Kapitel 40

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Es ist Montag. Zwischen Miran und mir herrscht immer noch Funkstille ... und es tut unfassbar weh. Ich bin nach meinem letzten Arbeitstag am Montag noch bis vier Uhr wach geblieben, in der Hoffnung eine Antwort zu erhalten. Ich habe viel geweint und ich weine auch jetzt, als ich mich fertigmachen will. Mir fehlt die Kraft. Dementsprechend sehen auch meine Haare aus. Viele Locken sind über die Nacht nahezu glatt geworden. Ich weiß, dass sie sich wieder kringeln werden, sobald ich rausgehe, vor allem, weil es regnet, aber ... ich möchte nicht. Ich habe Angst, ihn zu sehen. Narin hat sich durchgängig bei mir gemeldet, wollte vorbeikommen, aber ich wollte allein sein. In ihrer Anwesenheit hätte ich sowieso nur weinen können, also was bringt es? Mich verlässt schon das vermutlich zehnte Seufzen innerhalb der letzten zwei Minuten. Der Gedanke, auf der Arbeit aufzutauchen und all die Zeugen meiner Demütigung anzutreffen, stresst mich. Mein Herz schlägt ganz schwer in meiner Brust. Ich habe es schon die vergangenen Tage an meinem Ohr durch mein Kissen gehört und gespürt. Ich ... mein Gesicht verzieht sich wieder weinend. Ich möchte nicht gehen, aber ich kann mich nicht ewig verstecken, so gern ich es auch möchte. Mag er mich wirklich nicht mehr?

Ich wische mir schniefend mein Gesicht trocken, doch mir fallen die Tränen noch beim weiteren Verlauf über meine Wangen. Ich schlüpfe lustlos in ein schwarzes Strickkleid, ziehe einen lockeren, schwarzen Cardigan rüber, den ich müde zuknöpfe. Und schon wieder verlässt mich ein Seufzen. Mich reizen der frische Wind und die kühlere Temperatur meines Autos. Ich will nicht zur Arbeit. Ich möchte ihm nicht begegnen, wenn er mich nicht mehr mag. Mich verlässt der Stress und Kummer kein Stück. Sie werden nur noch stärker, je näher ich der Firma komme. Ich halte den Blick gesenkt, als ich aus dem Auto steige und auch in der Firma schaue ich den gesamten Weg auf den Boden. Meine Finger flechten und öffnen immer wieder meine Haare, nehmen ihnen so mehr und mehr ihre lockige Struktur. Ich möchte überhaupt nicht in den Aufzug steigen, aber genauso wenig möchte ich 20 Etagen hochlaufen, daher verstecke ich mich hinter allen in der Ecke rechts und kratze beschämt meine Nasenspitze. Haben sie von dem Vorfall mitbekommen? Wer von ihnen hat vom Gerücht gehört? Mein Herz rast schon, wenn sich ihre Blicke leicht zur Seite drehen, als würden sie versuchen, mich zu beobachten. Ich drücke mich deswegen immer weiter in die Ecke, atme so wenig wie möglich, bis ich aussteigen kann und wortlos in mein Büro flüchte. Ich kann Narin nicht begrüßen. Ich schäme mich zu sehr.

Heute habe ich drei Kunden, also kann ich Miran gut aus dem Weg gehen. Ich seufze erneut. Meine Hände gleiten die ganze Zeit gestresst durch meine Haare. Durch meinen Kummer kann ich mich überhaupt nicht für die Gespräche der Kunden vorbereiten. Ich ignoriere die ersten Anrufe sogar und hoffe, dass sie nie wieder versuchen, mich zu kontaktieren. Der prasselnde Regen hinter mir macht mich nur noch müder. Ich möchte wieder nach Hause. Dass es ausgerechnet jetzt an meiner Tür klopft, lässt mich erschrocken zusammenzucken. Mein Herz rast. Wer ist da? Diese Frage bleibt mir im Hals stecken, doch dann sehe ich Narins besorgten Augen, als sie in mein Büro tritt. "Hey, Maus." "Hallo", murmele ich. Mein Blick gleitet unwohl zu meinem Bildschirm. "Wie geht es dir?" Meine Mundwinkel zucken traurig bei dieser Frage. Ich bin traurig, aber ich möchte es nicht aussprechen, weil ich sonst wieder in Tränen ausbrechen werde. Deswegen zucke ich nur stumm mit meinen Schultern. Meine Finger zittern merklich, als ich zusammenhangslos auf meiner Tastatur tippe. Es wird nur noch schlimmer, als Narin zu mir um den Tisch kommt und mich seufzend in ihre Arme nimmt. Ich schaffe es nicht. Ich weine. "Shirin", setzt sie sanft an. Als Antwort schaffe ich es nur zu schluchzen. Warum meidet er mich? Warum hat er mich angeschrien, wenn er weiß, wie ich in der Vergangenheit behandelt wurde? Ich dachte, wir helfen uns gegenseitig.

"Shirin, was ist passiert?" Ich schüttele den Kopf. Es ist mir viel zu unangenehm, um darüber zu reden. Aktuell ist es mir sowieso nicht möglich, einen akustisch verständlichen Satz von mir zu geben. Ich verstumme, wenn ich traurig bin. Sie drückt mich fester an sich. Mein Beben macht sich dadurch nur noch bemerkbarer und obwohl ich allein sein möchte, benötige ich diese Umarmung sehr. "Soll ich später für dich etwas zu essen bestellen?" Ich nicke schniefend. "Sushi?" "Mir egal", murmele ich nasal. "Ich hole dir Sushi. Schreib mir, wann du Pause machen möchtest. Willst du etwas? Einen Kakao?" Bei diesem trüben Wetter würde er mir wirklich guttun, daher nicke ich und wische mir meine Tränen weg, als Narin sich von mir löst und mein Kinn von meinen Tränen befreit. Ihre Augen glänzen traurig, als sie mich betrachtet. "Schreib mir, wenn du noch etwas benötigst, Maus. Ich hole dir jetzt deinen Kakao, ja?" Ich nicke, gebe mein Bestes, mir ein Lächeln abzuringen, welches sie sanft erwidert.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt