Kapitel 35

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Die Tage vergehen, die Nächte werden wärmer und die Arbeit fällt mir immer leichter. Inzwischen fühle ich mich schon fast pudelwohl mit meinen Haaren. Die Komplimente und das erfreute Lächeln der Kollegen und Kunden helfen mir da sehr, aber vor allem Miran. Wir verbringen so viel Zeit nach Feierabend miteinander. Er führt mich an die schönsten Ecken Hamburgs, aber am liebsten habe ich es bei mir oder ihm. Er drängt mich dazu, Urlaub zu nehmen, aber aktuell habe ich keinen Bedarf. Einfach, weil mir die Arbeit so viel Spaß macht und ich ihn und Narin habe. Er hat zwar damit recht, dass der Juni sehr entspannt zugeht, aber was soll ich schon machen? War überhaupt nichts mehr los, hat er mich nach Hause geschickt, sodass ich mich wieder an meine aktuellen Gartenprojekte machen konnte - seine Terrasse mit eingeschlossen! Dort wachsen jetzt Erdbeeren und Lilien! Und er hat auch einen Zitronenbaum geholt. Sobald sie reif sind, mache ich uns hauseigenen Saft. Ich ziehe mir gerade mein rotes Hauskleid über und seufze entspannt von der erfrischenden Dusche, die ich genommen habe. Ich habe meine Periode bekommen und das ausgerechnet einen Tag vor meinem Geburtstag. Miran hat mich angefleht, freizunehmen und zu entspannen, aber ich bleibe hartnäckig. Ich könnte zwar zu meinen Eltern, aber ich möchte ehrlich gesagt lieber hier bleiben. In der Heimat sind zu viele unschöne Sachen passiert, als dass ich mich dort noch wohlfühle.

Hier in meiner Wohnung habe ich meine eigene Oase geschaffen. Ich muss mir kein Zimmer mehr teilen und mit einer Trennwand meine Privatsphäre einhalten. Ich kann jeden Sommer, wann immer ich will, mein Fenster öffnen, das Licht ausschalten und zwischen meinen Pflanzen und Kerzen durchatmen. Ich brauche diese Freiheit, so sehr ich meine Familie auch liebe. Erst jetzt habe ich das Gefühl, meine Femininität und Autonomie auszuleben. Allein hier vor dem Fenster zu stehen, die Lebendigkeit der Stadt mitzubekommen, umringt vom warmen Zitronenduft meiner Kerzen, tut mir unfassbar gut. Ich habe sogar beim letzten Anruf kleine Schritte angesetzt und meiner Mutter gebeichtet, dass ich da jemanden kennengelernt habe. Sie weiß zwar nicht, dass es mein Chef ist und auch nicht, dass wir schon ein wirklich festes Paar sind, aber sie ist dennoch sehr glücklich. Ich hatte die Befürchtung, dass sonst alles viel zu schnell geplant werden würde, weil ich eben ihre einzige Tochter bin. Sie leidet sowieso schon an Bluthochdruck und soll sich nicht jetzt schon belasten. Ich habe ihr jedoch versprochen, dass sie ihn kennenlernen wird und sie hat mir versprochen, dass sie es Baba erst sagt, wenn ich mich bereit fühle.

Mein entspannter Blick hebt sich verwundert, als ich das Klingeln meiner Tür wahrnehme. Es kann nur Narin oder Miran sein, dennoch spreche ich in die Gegensprechanlage. "Hallo?" "Shirin, mach die Tür auf." Oh, es ist Miran! Ich drücke den Knopf, schalte das Licht wieder an und öffne wartend meine Wohnungstür. Er wird endlich das rote Hauskleid sehen. Mein Lächeln wird größer, als ich ihn endlich sehe und oh! Er hat Blumen dabei! "Hast du dein Handy ausgeschaltet?", fragt er mich, als er hineintritt. Er sieht wunderbar aus in diesem dunkelblauen Polohemd. "Nein", entweicht es mir leiser. Ich genieße es gerade viel zu sehr, wie nah er an mir steht. Meine Hände fahren über seine Brust, während er sich die Schuhe auszieht. "Hast du Hunger?" "Das hat Nachrang, Shirin." Er lächelt mich sanft an und schaut dann auf seine silberne Uhr. "Du hast Geburtstag." Schon? Auch ich schaue auf seine Uhr und ja, wir haben tatsächlich Mitternacht. Ich lächele. "Ich wünsche dir alles Gute und nur das Beste, Shirin." Das habe ich doch schon bekommen. Ich lasse mich zu einem wunderschönen, zarten Kuss heranziehen, den ich überhaupt nicht beenden möchte, Miran hingegen mir noch einen Kuss auf die Stirn schenkt. "Du siehst wunderschön aus in Rot." "Ich wollte mich schon immer in diesem Kleid vor dir präsentieren." Er erwidert mein Lächeln, überreicht mir mit leuchtenden Augen den wunderschönen Blumenstrauß. Oh! Er hält noch eine kleine Geschenktüte in der Hand.

"Danke, Miran", schmolle ich. Ich sehe die wunderschönsten Rosen in dem kräftigsten Orange und von der großen zentrierten Dahlie und dem lieblichen, weißen Schleierkraut möchte ich überhaupt nicht anfangen. "Ich liebe orange Rosen", flüstere ich. Auch diese Blumen werde ich sorgfältig trocknen und aufbewahren. Das ist der allererste Geburtstagsstrauß, den ich je bekommen habe. Ich kann jetzt schon sagen, dass das hier mein bester Geburtstag ist. Auf dem Weg ins Wohnzimmer schalte ich das Licht im Flur wieder aus. Die vielen Kerzen im Wohnbereich kompensieren die Dunkelheit. "Wolltest du einen Film schauen?" "Nein, ich habe mich ans Fenster gestellt und die Ruhe genossen", erzähle ich ihm, ohne mein Lächeln zu verlieren. Meine Wangen schmerzen schon, aber ich kann nicht anders! Mir ist es nicht einmal möglich, den Strauß wegzulegen. "Möchtest du dein erstes Geschenk sehen?" Gern! Ich nicke aufgeregt. Meine Hände zittern, als ich in die Tüte greife und eine kleine, schwarze Schmuckschatulle hervorziehe. Mir kommt eine wunderschöne Halskette mit einem tropfenförmigen Anhänger entgegen. Der Stein ist durchsichtig, doch dunkelgrüne Maserungen ziehen sich mal feiner und mal stärker über das facettierte Material. "Es wirkt wie ein Stück Natur." "Ist es auch." Ich schaue verwundert zu ihm auf. "Das ist ein Stein, der so in der Natur vorkommt, Shirin. Moosachat. Ich dachte, das passt besser und persönlicher." Moosachat. Natur. Meine Lippen zucken gerührt von seiner Intention. "Ist es", flüstere ich.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt