Kapitel 11

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- 5 Tage später -

"Also, Frau Jackson. Haben Sie noch einen Wunsch, den ich ihnen erfüllen könnte?"
"Oh nein, Herr Knox. Bitte, Sie haben sich den Feierabend verdient."
Es war wie immer: Die Patienten waren freundlich und gut auf Malakai zu sprechen, während der Chef eine Schicht nach der nächsten auftrug, um Kai von seiner Freizeit abzulenken. Nächste Woche hatte er 3 Tage lang Früh- und Spätdienst, 2 Tage Frühdienst und das Wochenende Spätdienst, dafür den Rest dieser Woche frei. Es war Dienstag, weswegen sich dies wirklich lohnte. Er konnte sich mental also komplett auf die Schichten vorbereiten.

Bei den Titans war er noch immer nicht. Die Zeit war eben knapp geworden. Und außerdem hatte er noch immer bange davor, sich bei Ace blicken zu lassen und ihn direkt auf das, was er von seinem Vater bezüglich ihm gehört hatte, anzusprechen. Er hatte sich eigentlich bereits genau überlegt, was er sagen könnte, wie er es ansprechen konnte und hatte sich sogar Gedanken darüber gemacht, was er tun würde, sollte es passieren, dass Ace ihn angriff. Er hatte sich sogar Videos im Internet angesehen, wie man sich gegen Messerattacken wehren konnte. Schließlich wollte er auf alles vorbereitet sein und sich auch wehren können, wenn es denn passieren würde und wenn er denn da war. Es stand zwar fest, dass er gehen würde, doch die Frage war, wann er dies tun würde. Ob er denn überhaupt genug Mut hatte, zu einem mutmaßlichen Mörder zu gehen. Aber den Grund für diese Tat wusste er ja auch noch nicht. Gab es vielleicht einen plausiblen Grund für diesen Mord? Aber was konnte es rechtfertigen, wenn jemand umgebracht wurde? War es vielleicht Selbstverteidigung? Aber wie sollte sich Ace mit einer Herzattacke gegen seinen Boss wehren?
Vielleicht war ja doch alles ganz harmlos und es gab eine ganz einfache Erklärung. Andernfalls vielleicht auch nicht? Vielleicht war Ace ja doch einfach nur psychisch krank und hatte diesen Mann mit Absicht an der Herzattacke sterben lassen. Aber das konnte Kai sich auch nicht vorstellen, so gut, wie Ace zu ihm war. Wie ein zweiter Vater, so dachte er manchmal.

Ein tiefes Seufzen entfloh der Kehle des Alphas. Diese ganzen Gedanken schwebten ihm schon den ganzen Tag- nein sogar die ganzen letzten fünf Tage im Kopf umher. Ein Glück hatte er nun endlich Feierabend und musste sich nicht mehr auf seine Patienten konzentrieren. Was sollte er sagen, wenn einer von ihnen den Verdacht, dass mit Kai etwas nicht stimmte, äußerte und ihn für den Grund fragte? Bestimmt nicht, dass er überlegte, dass einer seiner Patienten und der Vater seiner besten Freundin ein mutmaßlicher Mörder war und er nun überlegte, wie er dies ansprechen konnte. Man würde ihn für verrückt halten und ihn von seinem Job kündigen. Vielleicht weniger. Vielleicht noch mehr. Wer wusste, was denn alles Kündigungsgründe waren, es sollte Kai erst dann beunruhigen, wenn er denn solche Informationen von sich geben würde, was ihm aber nicht passieren würde, da es ihm nicht passieren sollte. Er nahm die Arbeit immerhin ernst und hatte Glück, dass Ace nicht mehr als Patient für ihn galt. Stellenweise war Kai darüber erleichtert. Und da seine anderen Patienten für den Tag wunschlos glücklich und versorgt waren, schwang er sich auf sein Motorrad und rollte los, um Nachhause zu gelangen. Dabei ließ er wie immer den Wind seine Gedanken wegwehen und erleichterte sich dadurch den Kopf, um nicht mehr an die Titans zu denken. Gar nicht mal so einfach. Vor allem, weil er an der Stelle vorbeifuhr, wo vor wenigen Tagen noch Bajarka und seine Kollegen an dem Baum gearbeitet haben, der kurz davor war, auf die Straße zu fallen. Inzwischen waren sie dabei, ihr Zeug einzuräumen. Der Baum war beseitigt und die Waldarbeiter gingen nach und nach wieder Nachhause. Soweit Malakai sehen konnte, erkannte er nun nur noch Bajarka und einen anderen Arbeiter. Dabei überkam es Kai, dass er auch von Blade lange nichts gehört hatte. Ob sie sich fragte, wo er war? Vielleicht hatte sie ihn während der Zeit ja ständig versucht, zu erreichen? Auf sein privates Handy hatte er ja schon länger nicht gesehen. Nur sein Arbeitshandy hatte er benutzt, auf dem Blades Nummer nicht eingespeichert war. Er musste nachsehen.

Tatsächlich. 3 verpasste Sprachanrufe und 8 Nachrichten von Blade, 3 Nachrichten von Weston.
Kai war mittlerweile wieder Zuhause, hatte niemanden im Haus gesehen, als er heimgekommen war und war folgend sofort in sein Zimmer gegangen, um sein Telefon zu checken. Sie hatten ihn scheinbar wirklich vermisst. Beide hatten gefragt, wann sie sich denn wiedersehen würden, hatten Termine vorgeschlagen und ihn gefragt, wieso er nicht antwortete. Langsam kam ihm ein schlechtes Gewissen, als er diese Nachrichten laß. Blade schien ihn wirklich zu vermissen und mit jeder Nachricht schien sie enttäuschter zu sein.
"Oh man... ich sollte antworten." Meinte er und tippte auf das Telefon, um sie sofort anzurufen.
"Hallo?" Fragte es an der anderen Leitung nach einem kurzen Tuten. Wahrscheinlich war sie gerade an ihrem Handy.
"Hallo, Balde. Ich bin's. Entschuldige dass ich mich jetzt erst melde. Ich war in letzter Zeit selten an meinem privaten Handy. Die Arbeit." Erklärte er sofort und versuchte, nicht allzu gleichgültig zu klingen, doch es klappte nicht so wirklich. Er war noch immer in Gedanken aufgrund von Ace. Auch deswegen fühlte er sich allmählig schlecht.
"Die Arbeit? Du hast dich tagelang nicht gemeldet, ich hatte langsam Angst, dass etwas passiert ist. Wie viel muss denn los gewesen sein, dass du nicht einmal fünf Minuten hattest, um auf dein Handy zu schauen?" Fragte sie ein wenig ablehnend. Langsam merkte es Kai: Seine Angst hatte es zu weit gebracht. Nur wegen Ace hatte er seine Freunde vernachlässigt und sich stattdessen überlegt, ob und wie er es mit Ace ansprechen würde. Sogar ein ganzes Konzept hatte er sich zusammengestellt. Fast sogar ein Drehbuch darüber, was passieren könnte und was passieren wird. Er würde es ganz sicher ansprechen, sobald er bei Ace war. Doch stand noch immer in den Sternen, wie er es anstellen sollte, überhaupt aufzukreuzen.
"Hallo??" Kam es erneut von der anderen Leitung, was ihn sofort aus der Gedankenwelt stieß und zurück in die Realität brachte. Sofort bereute er wieder, sie in Stille gelassen zu haben und rieb sich quer über das Gesicht.
"Entschuldige... ich hatte einfach viel zu tun. Es ist schwierig..."
"Schwierig? Kai, ich glaube, du verheimlichst mir was, kann das sein?" Fragte sie ziemlich ahnend und erinnerte Kai sofort an seine Mutter. Hatten Frauen so einen 7. Sinn, der sie Männer durchschauen ließ?? Oder vielleicht war Kai auch einfach nur zu durchschaubar. Oder vielleicht war beides der Fall. Wie auch immer, Kai wollte seine beste Freundin jedenfalls nicht anlügen. Das hatte sie nicht verdient. Sie hatte immerhin schon genug Lügen hinter sich.
Er seufzte und nahm die Hand von seiner Stirn, um sich darauf vorzubereiten, die Wahrheit zu sagen.
"Hör zu... ich... ich will dich nicht anlügen. Es ist wegen... wegen deinem Vater."
"Meinem Vater??" Blade klang überrascht. Etwas ungläubisch und fühlte sich sehr wahrscheinlich etwas hintergangen. "Warum wegen Ace? Was hat er getan? Ich dachte, ihr versteht euch."
"Das tun wir", sprang Kai ein und kratzte sich etwas nervös am Hinterkopf "ich habe... nur etwas gehört über ihn. Das macht mir... naja... das macht mir Angst."
"Angst?" Fragte Blade, doch eher klang es wie ein Ausruf als wie eine Frage. "Du hast Angst vor meinem Vater wegen etwas, das du gehört hast?"
"Nein... ich meine... ja. Es ist wirklich kompliziert. Mein Vater, Tucker-"
"Tucker?! Na jetzt wird mir alles klar!" Nun klang sie wütend. Ihre Stimme klang, als würde sie jeden Moment in die Luft gehen. Wusste sie bescheid?
"Was meinst du?" Fragte der Alpha vorsichtig, doch Blade schwieg. Er hörte ihr schweres, gereiztes Atmen und zog die Lippen ein. So wollte er nach 5 Tagen nicht wieder den Kontakt mit ihr starten.
"Pass du jetzt mal auf!" Unterbrach sie plötzlich die Stille und wies Kai sofort zurück. "Ich bin grad noch auf der Arbeit, aber Ace ist da! Du kommst jetzt sofort zu mir Nachhause und redest mit ihm, ist das klar?! Ich will keine Widerrede. Ich weiß genau, dass du bereits Feierabend hast, also komm mir nicht mit der Arbeit! Ich werde auch bald kommen. Ich werde dir dann das erklären, was Ace nicht kann. Hast du verstanden?!"
So wütend hatte Kai sie noch nie erlebt. Sie war so verdammt aufbrausend, dass Kai sich kurz einen Moment nehmen musste, um zu schlucken. In welches Fettnäpfchen war er nur wieder getreten?
Aus lauter Einschüchterung begann er nun zu nicken, obwohl Blade dies natürlich nicht sehen konnte, was er kurzzeitig jedoch vergessen hatte.
"Hallo??" Schrie sie plötzlich ins Telefon und ließ Kai dadurch zurückschrecken. Nun bekam er es auch mit und bekam endlich den Mund auf:
"J- ja! Entschuldige..."
"Tschüss!"
Und schon legte sie auf und ließ Kai verdutzt auf dem Bett sitzend.
"... Tschüss..." Murmelte er noch und nahm sein Handy vom Ohr. Zum Anwesen der Titans? Jetzt? Sofort? Großer Gott... was würde ihn erwarten, wenn er dort ankäme? Vor allem mit Bajarka, der ihm die Dinge erklären sollte? Was sollte er denn erklären, das Ace nicht selbst erklären konnte? Hilfe...

Ein paar Minuten später und nachdem Malakai sein Drehbuch noch einmal durchkämmt hatte, war er auf sein Motorrad gestiegen und stand nun vor dem Haus der Titans. Er war schon immer nervöser geworden, je näher er dem Haus kam. Jeder Meter sorgte für mehr Urin in seiner Blase und für ein weicher werden seiner Muskeln.
"Mrr..." Stöhnte er nervös hervor und schaute noch einmal auf sein Drehbuch.
"Alsoo... äh... 'Hi Ace, entschuldige die Störung, ich muss mit dir reden'... 'Ach ja, worüber denn, Kai?' 'Über Ihren früheren Boss'..." ein letzter Blick fiel auf seine Jackentasche, in der die Taschentücher darauf warteten, Ace übergeben zu werden.
"Oder sollte ich doch erst die Taschentücher geben und erstmal Andeutungen machen...? Vielleicht kommt er von sich darauf..."

"Kai?"

"AHHH!!"

Von einem Moment auf den nächsten fuhr Malakai das Leben vor dem geistigen Auge vorbei, als ihn plötzlich jemand von der Seite ansprach. Dabei erschreckte er sich so sehr, dass er zur Verteidigung sogar sein Notizheft, in dem das Drehbuch geschrieben war, nach der Person warf, die erschienen ist. Dabei wurde durch die grauen Haare, von denen ein Teil in das eckige, betonte Gesicht fielen, die grauen Augen und die unverkennbaren Tattoos des anderen Alphas klar, dass es Ace war, der das Notizheft mit dem Gesicht auffing und daraufhin zu Boden fallen ließ. Ein wenig erschrocken blieben dabei seine Augen noch geschlossen, eh er sich fasste und mit einem etwas strengeren Gesicht zu Malakai schaute.
"Nette Begrüßung..." Kommentierte er und rieb sich die etwas schmerzende Nase.
"Ace! Heeeeey... du hast mich ganz schön erschreckt." Kai versuchte, sich die Nervosität nicht anmerken zu lassen und sich gegen die Hauswand zu lehnen, was aber nicht klappte, da er davon ziemlich weit entfernt stand, sodass er stattdessen gegen diese fiel und sich mit den Hände abfing.
"Au..." Murmelte er dabei kleinlaut und stellte sich durch diese etwas grobe Abkühlung nun wirklich etwas gelassener vor Ace.
"Ja... das merke ich." Entgegnete der Grauhaarige daraufhin mit einem skeptischen Blick und legte den Kopf ein wenig schief. "Geht's dir gut?"
"Ja... ja mir fehlt nichts... glaube ich."
Mit dieser Bestätigung fiel Ace's Blick dann auf das Notizheft, das auf dem Boden gelandet war und hob es auf. Dabei fiel ihm einiges auf, was dort drinnen stand. Vor allem die Namensgebung und die möglichen Antworten.
Kai nahm es sofort entgegen und versteckte es mit den Händen.
"Dankeschön! Entschuldige bitte, dass ich es dir gegen den Kopf geworfen habe... das wollte ich nicht."
"Hast du dir etwa ein Drehbuch geschrieben, um mit mir zu reden?" Fragte Ace weiterhin skeptisch schauend und klang nun recht belustigt über das Verhalten des Jüngeren, welches Kai allerdings abstritt.
"Nein! Nein... das gehört mir gar nicht..."
"Achso? Warum steht dann dein Name darauf?" Fragte der Alpha entgegenstellend und deutete auf die Vorderseite des Notizheftes.
"Ähm... das ist ein anderer Kai..." Log der nervöse Alpha und zog dabei die Lippen ein. Diese Situation stand so nicht in seinem Drehbuch geschrieben, weswegen Kai nicht genau wusste, wie er sich aus dieser retten konnte. Jedoch war dies sehr offensichtlich. Auch für Ace, der die Situation sofort durchschaute.
"Ah. Hast du also einen Bruder, der genau so heißt, wie du und imselben Haus mit dir wohnt?"
Wie dumm von Kai. Er hatte glatt vergessen, dass er sowohl seinen vollständigen Namen- als auch seine Adresse auf das Heft geschrieben hatte. Noch offensichtlicher zu lügen sollte erst einmal jemand schaffen...
"Jaaaa... nein. Na gut, doch. Doch, ich habe ein Drehbuch für diese Situation hier geschrieben, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte oder wie ich dieses Gespräch beginnen soll... extrem peinlich, ich weiß..." Murmelte er tatsächlich sehr peinlich berührt, weswegen er sogar leicht rot wurde, als er seine Lüge zugab. Es war wirklich unangenehm für ihn, sich so vor einem Patienten bloßzustellen, auch wenn dieser vielleicht- vielleicht auch nicht- ein Mörder war. Ace wird ihn sicher für verrückt erklären oder wütend sein, dass er zu lügen überhaupt versucht hatte, dachte Kai.
Doch dieser begann lediglich ein wenig zu schmunzeln und sogar zu kichern, als Kai sich seiner Meinung nach grundlos schämte und klopfte ihm väterlich auf die Schulter.
"Jetzt bleib ruhig, Malakai. Komm erstmal rein, dann können wir ganz in Ruhe reden. Nimm dein Heft von mir aus auch mit, dann kannst du dich daran halten." Belächelte er die Situation nur und öffnete die Tür für seinen Gast, der sich noch immer stark schämte, allerdings beruhigt war, dass der Andere es ihm nicht verübelte. Ace war tatsächlich ein sehr herzlicher, lieber Mann. Fast schon zu lieb und herzlich, als dass er das getan haben könnte, was ihm nachschwebte...

He fucks my brain- Alpha x Alpha bl story by Rockostic Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt