Kapitel 15

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Seit dem Übernachten meines Chefs ist ein Monat vergangen. Meine Pflanzen lieben den April und auch ich taue langsam wieder auf. Er war weiterhin der seriöse Geschäftsmann und ich hatte weiterhin meine Patzer und meinen Schluckauf. Leider nur noch schlimmer, weil mein Herz jedes Mal zu rasen beginnt, sobald er mich zu lange ansieht. Narin hat immer etwas zu lachen deshalb, aber auch nur, weil sie nicht weiß, dass ich doch ein bisschen mehr in unseren Chef verknallt bin, als ich zugeben möchte. Sie weiß aber immer noch nichts von meinen Gefühlen und Gedanken. Sie weiß nur, dass ich Guacamole liebe und wenn ich ehrlich bin, ist das auch der Deckname für ihn, denn ich halte es nicht mehr aus. Ich muss jemanden erzählen, dass ich verliebt bin, ohne zu viel zu verraten. Deshalb drehe ich mich auch die ganze Zeit angespannt in meinem Bürostuhl, bis Narin kommt, damit wir gemeinsam Pause machen. Ich habe uns Sushi bestellt. Seitdem ich weiß, dass man es über die Firma liefern lassen kann, tue ich das öfter. Mal mit Donuts, mal mit Süßkartoffelpommes und sehr oft mit Sushi. Wie lange braucht diese Frau denn noch?

Ah! Da ist sie ja. Sie hat mir meinen Saft mitgebracht, aber den werde ich nicht trinken können, wenn ich weiterhin so angespannt bin. "Was ist los? Hast du unseren Chef schon wieder einmal beleidigt?" Ich lache nervös. Oh Mann, ich bin so verloren, dass ich nicht einmal meine Lieblingsflasche gewaschen habe, nachdem er sie mir wiedergegeben hat - auch wenn sie schon gewaschen war. Ich werde sie niemals waschen, weil er sie bei sich hatte. "Shirin? Was hast du gemacht?", fragt Narin mich misstrauisch. So misstrauisch, dass ich nicht einmal ihr Zahnsteinchen sehen kann. "Ich bin verliebt", antworte ich verzweifelt. Ich habe das Geheimnis zu lange für meine Verhältnisse in mir getragen. Für mich ist es eigentlich eine gute Nachricht, aber es ist mein Chef. Und dieses Geheimnis meines Geheimnisses kann ich ihr nicht sagen. Deshalb wird mein Chef auch Guacamole heißen. "In wen?", kreischt sie sofort los. Narin rennt die wenigen Meter auf meinen Schreibtisch, um meine Flasche auf den Tisch zu klatschen. Ihre Augen sind geweitet, als wäre ein Wahnsinniger hinter ihr her oder als sei sie selbst die Wahnsinnige. "Zeig mir sofort Bilder!" Im Leben nicht! Ich habe nicht einmal Bilder von diesem Hübschling und wenn ich eins hätte, wäre mein lebensechter Papp-Shah-Rukh-Khan nicht mehr allein.

"Ich habe keins." Das Ganze ist vielleicht doch zu riskant. Ich hickse schon nervös. Hoffentlich verschlucke ich mich deshalb nicht am Sushi, das ich jetzt zittrig bereitlege. "Wie heißt er? Wie groß ist er? Hat er viel Geld?" Genügend Geld, um eine ganze Firma zu bezahlen anscheinend. Was soll ich nur antworten? "Er heißt Guacamole." Daraufhin herrscht Stille. Ich weiß nicht, ob Narin so verwirrt ist, weil ich unseren Chef so nenne oder weil sie realisiert hat, wer Guacamole ist, aber was auch immer der Grund sein mag: Meine Nasenspitze juckt. Dass mir beim Kratzen ein Hickser ausrutscht und ich deshalb versehentlich über meinen Nasenrücken kratze, ist wahrscheinlich meine eigene Schuld. "Was ist?", murmele ich unsicher. Sie hat das Sushi gar nicht angerührt. "Heißt er wirklich Guacamole?" "Ja", murre ich. Mir wird heiß. Vielleicht ist Guacamole doch zu offensichtlich. "Und hast du ihn hier auf der Arbeit kennengelernt?" Ich zittere vor Nervosität. Mein Hicksen wird immer lauter. Das Muttermal auf meiner Nasenspitze juckt wie verrückt. "Nein, im Pflanzenladen", erwidere ich zu erstickt. Sushi! Ich brauche Pause. Wieso habe ich es ihr erzählt? Und wieso wirkt sie enttäuscht? Weiß sie, dass es doch für unseren Chef steht? Will sie deshalb nicht mehr mit mir befreundet sein?

"Was?", murmele ich gegen mein Stück Sushi. "Nichts. Ich wollte dich nur mit ... ach, schon gut. Erzähl mir mehr über Guacamole. Heißt er wirklich so oder ist es sein Deckname?" "Sein Deckname." "Und habt ihr euch schon getroffen?" Wir haben sogar auf dem Sofa zweimal miteinander ... beieinander geschlafen. "Wir haben zwei Bollywood-Filme geguckt." Ich zucke erschreckt zusammen, als Narin noch beim Antworten laut die Luft einzieht. "Du hast nicht mit ihm einen Bollywood-Film geschaut! Ich bin die Bollywood-Freundin! Freitag werden wir das ausgleichen." Mich überkommt eine erleichternde Woge der Zufriedenheit. Narin möchte mit mir befreundet bleiben und unsere Verbindung sogar stärken. Ich freue mich. "Aber zurück zu Guacamole." Sie stopft sich jetzt endlich ein Stück vom Ebi Tempura Maki in den Mund. "Wie ist er so?", nuschelt sie und ich seufze verträumt. "Er ist so hübsch", setze ich verzweifelt an. "Und er ist so toll und er hat mir auch geholfen und er ist so ... hübsch." Ich kann meine Gefühle nicht in Worte fassen, vor allem, weil ich Angst habe, mich zu verraten. "Aber wie habt ihr euch kennengelernt?" Was soll ich ihr sagen? "Ich wollte neuen Dünger für eine neue Pflanze und er hatte die Pflanze schon und hat mir viel zu ihr erzählt und dann ... ist es passiert", murmele ich.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt