Die Monate vergehen gut. Die Lage der Azwers bessert sich sukzessiv, aber da ist noch Luft nach oben. Wir haben am ersten Weihnachtstag gemeinsam zu Abend bei Mirans Mutter gegessen, doch ohne meine Familie. Es war viel zu spontan, um meinen Eltern zu erklären, dass Miran sich damals nur verhaspelt hat und bloß sein Vater tot ist und nicht beide, obwohl er sich nie verspricht und es aus tiefstem Herzen kam. Na ja, egal. Der Frühling ist wieder da. Meine Orchideen strahlen und mein Büro ist voller oranger Rosen und gleichfarbigen Dahlien. Ich liebe es. Mein Tipp, den ich Miran gegeben habe, als er mit einem neuen Strauß kam, war es, einige Tage abzuwarten, wenn neue Blumen im Laden sind, weil diese dann Nachmittags stark reduziert werden. 3,99 für einen Strauß voller Rosen, die noch gut eine Woche blühen? Wieso nicht! Ich begleite gerade unseren Kunden zum Aufzug und tapse dann in die Küche. Susi hat Nudelsalat mitgebracht und ich liebe Nudelsalat! Miran ist da kein sonderlich großer Fan davon, weil ihn die massive Menge an Mayonnaise verstört. Na ja, als alter Mann muss er eben prophylaktischer werden, um verkalkte Arterien zu vermeiden.
Mein Heißhunger auf Miran steigt von Tag zu Tag, seitdem ich mir die Spirale entfernen lassen musste. Nach einer Zeit hatte ich starke und schmerzhafte Regelblutungen. Ich musste jedes Mal unter die Dusche springen, wenn ich meine Binde wechseln wollte, weil ich das ganze Blut nicht sehen konnte und schon wirklich umgekippt wäre. Miran stand mir stets zur Seite und hat sich um die Entsorgung gekümmert und vorsichtshalber neben mir an der Wanne gestanden, um sich zu vergewissern, dass ich nicht umkippe. Davor habe ich eine Toleranz aufgebaut, aber das? Nie wieder. Ich bin kurzzeitig auf die symptothermale Methode umgestiegen, doch meine Frauenärztin hat mir davon abgeraten, weil diese zu unsicher ist. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, schwanger zu werden, aber dann denke ich mir, dass es doch zu früh ist ... oder nicht? Ich werde dieses Jahr 27. Langsam, langsam sollte doch etwas in die Wege geleitet werden, auch wenn ich vor der Hochzeit unsicher war. Ich habe es mit Miran noch nicht besprochen, aber er wird auch nicht jünger, so hinreißend er auch aussieht.
Ich schöpfe mir noch eine gute Menge des Nudelsalats auf meinen Teller und begebe mich dann in sein Büro. Er telefoniert gerade noch, weshalb ich mich stumm vor ihn hinsetze und meinen Salat genieße. Er sieht wirklich schnuckelig aus, wenn er seine Augenbrauen zusammenzieht, nebenbei telefoniert und sich etwas aufschreibt ... sehr schnuckelig. Und wie er den Stift hält. Ich wünschte, ich wäre der Kugelschreiber. Redet er immer so tief und professionell? Ist seine Stimme immer so rau? Ich wickele mir verträumt eine Strähne um meinen Finger, während ich an meiner Gabel knabbere. "Gut, wir belassen es vorerst bei den Entwürfen. Meine Frau wird einen Termin mit Ihnen vereinbaren." Seine Frau, schnurre ich innerlich. Hält er sein Handy immer so attraktiv? Zeigefinger abstehend und fast seine Außenkamera berührend, während der Rest die Seitenrahmen festhalten? Als er dann endlich auflegt, seufze ich leise. "Wie kann ich dir helfen, Shirin?" Ich will ein Kind von dir. Jetzt. "Wie gehts?" Er lächelt unschuldig. Armer Mann. Ich will ihn hier und jetzt fressen. "Gut, Shirin. Danke. Wie geht es dir?" "Gut", murmele ich. Ach, mein Nudelsalat ist auch noch da. Ich gönne mir wieder eine Portion. Erstens, weil er schmeckt und zweitens, damit ich nicht über ihn herfalle.
"Was hältst du von einem Kind?" "Du hast zu viel Nudelsalat intus, kann das sein?" Miran und ich haben die Theorie aufgestellt, dass mich zu viel Mayonnaise benommen macht. Nach jedem Kartoffel- oder Nudelsalat, aber auch, wenn ich größere Mengen zum Dippen verwende, fühlt sich mein Kopf zu leicht an, und ich könnte danach zehn Stunden schlafen. Vielleicht liegt es auch daran, dass mein Blutzucker in die Höhe steigt. Ich weiß es nicht. "Nein", antworte ich dennoch. "Antworte, alter Mann." "Shirin, wir sind kein Jahr verheiratet", betont er. "Ja, aber ..." Ich schmolle. "Willst du denn keine Kinder?" "Nicht so früh, nein." Was heißt hier früh? Er ist 33, ich 26. "Aber –" "Nein, Shirin. Ich habe dich nicht einmal annähernd genießen dürfen. Ende der Diskussion. Schlag dir das für dieses Jahr aus dem Kopf." Pff! "Alter Sack", murre ich beleidigt, ehe ich mit meinem Nudelsalat aufstehe und sein Büro verlasse.
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Tollpatschige Liebe
RomanceShirin ist auf dem Weg einen neuen Abschnitt in ihrem Leben zu beginnen. Weg aus der Kleinstadt, welche man schon als Dorf bezeichnen kann. Mit ihren 25 Jahren ist Shirin bereit für die Großstadt und will in einem Unternehmen tätig werden. Sie ist v...