Kapitel 18

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Omg omg omg omg, dachte Malakai konstant während er in den warmen Armen des Alphas stand und ihn die starken Arme an ihn zogen. Es war so überraschend, aber eine so schöne Abwechslung nach all dem Leiden, welches Bajarka und Ace ihm gebeichtet hatten. Fast hätte Kai geglaubt, nun endgültig von Bajarka als nervig und anhänglich eingestuft zu werden. Die schlimmsten Dinge hatte er sich ausgemalt, von Bajarka zu hören.
'Bist du ernsthaft so verzweifelt?!', 'Is ja ekelhaft! Verpiss dich!', 'Was soll das?! Halt' dich von mir fern! Geh am besten! Bleib fern von dieser gesamten Familie!' Oder noch mehr Drohungen. Das und nichts anderes hatte Malakai erwartet. Klar: Eine harte Art, von jemandem zu denken. Aber bis jetzt hatte Bajarka ihm keinen Grund gegeben, anders zu denken. Aber wie gesagt: nur bis jetzt. Jetzt überdachte Malakai allerdings seine gesamte Einschätzung von ihm. So kalt im Herzen konnte niemand sein, der so enge und warme Umarmungen geben konnte. Aber jetzt verstand Kai: Diese ganze Fassade war ein einziger Schutzmechanismus, den er nun zum ersten Mal fallenlassen hatte. In Wahrheit war er gar nicht so feindseelig und gewaltbereit, wie er tat. Er wollte sich einfach nur selbst beschützen. Und das konnte Kai nicht länger verurteilen.
"Bajarka... ich weiß, das willst du wahrscheinlich nicht hören. Und es ist merkwürdig, dass ausgerechnet ich es sage. Aber ich bin froh, dass du überlebt hast. Und deine Familie ist es sicherlich genauso." Sagte Malakai leise gegen die Schulter des Anderen und streichelte nun sanft dessen Rücken. Er wusste im Moment gar nicht, was genau ihn trieb, solche einfühlsamen Worte zu sagen oder warum er diesen Alpha überhaupt umarmte, nachdem er so viele Gründe bekommen hatte, sich von ihm fernzuhalten. So viele Drohungen hatte Kai aus dem Mund dieses Alphas gehört. Und alle waren in diesem Moment bedeutungslos geworden. Die Einsicht, dass sich Bajarka nur verteidigt hatte, wirkte tatsächlich Wunder. Es war also doch gut gewesen, dass Kai diese Geschichte gehört hatte.
Leise seufzend lockerte sich sein Gruff um den Anderen etwas. Er fürchtete, dass diese Worte wohl doch zu aufsringlich gewesen waren, da sich Bajarka bis jetzt noch kein Stück gerührt hatte. Dies einsehend wollte Kai ihn wieder loslassen und sich zum wahrscheinlich 20. Mal seit ihrer ersten Begegnung bei ihm entschuldigen. Doch gerade, als sich ihre Körper voneinander trennten, fiel Kai wieder gegen den des Größeren, als dessen Arme ihn plötzlich trafen und kräftig gegen seinen Rücken drückten. Noch fester als vorher stand der nun sehr überraschte Malakai in dieser Umarmung und realisierte kaum, was passierte. Er wurde von Bajarka an sich gedrückt???
Ein Ausatmen folgte. Der Größere regte sich, um seinen Kopf in die Halsbeuge des Kleineren zu platzieren.
"... Danke." Hauchte er kaum hörbar. Es war wie im Wind getragen aus seiner Kehle gekommen und in Kais Ohr eingerungen. Wie eine frische Brise stellte es die Haare an Kais Körper auf und erzeugte eine Gänsehaut an ihm. "... ich glaube wirklich manchmal, dass es besser mich getroffen hätte.", raunte er, "Ihn nicht an meinem Bett stehen zu sehen, nachdem ich nach der OP aufwachte, war viel schmerzhafter als alles davor. Und alle fragten sich, wie es weitergehen sollte. Keiner hatte eine Ahnung.", beschrieb er ihm noch einmal inständig und riss erneut das Herz aus Kais Brust heraus "... unser Vater, der Balken im Haus, der uns alle zusammenhielt, war weg. Wir waren alle zerstört. Innerlich. Und ich auch äußerlich. Doch wegen mir ist Dad überhaupt losgefahren. Nur wegen diesem beschissenen Blinddarm. Deswegen fühle ich mich so verantwortlich. Ich hab oft versucht, ihn irgendwie zu ersetzen. Aber das kann ich natürlich nicht. Trotzdem versuche ich es bis heute. Irgendwas muss es ja wert sein, dass ich überlebt habe und er nicht..." Bajarka seufzte tief, bevor er weitererzählte: "... aber es klappt meistens nicht."
Kai hörte dem Alpha traurig zu, während er ihn weiter fest umarmte. Einen Moment lang war Ruhe. Sie dachten beide einfach nach und Kai schnaufte.
"Du tust dein Bestes, Bajarka." Murmelte er verständlich genug, dass dieser es verstand und streichelte über seinen Rücken. "Ich wette, dass deine Familie genau dies weiß und dir dafür sehr dankbar ist."
Bajarkas Blick wandt sich zu Boden und sein Kinn legte sich auf die Schulter des Anderen. "Wenn sie mich nur nicht so behandeln würden, als ob ich ihnen diese Hilfe nicht bieten könnte. Ständig wollen sie mich in Watte packen. Es nervt mich." Knurrte er und blickte zur Seite. "Ich weiß. Das ist eigentlich undankbar. Besonders stolz bin ich darauf auch nicht. Aber sie sollen nicht so tun, als ob ich noch immer im Krankenhaus um mein Überleben kämpfe."
So ein Verhalten von den anderen Titans hat Kai gar nicht mitbekommen. Nur dieses väterliche von Bajarka, wenn er seinen Geschwistern etwas aus der Stadt mitbrachte oder sie so herzlich umarmte, wie mich jetzt. Dass dieses Verhalten darauf zurückzuführen war, dass er seinen Vater verloren hatte, hätte er sich nicht im Traum vorstellen können. Er dachte eigentlich, dass der mysteriöse andere Vater die Familie und Ace verlassen hätte und jetzt irgendwo sein Glück in Spanien oder in sonst einem Land versuchte. Er hatte Arrow nie kennengelernt. Nur gehört hatte er einiges von ihm, durch Tucker. Und Arrow schien ein wirklich herzensguter Mensch zu sein. Nie jemanden im Stich gelassen, jeder alten Dame über die Straße geholfen und jedem weinenden Kind im Supermarkt die Eltern gefunden. Aber das konnten ja alles nur Geschichten sein, weswegen Malakai dachte, dass der Vater der Bande reisaus genommen hatte. Aber jetzt glaubte er allem, was über diesen Mann gesagt wurde.
Arrow Titan... getötet durch einen umgestürzten Baum.
Bajarka Titan... schwer verletzt durch dasselbe Erlebnis und mit Traumata verbundene Narben am ganzen Körper aufweisend.
Ace Titan... ein Vater, der seinen Ehemann und fast auch seinen Sohn verloren hätte und auf den sein ehemals bester Freund mit dem Finger zeigte und ihn als Mörder seines Chefs hinstellte, weil ihn die Situation zu stark an seinen Verlust erinnert hatte.
Blade und Weston Titan... zwei Kinder, die ihren Vater auf tragische Weise verloren haben und dessen Bruder sich für immer verändert hat.
Als sich Malakai dem bewusst wurde, lief es ihm kalt den Rücken runter und er kuschelte sich noch enger an Bajarkas warme Brust.
"Ich verstehe schon..." Murmelte er und schnaufte ein wenig. "Du willst sie am liebsten von dem Verlust ablenken und ihnen die Lücke, die dein Vater hinterlassen hat, füllen. Das ist gut, Bajarka. Das ist sehr sehr edel von dir. Und tapfer vorallem. Denn auch wenn du gern die Lücken für die anderen füllen willst... wer füllt denn dann die Lücke, die der Verlust und die ganze Situation in dir verursacht hat?"
Bajarka wurde still. Sein Atem stockte für einen Moment, sodass Malakai ihn nicht mehr hören und fühlen konnte. Von dieser Sicht aus hatte es der Alpha nie gesehen. Die Lücke in sich... seine Schlafprobleme. Die Leere in ihm. Der ständige Drang, sich nützlich machen zu müssen. War sie das? Die Lücke, die Arrow hinterlassen hatte?
Unbemerkt stiegen in den Augen des Größeren Tränen auf. Sie liefen ihm an beiden Wangen hinunter und landeten auf Malakai's Shirt. Doch dieser merkte dies nicht. Die Tränen hatten perfekte Körpertemperatur, sodass sich kaum etwas am Empfinden des Anderen veränderte. Zudem Bajarka sie schnell wegwischte und sich innerlich für seine Schwäche ohrfeigte.
"... ich glaube, genau das versucht deine Familie indem sie für dich da ist. Sie wollen, dass es dir besser geht. Aber du willst, dass es ihnen besser geht. Und so geratet ihr aneinander. Ich glaube, dieser tiefe Drang, ihnen ein Ersatzvater zu sein kommt von deiner tiefen Trauer und deinen Schuldgefühlen. Du glaubst doch, dass du Schuld am Unfall bist, weil er dich zum Krankenhaus gefahren hat, oder?" Fragte Kai, doch er erhielt von Bajarkas Seite keine Antwort. "... nun wie auch immer, das bist du nicht. Du bist nicht Schuld an diesem Unfall. Es hätte an irgendeinem Tag zu irgendeiner Zeit passieren können-"
"Konnte es nicht." Kam ihm Bajarka dann doch dazwischen und hatte die Augen nun geschlossen, um seine Tränen zu unterdrücken. Er schluckte sie hinunter und löste sich dann von Kai, um sich erneut am Waschbecken zu stützen und sein Gesicht von dem Kleineren fernzuhalten, welcher nun wieder in Kälte stand "... weißt du, wie unwahrscheinlich es ist, in einem fahrenden Auto von so einem Baum getroffen zu werden? Die Chancen liegen fast bei 0. Hätte ich nicht genau an diesem Tag diesen drecks Termin gehabt oder hätte ich mich ein wenig mehr beeilt, sodass wir nur 3 Sekunden eher losgefahren wären, dann würde mein Vater noch leben. Und sag mir jetz nicht irgendwas. Ich bin Waldarbeiter, ich kenne meinen Beruf. Eins zu eine millionen, Kai. Und diese Zahl gilt generell für den Tod durch fallene Bäume. Weißt du wie gering es dann wäre, von einem fahrenden Auto aus von einem Baum getroffen zu werden?! Von einer Buche?! Bei windstille?! Die meisten Bäume fallen durch einen Sturm um. Und selbst da nur jüngere Bäume oder Nadelbäume, bei denen die Wurzeln nicht tief im Boden verankert- sondern in sämtliche Richtungen an der Erdoberfläche verstreut sind. Aber eine Buche?!" In der Stimme des Alphas spiegelten sich tiefe Verzweiflung und Trauer. Er hatte wirklich alles ausgerechnet. Recherchiert, um herauszufinden, wie er den Unfall hätte vermeiden können. Und zum ersten Mal seit Kai seinen freien Willen entdeckt hatte, fehlten ihm die Worte. Es sah tatsächlich so aus, als hätte dieser tragische Unfall vermieden werden können. Nur durch Sekunden. Wären sie nur 4 Sekunden schneller gewesen, wäre der Baum auf der Straße gelandet. Wären sie zehn- oder vielleicht auch nur fünf km/h langsamer gewesen, wäre der Baum direkt vor ihnen gelandet und hätte sie nicht getroffen.
Kai fasste sich an die Stirn. Wahnsinn, wie gering diese Chancen eigentlich waren. Und genau das zu wissen musste eine so schwere Belastung sein... kein Wunder, dass Bajarka mit allem so unzufrieden war.
"Aber... du konntest es doch nicht wissen..." Murmelte Kai noch das letzte heraus, was ihm in den Kopf kam, um den Riesen zu beruhigen. "Du konntest es doch nicht wissen, dass genau in dieser Minute, exakt in dieser Sekunde diese Buche umfällt. Und dann noch mitten auf die Straße... das hätte doch keiner voraussehen können. Es bleibt dabei, mein Freund. Du bist nicht schuld." Kai legte vorsichtig und sanft eine Hand auf die Schulter des Größeren und riskierte somit, diese weggeschlagen zu bekommen. Und diesmal war dies auch der Fall. Bajarka holte mit der Schulter aus und schüttelte somit die Hand von Kai ab. Jedoch schien er dies nicht mit einer ablehnenden oder bösen Absicht zu machen, sondern einfach, weil er sich so viel zusammenriss, wie ihm möglich war und er sich deswegen keine empathischen Berührungen erlauben konnte, weil er sonst in Tränen ausbrechen würde. Kai verstand dies. Es ging ihm meistens genauso, wenn er an seinen verstorbenen Hund erinnert wurde, den er immer so sehr geliebt hatte. Er wollte nicht, dass andere dachten, sie müssten sich Sorgen machen oder ihm sagen, er solle sich zusammenreißen, weil es doch "nur ein blöder Hund" war. Das konnte man aber bei Bajarka nicht machen. Ein Vater war kein Hund. Komischerweise. Denn beim Verlust eines Familienmitgliedes verstand man Trauer eher als bei einem Haustier. Und das obwohl beides gleich viel schmerzte.
Kai war nun mehr als bedrückt. Ihm kamen wieder all die Vorwürfe in den Sinn, die er und Tucker dieser Familie gemacht haben. Einer gebrochenen Familie. Sicherlich würde sich sein Vater genauso schlecht fühlen, wie er jetzt. Apropos! Da musste er jetzt hin. Er musste ihm erzählen, was wirklich hinter dem vermeintlichen Mord an seinem Chef steckte. Aber ob er das glauben würde, war eine andere Sache. Er hatte es selbst nicht geglaubt, bis...
"... hey. Ehm. Ich weiß, dass das jetzt wahrscheinlich kein so guter Zeitpunkt ist. Aber ich will meinem Vater unbedingt erzählen, was es wirklich mit seinem Chef auf sich hatte. Vielleicht können unsere Familien sich dann endlich wieder anfreunden. Aber ich bezweifle, dass er mir die Geschichte glauben wird, wenn er keine Beweise sieht..."
"Hast du nh Handy?" Fragte Bajarka plötzlich, noch bevor Kai weitererzählen konnte. Eine merkwürdige Frage so plötzlich, aber Kai bejahte sie. Und nun sah er nur noch eine Bewegung von Bajarka, die Kai selbst sagte, dass er es in die Hand des Alphas geben sollte.
"W- was hast du damit vor??" Fragte er verwirrt, doch Bajarka antwortete mal wieder nicht. Er hob die vier Finger seiner Hand ein paar Mal, als würde er sich damit Luft zufechern. Zwar war Kai daraufhin noch immer verwirrt, aber er entsperrte es für Bajarka und gab es ihm. Dabei starrte er wie gebannt auf die Finger des Größeren, um zu sehen, was er tat. Und er tat nichts ungewöhnliches. Er öffnete lediglich Google und tippte etwas in die Suchleiste ein.
Verwirrt beobachtete Kai ihn dabei, bis er ihm einen Beitrag zeigte, der ein komplett demoliertes Auto als Schaubild zeigte, welches von einem Baum zertrümmert wurde. Daneben war eine Todesanzeige, zusammen mit einem Buld von dem Mann, den Kai vor einigen Wochen in Blade's Zimmer an der Wand gesehen hatte.
Seine Augen wurden mit einem Mal größer. Groß wie Teller, so könnte man meinen. Und er sah damit abwechselnd auf seinen Bildschirm und zu Bajarka.
"Ist das...?" Fing er seine Frage an, doch da bekam er sein Handy auch schon in die Hand gedrückt und Bajarka sah ihn auffordernd an. Aus Augen, die eindeutig ein wenig geweint hatten und die er sich am liebsten aus dem Kopf gerissen hätte.
"Der Zeitungsbericht über den Unfall und die Todesanzeige meines Vaters. Damit sollte Tucker sich zufrieden geben."

He fucks my brain- Alpha x Alpha bl story by Rockostic Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt