Sie standen eine ganze Weile so da. Sagten nichts und schwiegen. Mickeys Hand auf Ians Herz und Ians Hand auf Mickeys Herz. Stirn an Stirn und die Auen geschlossen. Als würden sie sich gegenseitig aufladen. Als wäre der jeweils andere der Strom, den sie brauchten. Oder als würden sie beide sich gegenseitig heilen.
Mickey dachte an die vielen Male, in denen Ian ihn verlassen hatte und in denen er sein Herz gebrochen hatte. Er dachte in letzter Zeit oft an ihre gemeinsame Vergangenheit.
Auch Ian dachte an die vielen Male in denen Mickey im das Herz herausgerissen hatte. Besonders am Anfang ihrer Beziehung, als Mickey sich seine Gefühle noch nicht eingestehen konnte. Und er dachte auch an die vielen Male, in denen er Mickey verletzt hatte. Aber vor allem dachte er an einen Moment. An den Moment, als er ihn vor 9 Monaten an der Grenze stehen gelassen hat. ‚Ich liebe dich' hatte er gesagt. Das erste Mal face to face. Und er hatte es so gemeint. Trotzdem reichte es nicht. Manchmal hatte er das Gefühl, es würde nie reichen. Seine Liebe zu Mickey reichte nicht, als er zur Army ging, als er manisch war und auch nicht, als er Mickey hatte alleine nach Mexiko fahren lassen. Er hoffte so, dass seine Liebe diesmal reichen würde. Dass seine Liebe zu Mickey reichen würde, um das zu tun, was er sich vorgenommen hatte.
Ian öffnete die Augen und sah Mickey an. „Hab dich vermisst" flüsterte er. Mickey grinste nur. Er nahm seine Hand runter und trat einen kleinen Schritt zurück. „Lass uns frühstücken." Sagte er und sie stiegen in Mickeys Auto. Sie sprachen kaum. Das hatten sie noch nie. Sie hatten nur viel gesprochen, wenn sie sich gestritten haben.
Sie fuhren etwa 5 Minuten bis Mickey den Wagen parkte und sie in einen Abklatsch eines American Diners gingen. Mickey begrüßte den dicken Mann hinter der Theke auf spanisch mit einem Handschlag. Er ging voraus in die hintersten Ecke des Diners und setzte sich an einen freien Tisch. Ian setzte sich ihm gegenüber. Eine Bedienung kam und nahm ihre Bestellung auf. Sie verschwand wieder. Ian sah Mickey an, der lässig einen Arm auf die Lehne hinter ihm gelegt hatte. „Was, und jetzt trinken wir Kaffee, wie zwei alte Freunde und erzählen uns wie es so gelaufen ist?" Ian schien enttäuscht. Mickey versuchte etwas kühl zu wirken. Immerhin hatte Ian ihm sein Herz gebrochen. „Für den Anfang." Sagte Mickey und sah in Ians grüne Augen. Wie er diese Augen vermisst hatte. Er sah hinunter zu seinen Lippen. Er wäre am liebsten über den Tisch gesprungen und hätte sie geküsst.
„Na dann leg mal los, Milkovich" jetzt versuchte Ian auch kühl zu klingen. Aber Mickey kannte ihn zu gut. Er wusste genau, was für ein schlechter Lügner Ian war.
„Naja. Kann nicht klagen. Bin alle 2 bis 3 Wochen woanders. War viel am Strand. Hab spanisch gelernt. Und schwimmen." Er grinste. Ian konnte nicht anders und grinste ebenfalls. Doch Mickey wusste, dass war nicht, was er hören wollte.
„Hast du jemanden?" Fragte Ian vorsichtig und sah ihm direkt in die Augen. Mickey schüttelte den Kopf. „Hattest du jemanden?" Fragte er weiter. Es war, als wäre dies eine der ersten Fragen, die sie sich jedes Mal stellten, wenn sie eine Zeit lang getrennt waren. Als wäre es so wichtig, wen man fickt. Jedes mal wenn Mickey aus dem Knast kam, als Ian bei der Armee war und danach. Jedes mal stand diese Frage im Raum. Aber Mickey wusste, wie wichtig diese Frage für Ian war. Und deshalb musste Mickey ehrlich sein. „Hab versucht dich zu vergessen. Gibt nur verdammt wenige Rothaarige in Mexico. Also nein. Ich hatte niemanden." Ian konnte nicht anders als zu lächeln.
„Na dann erzähl mal Gallagher. Was ist mit dir?" Mickey nippte an seinem Kaffee und lehnte sich zurück. Er sah so cool aus. Als würde es ihn eigentlich gar nicht interessieren.
„Meine Mom ist gestorben, kurz nachdem du..." er sprach den Satz mit Absicht nicht zu Ende. „Arbeite immer noch als Rettungssanitäter. Toller Job. Bin von zu Hause ausgezogen. Hab eine eigene kleine Wohnung 2 Straßen weiter. Wurde einfach zu voll in dem Haus."
„Das mit deiner Mom tut mir leid. Ich weiß, ihr standen euch nah" Sagte Mickey und das war normalerweise nicht seine Art. Ian hatte mit keinem Kommentar oder einen blöden Witz gerechnet. Sein Beileid ging mitten ins kaputte Herz. „Danke" Sagte Ian und nahm noch einen schluck von seinem Kaffee. Auch er wusste, dass das nicht alles war, was Mickey hören wollte. „Was ist mit deinem ‚Boyfriend'?" fragte er leise und Ian wusste, dass er Trevor meinte. „Wir waren noch einige Wochen zusammen. Ich hab aber schnell gemerkt, dass es nicht passt." Ian sah auf die Tasse, die er umklammerte. „Wieso?" Fragte Mickey vorsichtig. ‚Weil er nicht du ist' dachte Ian, zuckte aber stattdessen die Schultern. Kurze Zeit waren beide still. „Hattest du andere?" Fragte Mickey leise. Ian wusste, er musste ehrlich sein. Ian wusste, dass er keine Beziehung mit Lügen beginnen konnte. Er nickte. Mickeys Magen zog sich schmerzhaft zusammen und er fühlte den Schmerz in seinem Herzen. Er musste weiter fragen. „Viele?" Ian nickte. Mickey atmete tief ein, stand auf und ging auf die Toilette. Er umklammerte das Waschbecken und sah in den Spiegel. Viele. Was waren viele? 3? 10? 30? War es wichtig, wie viel Viel ist? Oder hätte schon einer gereicht? Er dachte an Ian, als er damals im Fairytale tanzte. Ihm wurde schlecht und sein Magen zog sich wieder zusammen. Er kannte das Gefühl. Eifersucht. Pure Eifersucht. Früher hatte er alle verprügelt, die Ian auch nur schief ansahen. Die seinen Ian ansahen. Jetzt hatte er keine Macht darüber. Er hatte kein Recht darüber zu entscheiden, mit wem Ian schlief. Sie hatten das letzte mal ernsthaft über ihre Beziehung gesprochen, als Ian mit ihm Schluss gemacht hatte. Kurz bevor Mickey ins Gefängnis kam. Waren sie ein Paar? Nein. Also hatte Mickey kein Recht dazu, eifersüchtig zu sein. Es tat ihm weh, ja, trotzdem waren sie nicht zusammen und Ian konnte mit jedem schlafen den er wollte. Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und wartete noch einen Augenblick.
Ian wusste, wie sehr er Mickey weh tat. Aber er musste ehrlich sein. Er hatte keine Wahl. Und sollten sie je wieder zusammen sein, dann wäre es wichtig, wenn er vorher ehrlich war. Ian wusste, dass Mickey aufgebracht war. Er wusste auch, dass Mickey Zeit brauchte und ließ ihn alleine auf der Toilette. Und er wusste, dass Mickey sich beruhigen würde.
Als sich Mickey schließlich wieder an den Tisch setzte war die Stimmung anders. „Ian." Begann er. Er hatte seine Hände auf den Tisch gelegt und sah darauf. „Ich habe kein Recht eifersüchtig zu sein. Tut mir leid" Ian stockte. „Wer bist du und was hast du mit Mickey Milkovich gemacht?" Ian grinste. Mickey sah ihn wütend an „Fick dich Freckles " Ian lächelte, als Mickey aus Versehen seinen alten Spitznamen benutzte. Es war ein sehr intimer Spitzname. Ian hatte zwar auch im Gesicht Sommersprossen, aber seine Schultern waren übersäht. Mickey sagte es zum ersten Mal, als sie Sex hatten und sich dabei zum ersten mal anschauten. Er hatte in seine Schulter gebissen als er zum Orgasmus kam und entschuldigend über die Bissspur gestrichen. Dann hatte er ihn Freckles genannt. Ian erinnerte sich gerne an diesen Tag. Er musste lächeln. „Was grinst du so blöd?" „Ach, ich hab grad an das erste mal gedacht, als du mich so genannt hast." „weiß nicht wann das gewesen ist" Sagte Mickey mit einem grinsen auf den Lippen. Er wusste es ganz genau. Er hatte diesen Anblick von Ians Schulter mit seinen Bissspuren in seinen Kopf gebrannt. Es zeigte, dass Ian ihm gehörte.
„Es war, an einem warmen Sonntag vor etwa 4 oder 5 Jahren. An unserem Platz unter der Tribüne... ich hatte eine Decke mitgenommen. Du hast mir Süßigkeiten gekauft. Saure Jellys. Die liebte ich zu dieser Zeit. Sie haben mich an dich erinnert. Außen sauer. Innen ganz weich und süß." Er grinste. Mickey konnte sich erinnern. Trotzdem ließ er Ian weiter erzählen. „Wir hatten uns zuvor nur ein mal geküsst. In dem blöden Van. Wir sahen uns an und dann passierte es. Wir haben uns geküsst. Leidenschaftlich und mit Zunge. Dann zogen wir uns aus. Ich wollte dich sehen. Ich wollte, dass du mich siehst wenn ich dich ficke. Face to face. Ich wollte dich küssen. Du hast dich darauf eingelassen. Ich wusste, wie schwer es dir gefallen ist. Du musstest dich von dieser Seite zeigen. Du musstest dich verwundbar machen. Sex war immer nur Sex. Seit wir uns geküsst haben, war es mehr. Es war... intimer..." er lächelte und sah auf seine Hände. Tief in Gedanken versunken. Mickey streckte eine Hand aus und nahm Ians. Er sah nun auf ihre beiden Hände. „Als du mir schließlich in die Schulter gebissen hast, hat mich das so angemacht, dass ich auch kommen musste. Ich liebte es, wie du danach über die Wunde gestrichen hast. So fürsorglich. Entschuldigend. Aber auch so stolz. Es zeigte dir, dass ich dir gehörte. ‚Good Job Freckles' hast du gesagt und ich war stolz. Stolz auf meinen ersten Spitznamen." Ian sah in Mickeys Augen. Sie funkelten wie blaue Diamanten. Mickey sah ihn an und ohne seine Hand los zu lassen stand Mickey auf und setzte sich neben ihn. Ian legte einen Arm um ihn ihn küsste ihn auf die schwarzen Haare.
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