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Der Winter geht leider viel zu schnell vorbei.
Silvester verbringen wir mit meiner Familie in Stuttgart und eigentlich muss ich sagen es ist ziemlich peinlich der Freundin einen Neujahrskuss zu geben, wenn die ganze Familie zu schaut.

Naja was solls, geküsst habe ich sie trotzdem fleißig.

Im Januar geht für uns beide das Training wieder los und die letzten Klassenarbeiten werden geschrieben.
Dank Lia schneide ich da echt voll in Ordnung ab.

Über die Bundesligaspiele im Februar reden wir besser nicht allzu viel.
Nur ein Sieg und drei Niederlagen. Davon war ich einmal nicht im Kader und wurde einmal einfach nicht eingesetzt.
Den Februar vergessen wir daher lieber mal ganz schnell.

Die Zeugnisvergabe auch.
Ne 4 in Englisch und Mathe, immerhin eine zwei in Deutsch und sogar eine 1 in Sport.
Sonderlich gut kommt das trotzdem nicht zuhause an und somit gibt's erstmal eine ordentliche Standpauke.

Lias Zeugnis ist dafür umso besser. Ihre schlechteste Note ist eine drei in Mathe ansonsten nur 1er und 2er. Kann sich sehen lassen.

Dafür läuft es für sie im Fußball schlecht.
Aber das sollte ich erst später erfahren.

Wir Jungs rennen lachend über den Trainingsplatz, vertieft in unser Spiel als das laute heulen einer Sirene uns unterbricht.
Ein Krankenwagen biegt um die Ecke und hält am anderen Trainingsgelände.
Dem der Mädchen.

Natürlich unterbrechen wir alle sofort unser Training und stehen am Zaun, versuchen irgendwas zu sehen.
Leider sieht man nur zwei Sanitäter, die mit einer Trage angerannt kommen und dann verschwinden.

Was zur Hölle ist da bitte los?

Die Frage klärt sich, als eines der Mädchen auf unserem Platz erscheint.

"Wer von euch ist Nico?" brüllt sie in die Runde und ich hebe meinen Arm.
"Lia" sagt sie nur und rennt davon.
Ich bin glaube ich noch nie so schnell über einen Zaun gesprungen und gerannt.

Schwer atmend bleibe ich neben der Gruppe Mädchen stehen, die betroffen auf den Boden starren.
Lia liegt dort auf einer Trage, offensichtlich bewusstlos während die Sanitäter sie stabilisieren.

"Was ist passiert?" platzt es aus mir heraus und alle sehen mich an.
"Sie hat sich an den Oberschenkel gefasst" erklärt Sarah mir leise "Und dann ist sie einfach zusammen gesackt."

Die Sanitäter heben Lia mittlerweile hoch und gehen mit ihr zum Krankenwagen.

"Kann ich mit?" frage ich leise und meine Stimme bricht "Ich bin ihr Freund."
"Hat sie hier Angehörige?" einer der beiden sieht mich an und ich schüttle den Kopf.
"Dann los" er winkt mich mit sich.

Schweigend sehe ich dabei zu, wie Lia auf dieser Trage in den Krankenwagen gehoben wird und setze mich dann auf die Bank neben ihr während wir ins Krankenhaus fahren.
Sanft greife ich nach ihrer Hand und halte sie fest, Lia gibt keinen Ton von sich. Mittlerweile ist sie wieder wach und start einfach an die Decke über sich.

Im Krankenhaus muss ich auf dem Flur warten bis Lia fertig untersucht wurde und nach Hause gehen kann.
Sie geht auf dem Gang einfach mit ihren Krücken an mir vorbei.

"Lia?" ich stehe auf und sie dreht sich seufzend um.
"Hallo Nico" murmelt sie.
"Ich hab auf dich gewartet" antworte ich und gehe vorsichtig auf sie zu.
Lia nickt einfach nur und läuft weiter.
Ich hole sie ein und laufe einfach schweigend neben ihr her.

Lia sagt kein einziges Wort, als wir in die Straßenbahn steigen und zurück zum Trainingsgelände fahren.
"Soll ich nicht Keven fragen ob er uns abholen kann?" biete ich zum zehnten mal an und Lia schüttelt erneut den Kopf.

Eigentlich hatte sie sogar vor mit ihren Krücken die Treppen in den zweiten Stock zu nehmen doch ich halte sie zurück.

"Lia" sage ich "Ich trage dich."
Sie schüttelt den Kopf.
"Es ist in Ordnung Hilfe anzunehmen" versuche ich es erneut.
Stur dreht sie sich herum und nimmt die ersten Stufen.
Bis es ab der fünften Stufe vor Anstrengung schon nicht mehr geht.

"Komm" sanft nehme ich ihr die Krücken aus der Hand und lehne diese einfach an die Wand. Die kann ich auch noch später holen.
Vorsichtig lege ich Lia einen Arm unter die Knie und hebe sie hoch, trage sie in den zweiten Stock nach oben und klingle dort an ihrer Tür.

Sarah öffnet sofort und lässt uns herein.
Gemeinsam stützen wir Lia und setzen sie auf dem Bett ab.

"Geht bitte" flüstert sie leise, als wir unschlüssig stehen bleiben "Ich muss alleine sein."
Also schließen wir die Türe hinter uns und Sarah bietet mir einen Kaffee an, den ich dankend annehme.

"Was hat sie?" hackt sie leise nach.
"Ich hab keine Ahnung" entgegne ich seufzend "Sie redet nicht."

Das bleibt auch die ganze Woche so.
Ich erfahre von der Vereinswebsite was meine eigene Freundin für eine Verletzung hat.
Muskelfaserriss. Richtig übel.

Anrufe und Nachrichten ignoriert sie nicht nur von mir, sondern auch von ihren Mädels.
Lia redet kein Wort.

Eigentlich will sie mich momentan nicht sehen aber ich stehe dennoch vor ihrer Tür.
Sarah öffnet mir seufzend.

"Sie hat richtig üble Laune" flüstert sie mir zu "Auf dein eigenes Risiko."
Dann schiebt sie mich in Lias Zimmer.

Meine Freundin sitzt auf ihrem Bett mit einem dicken Verband um den Schenkel.
"Hi" sage ich vorsichtig "Ich hab dir Blumen mitgebracht."
Ich stelle den Strauß Rosen in eine Vase auf ihren Schreibtisch.
"Danke" antwortet sie leise.

Vorsichtig lasse ich mich aufs Bett sinken und sehe sie an.
"Möchtest du jetzt mit mir reden?" sanft nehme ich ihre Hand in meine.
"Es tut mir leid" flüstert sie leise "Ich musste einfach für mich sein."
"Ich versteh das" entgegne ich sanft "Aber ich bin doch für dich da."
"Ich weiß" murmelt sie tonlos.
"Ist es so schlimm das du nicht mit mir redest?" sanft hebe ich ihr Kinn an.

"Ich kann vielleicht kein Fußball mehr spielen Nico" unter Tränen sieht Lia mich an.
Okay das ist wirklich schlimm.
"Hey nein" sanft sehe ich sie an "Das wird wieder heilen."
"Bist du Arzt oder was?" schluchzt sie leise.
"Nein" entgegne ich "Aber ich glaube daran das du wieder fit wirst."

Leider wird Lia nicht in den nächsten Monaten wieder fit.
Es dauert bis in den Mai hinein, bis ihre Verletzung vollständig verheilt ist und sie endlich wieder trainieren kann.

Diese Zeit war eine echte Belastungsprobe für unsere Beziehung.

Mein siebtes Saisontor per Kopf Anfang März gegen Wehen konnte sie zwar trotz Auswärtsspiel live im Stadion sehen aber freuen konnte sie sich nicht wirklich.
Auch unseren Einzug ins DFB Pokalfinale hat sie mitverfolgt, ein schöner 2:0 Sieg gegen Mönchengladbach.

Immerhin kassiere ich Ende April die fünfte gelbe Karte, was echt keinen gewundert hat und pausiere das nächste Spiel.
Somit kann ich mit ihr auf der Tribüne das Spiel ansehen.

Trotzdem ist Lia immer irgendwie da, wenn es wichtig für mich ist. Egal wie sehr sie mit ihrer Verletzung hadert.

Ich kaufe ihr ziemlich oft Blumen, sehe mir stundenlang nach dem Training Filme mit ihr an oder koche für sie. Helfe ihr beim umziehen und versuche einfach alles, damit sie lacht.

Als ich am 5. Mai die U19 des Sc Freiburg als Kapitän aufs Feld führen darf ist Lia auch dort. Sitzt in meinem Trikot auf der Tribüne, die Krücken daneben.

Ich werfe ihr vor Spielbeginn einen Kuss zu und sehe sie zum ersten Mal seit Monaten wieder lächeln.

Endlich.

In the 𝒈𝒍𝒐𝒘 of stadium lightsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt