot bedeutet." Mein Ton wurde kalt. Wie auf Knopfdruck trafen meine Augen die Waffe auf dem Küchentisch.
Ihr Lächeln war mein Sieg.
Es war mein Sieg als sie noch so klein war, dass sie kaum Sätze bilden konnte und es war mein Sieg, als sie begann älter zu werden und mir zu widersprechen.
All ihre Phasen. All ihre Probleme. All ihre Schmerzen. All ihre Tränen. Der erste Junge, von dem sie zitternd vor Angst sprach.
Ich kümmerte mich um sie.
Ich sah wie sie älter wurde.
Ohne Mutter. Ohne Vater. Ich bekam den Beschützerinstinkt eines wilden Tieres.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
Ich hole dich da raus, Mariella.
Habe nur Geduld, meine Prinzessin.
DU LIEST GERADE
𝐔𝐧𝐬𝐞𝐫 𝐅𝐞𝐡𝐥𝐞𝐫 ✓
RomanceMariella Venetien. Ein ruhiges Mädchen - nett und hatte die Angewohnheit immer zu sprechen, wenn ihr danach war. Im Schatten ihres älteren Bruders hatte sie nicht viel Einfluss auf Veränderungen. Selbst wenn ihr Bruder das ganze italienische Viertel...